Delfin (Wappentier)
Das Wappentier Delfin oder Delphin (auch Meerschwein, Merschwein, Merswin, Mersau oder ähnlich genannt; französisch dauphin; englisch dolphin) ist in der Heraldik eine gemeine Figur, die in unterschiedlichen Ausprägungen in Wappen dargestellt wird:
- Heraldischer Delfin (spätestens seit der Blütezeit des Wappenwesens gebräuchlich)
- Natürlicher Delfin (nur in der neueren Heraldik gebräuchlich)
Geschichte
Wann genau eine wie auch immer gestaltete „Delfinfigur“ zum ersten Mal in Zusammenhang mit einem Wappen geführt wurde, ist unklar. Der Heraldiker Ralf von Retberg verweist vage und irreführend auf das 15. Jahrhundert:
„(..) im 15. Jahrhundert, wo man mit Vorliebe das Neue und Auffallende suchte, wurden die verschiedenen Arten der Fische mehr als früher unterschieden (..) wozu nun auch der Delfin () kam (..)“
Diese späte Datierung ist für den „König der Fische“[3] als Wappentier wenig plausibel, da das Motiv auf etlichen Wappen/Siegeln vorkommt, die früheren Ursprungs sind. Insbesondere im Zusammenhang mit dem französischsprachig geprägten Kulturraum bzw. mit den Grafen von Forez, den Dauphins von Viennois, den Dauphins von Auvergne, den Dauphins von Frankreich et cetera fanden Delfinfiguren spätestens zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert ihren Weg auf die Wappenschilde.
Beispielsweise erscheint auf dem Gegensiegel des sogenannten „Delfinsiegels“ (französisch sceau dauphin), welches der Art nach ein Reitersiegel ist und schon ab Mitte des 14. Jahrhunderts zur Anwendung kam, gleich mehrfach eine Delfinfigur. Das „Delfinsiegel“ zeigt den siegel-/wappenführenden Dauphin und späteren König von Frankreich Karl V. aus dem direkten königlichen Haus Valois (1349-1498) als Ritter in voller Rüstung auf einem Pferd; auf seinem Kampfschild und auf der Pferdedecke ist das Wappenbild der Dauphins beziehungsweise jenes der historischen Landschaft Dauphiné (deutsch veraltet: Delfinat[4]) zu sehen:
- Von Blau und Gold geviert, in den Feldern 1 und 4 drei goldene Lilien, in den Feldern 2 und 3 ein blauer rotgeflosster Delfin.
Die gekrümmten Delfinfiguren stehen hier für das alte Haus Albon, welches den Titel Dauphin von Viennois trägt und die Delfinfigur vermutlich seit dem 12. Jahrhundert als Kennzeichen der Familie führt:
„Graf Guigues IV. von Albon († 1142) nannte sich selbst mit Beinamen Delfinus (franz. Dauphin) und hatte in seinem Wappen das Bild eines gekrümmten Delfins. Unter seinen Nachkommen entwickelte sich dieser Beiname zu einem Titel und der Delfin wurde fester Bestandteil ihres Wappens. Hiermit erhielt die Grafschaft Albon die Bezeichnung Dauphiné de Viennois; später nannte man das ganze Herrschaftsgebiet der Dauphins Dauphiné.“
Darstellung
Die Darstellungen des Delfins in Wappen reichen von einem fabelartigen „Delfin-Seeungeheuer“ bis hin zu einem wenig stilisierten natürlichen Delfinmotiv.
Heraldischer Delfin
In der Regel wird in der Heraldik das Motiv des Delfins ähnlich wie ein Seeungeheuer oder Seefabelwesen dargestellt, daß heißt, mit großen, kammartigen (Rücken-)Flossen, mit einem überdimensionierten Kopf und einem gewaltigen Maul sowie teilweise mit einem ausgeprägten elefantenartigen Rüssel und ebensolchen Stoßzähnen.
„(..) Martin Schrot bildet den Delphin überhaupt mit dem Rüssel und den Hauzähnen eines Elephanten ab.“
„Delphin (Tafel XXI. Figur 4. 5.): soll in der Heraldik nur in der Form dargestellt werden, wie ihn der Französische Dauphin (das Delfinat -- Dauphiné) führte, also mit einer Art Rüssel, der in älterer Zeit vollständig dem Elephanten ähnelt, gewaltige Beflossung und starkem Kopf, sowie stets senkrecht und gekrümmt (..)“
In der heraldischen Form sind die Flossen als Bewehrung oft anders gefärbt als der Rest des Tieres.
Wappen von Stammham (bei Ingolstadt)
Wappen von Giovanni Dolfin (Doge von Venedig)
Delfin im früheren Wappen von Jūrmala in Lettland
Abgestandene, schmachtende oder belebte Delfinfigur
„Abgestanden“ (?) beziehungsweise „schmachtend“ (?) sowie „belebt“ (?) sind im Zusammenhang mit Delfinfiguren unbrauchbare, frei erfundene, veraltete, seltene und nicht einheitlich verwendete Kunstausdrücke von Autoren der neueren deutschsprachigen Heraldiktheorie. In der Früh- und Blütezeit des Wappenwesens sind diese Kunstbegriffe nicht gebräuchlich. Weil ihre exakte Bedeutung unklar ist und mit ihnen nicht alle heraldischen Möglichkeiten der Darstellung eine Delphin-/Fischfigur erschöpfend und konsistent beschrieben werden können, sollte man sie nicht zur Beschreibung einer Delfinfigur verwenden. Sie haben nur deswegen eine gewisse theoretische Relevanz für die Heraldik, weil sie ab dem 19. Jahrhundert in Folge der „Bernd'schen Schrullen“ (Querfurth über Christian Samuel Theodor Bernd)[9] von Heraldikern wie von Sacken (1893)[10], Oswald (1984)[11], Scheibelreiter (2006/2014)[12][13] und anderen unkritisch übernommen und in ihren jeweiligen Werken zur heraldischen Terminologie wiederholt wurden.
Von der Fisch- zur Delfinfigur
Je nach Wappenaufriss verschwimmen manchmal die Grenzen zwischen einer Delfin- und eine einfachen Fischfigur. Beispielsweise ist im Ingeram Codex von 1459 das Wappen des Dauphin und späteren französischen Königs Ludwig XI. von Frankreich mit einer Wappenfigur dargestellt, die eher an einen Fisch, weniger an einen Delfin erinnert.
Auchdie Entwicklung von einer Fisch- zu einer Delfinfigur kommt gelegentlich in der Historie eines Wappens vor. Beispielsweise erscheint im Siegel von Dunkerque (deutsch Dünkirchen) aus dem Jahre 1226, welches im Nationalarchiv aufbewahrt wird, ein gewöhnlicher Fisch (Oreosomatidae)[14]. Entsprechende Fischfiguren sind in der einen oder anderen Form in den Siegeln/Wappen von Dunkerque bis 1662 nachweisbar, als Ludwig XIV. die Stadt besuchte und die Bürger ihren neuen Herrn mit einer Anspielung auf seinen im Vorjahr geborenen Sohn, den Dauphin, ehren wollten. Der Fisch verwandelte sich daher im Wappen in einen Delphin. Eine entsprechende Modifikation wurde im November 1696 offiziell registriert und die Delfinfigur findet sich mit Unterbrechungen bis heute im Wappen von Dunkerque.[15]
Fischfigur (Wappen Dunkerque) | Delphinfigur | ||||||
1226 | 1328 | 1510 | 1535 | 16. Jhr. | seit 17. Jhr. (mit Unterbrechungen) |
Von der heraldischen zur natürlichen Delfinfigur
Eine „Entheraldisierung“ der ursprüngliche Form der fabelartigen Delfinfigur vollzieht sich im Laufe der Jahrhunderte durch Abnahme der ursprünglichen Ungeheuer-Attribute. Die heraldische ist von der natürlichen Darstellung des Delfinmotivs nicht immer konsistent abzugrenzen. Beispielsweise erscheinen die beiden Delphinfiguren im Wappen der Stadt Brighton, welches am 14. April 1897 verliehen wurde, ursprünglich als heraldische Seeungeheuer; in späteren Aufrissen werden sie jedoch sukzessive natürlicher dargestellt und nach der Wappenbestätigung im Jahre 1972 ist die Gestalt der Wappenfiguren komplett an das natürliche Vorbild angelehnt. Im Zweifelsfalle sind die Wappenbeschreibung oder die Wappenstifter/-führende zur Bestimmung einer Delphinfigur heranzuziehen.
Von einem heraldischen Delfin-Seeungeheuer → zu einer natürlichen Delfin-Figur (Wappen von Brighton) | ||||
Natürlicher Delfin
Soll kein heraldischer, sondern ein „natürlicher Delfin“ in einem Wappen erscheinen, ist dies in einer Wappenbeschreibung ausdrücklich zu melden. Der „natürliche Delfin“ ist dem Idealbild eines realen Delfins (Delphinidae) nachempfunden, sollte aber heraldisch stilisiert erfolgen, wobei die typischen Merkmale des Säugetiers in der heraldischen Gestaltung besonders zu betonen sind.
(Tierga, Spanien)
(Wappen von Небуг/Nébug, Russland)
(Kreis Tulcea, Rumänien)
Delfinkrone
In der Rangkrone der französischen Thronfolger (Dauphin) sind Delfine als Kronenbügel eingearbeitet; die Delfinfluken gehen in der Kronenmitte in die Lilie über.[16] Die Krone wird gemeinhin als Dauphinkrone oder als Delfinkrone bezeichnet.
Abgrenzung
Das Wappentier Delfin aus der biologischen Ordnung der Zahnwale wird teilweise in der Heraldik den Fischen zugerechnet[17], teilweise aber auch zu den Niederen Tieren bzw. Wassersäugetieren gezählt. Die heraldische Delfinfigur sollte man weder mit einer natürlichen noch mit der gemeinen Figur Wal verwechseln.
„Delphin (..) Es werden jedoch derzeit auch Fische wie Tafel XXI Figur 6., sogar wasserspeiend, als augenscheinliche natürliche Delphine, oder Walfische (..) fälschlich als Delphine angesprochen.“
Die gemeine Figur Wal ist gewöhnlich einem Bartenwal oder einem Blauwal nachempfunden.
Symbolik
Außerhalb der Heraldik ist der Delfin ein Symbol/Sinnbild für ...
- Hilfs- und Einsatzbereitschaft z. B. einer Geschlechterfolge. Er kann somit ein Hinweis auf Pflegeberufe sein.
- Rettung, Sicherheit, Geborgenheit z. B. vor einem Übel, das der Familie drohte. Der Delfin gilt als „Retter für Schiffbrüchige“ und steht außerdem in der christlichen Symbolik für Christus, den „Seelenretter“.
- Das Weibliche schlechthin: Das griech. Wort Delphis für Delphin ist verwandt mit Delphys, was „Schoß“, „Mutterleib“ und „Gebärmutter“ bedeutet.
- Freundschaft (die Erzählungen von der Freundschaft eines Knaben mit einem Delfin sind legendär).
- Schnelligkeit (und dazu im Gegensatz: „Delphin mit Anker“ = Langsamkeit)
Paraheraldik
Das Motiv des Delfins findet sich auch in der Paraheraldik (zum Beispiel in Studentenwappen).
Wappenbilderordnung
- Der Delfin wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) unter der Nr. 3931 aufgenommen.
Weblinks
Siehe auch
Literatur
- ↑ David Barou; Joseph Barou: La Diana. Lieu de prestige, lieu de mémoire. In: Forez histoire. forezhistoire.free.fr, abgerufen am 6. Oktober 2021 (französisch).
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 3.
- ↑ Georg Scheibelreiter: Wappen im Mittelalter. Primus Verlag; Imprint der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft [WBG], Darmstadt 2014, ISBN 978-3-86312-025-2, S. 91.
- ↑ François Giry: Die Leben deren Heiligen, Von welchen man den Jahrs-Lauff hindurch … deutsche Ausgabe. 1730, S. 580.
- ↑ Seite „Dauphin von Viennois“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. September 2020, 08:19 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dauphin_von_Viennois&oldid=203298747 (Abgerufen: 6. Oktober 2021, 12:13 UTC)
- ↑ Johann Josef Schindler: Wapen-Gallerie des Höhern Adels der Gesammten Provinzen des Österreichischen Kaiserstaates, Band 6, Wien 1836. (Digitalisat), Der Oesterreiche Beobachter, 1838, S. 1326.
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 133.
- ↑ 8,0 8,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie ( M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite: III, 2, 16.
- ↑ Sacken, Eduard Freiherr von: Katechismus der Heraldik. Grundzüge der Wappenkunde. Leipzig. 1893. S. 69
- ↑ Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 17, 59, 95 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Georg Scheibelreiter: Heraldik. Oldenbourg Verlag, Wien 2006, ISBN 3-7029-0479-4, S. 61.
- ↑ Georg Scheibelreiter: Wappen im Mittelalter. Primus Verlag; Imprint der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft [WBG], Darmstadt 2014, ISBN 978-3-86312-025-2, S. 91.
- ↑ Xavier Boniface, Stéphane Curveiller et al.: Dunkerque 1000 ans d'histoire. Wimille, 2001. (französisch)
- ↑ Siehe auch:
- Seite Historique du blason de Dunkerque. In: Wikipédia. Seite abgerufen: 07:09 Uhr, 19. Oktober 2020 von http://fr.wikipedia.org/w/index.php?title=Historique_du_blason_de_Dunkerque&oldid=175708733.
- ↑ Buben, Milan: Heraldik. Albatros-Verlag Prag, 1986, deutsch 1987. Seite 120.
- ↑ Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 236 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).