SMAD-Befehl Nr. 209

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Der Befehl Nr. 209 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland und Obersten Chefs der Besatzungstruppen in Deutschland, Marschall der Sowjetunion Wassili Danilowitsch Sokolowski, vom 9. September 1947 galt der Schaffung von Neubauernhöfen. Einher ging damit die Zerstörung und Beseitigung von kleineren Adelssitzen (Herrenhäuser und Gutshöfe) in der SBZ. Demnach sollten ehemalige Herrenhäuser und Gutsgebäude zur Gewinnung von Baumaterialien für neue Wohn- und Wirtschaftsgebäude für die im Zuge der Bodenreform entstandenen Neubauernwirtschaften abgebrochen werden.[1]

Hintergrund

Dieser Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht steht in Zusammenhang mit der Enteignung sowie Verhaftung oder Vertreibung von Großgrundbesitzern in Ostdeutschland im Zuge der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone 1945/1946.

Großgrundbesitzer mit mehr als 100 ha Fläche sowie Kriegsverbrecher und aktive NSDAP-Mitglieder wurden entschädigungslos enteignet und deren Grundbesitz dem jeweiligen lokalen Bodenfonds übertragen. Die ostelbischen Großgrundbesitzer galten bereits am Ende der Weimarer Republik als reaktionär und republikfeindlich, die durch den Osthilfeskandal zum Rücktritt der Regierung Brüning und von Papen beigetragen hatten.

Die früheren Eigentümer verloren nicht nur ihr Land, sondern auch sämtliches sonstiges Eigentum. Von Wohnhäusern und Geldvermögen bis hin zu Mobiliar und Kleidung wurde ihnen alles entzogen. Die Enteigneten wurden aus ihren Heimatkreisen ausgewiesen und größtenteils in Zwangslager (z. B. Coswig (Sachsen) und Radeberg in Sachsen, aber auch auf Rügen) verbracht.

Der Befehl 209 wurde von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland erlassen, da sich nach den Enteignungen durch die Bodenreform und der Verteilung des enteigneten Landes an landarme und landlose Bauern sowie Umsiedler der Bau von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden durch die Neubauern nicht den Vorstellungen der Besatzungsmacht entsprechend vollzog. Grund war größtenteils das fehlende Baumaterial.

Inhalt des Befehls 209

  1. In den Jahren 1947 und 1948 sollte der Bau von mindestens 37.000 Häusern in den Neubauernwirtschaften gewährleistet werden, davon
    • in Brandeburg 10.000 Häuser,
    • in Sachsen-Anhalt 7.000 Häuser,
    • in Mecklenburg 12.000 Häuser,
    • in Sachsen 5.000 Häuser,
    • in Thüringen 3.000 Häuser.
  2. Bis zum 1. Januar 1948 sollte die Grenzziehung der Neubauernhöfe beendet sein. Die Größe der Grundstücke für Wohn- und Wirtschaftsgebäude wurde auf maximal 0,75 ha festgesetzt.
  3. Die Bau- und Kreditanträge der Neubauern sollten binnen Monatsfrist bearbeitet werden.
  4. Erhöhung der Produktionskapazitäten für Baumaterialien vor Ort.
  5. Anordnung zusätzlicher Schichten in den Sägewerken.
  6. Genehmigung, das Baumaterial "zerstörter militärischer Werke und Bauten, ebenso der ehemaligen Gutsgbäude und der Ruinen herrenloser Gebäude" zu verwenden.

...

Im zweiten Teil des Befehls wurde den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen vorgeschrieben, wie viel Vieh sie an Mecklenburg und Brandenburg zu verkaufen haben. Verkaufen mussten

  1. Sachsen-Anhalt 30.000 Stück (Rind-)Vieh,
  2. Sachsen 30.000 Stück (Rind-)Vieh und
  3. Thüringen 25.000 Stück (Rind-)Vieh.

Erhalten haben es Mecklenburg (45.000 Stück) und Brandenburg (40.000 Stück).[2]

Die Durchführung des Befehls 209 in Sachsen

Das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft in der Landesregierung Sachsen reagierte am 4. Oktober 1947 mit der Rundverfügung Nr. 11/47[3]. Darin wurde zum Punkt 6 des Befehls 209 festgelegt: "Der Abbruch von Gutsgebäuden zur Gewinnung von Material zur Erstellung von Höfen ist im verstärkten Maße in Anspruch zu nehmen." Bis hierher war beim Russen und bei der Rundverfügung der Sächsischen Landesregierung vom Abbruch der Gutsgebäude die Rede. Die Gutsgebäude waren aber die landwirtschaftlichen Gebäude des Ritterguts wie Ställe und Scheunen, die kein Mensch abbrechen konnte, da sie für die Landwirtschaft dringend benötigt wurden. Es wurde schnell klar, dass die eigentlich "nutzlosen" Herrenhäuser und Schlösser der enteigneten Rittergutsbesitzer dafür herhalten mussten. Deshalb hat die Landesbodenkommission Sachsen auf ihrer Sitzung vom 12. Dezember 1947 den für die sächsische Kulturlandschaft so verhängnisvollen Beschluss gefasst: "Die Kreisbodenkommissionen werden angewiesen, sofort mindestens 25% der Herrenhäuser und Schlösser abzubrechen."[4]. Das war der Todesstoß für mehr als 240 Schlösser und Herrenhäuser in Sachsen.

Zerstörte Adelssitze

Zunächst wurden die Rittergüter als „abzutragende Zeugnisse feudaler Unterdrückung“ durch die SMAD aufgelistet.

Trotz herrschender Wohnungsnot und zwischenzeitlicher Vergabe an Wohnungslose wurden zahlreiche Herrenhäuser gesprengt oder abgebrochen, um die Erinnerung an die früheren Eigentümer auszulöschen. Im Vorfeld des Abbruchs waren diese meist zur Plünderung freigegeben worden. Eine Parole der Abbrucharbeiten war „Die Zwingburgen müssen fallen“. Meist wurden Wirtschaftsgebäude oder andere Zubauten erhalten.

In Sachsen-Anhalt wurden die Landräte am 22. August 1947 aufgefordert, zusammen mit der Bodenreformkommission und dem VdgB die Gutshöfe aufzuteilen und die ungenutzten Gebäude und Herrenhäuser abzureißen. Im Winter 1947/48 begannen die ersten Abrisse in Sachsen-Anhalt.

Einsprüche von Denkmalpflegern und Ortshistorikern hatten wenig Erfolg. Um abrissbedrohte Gebäude zu retten, wurde jedoch vielerorts nach Nutzungsmöglichkeiten gesucht. Die Gutshäuser dienten u.a. als Notunterkünfte, als Wohnungen für Umsiedler aber auch als Schulen, Alters- und Pflegeheime, Museen, Archive oder Verwaltungen.

Eine Zerstörung aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 209 ist bekannt bei:

Modell des gesprengten Blankenberger Schlosses

Thüringen

(jeweils: Ortsname, zerstörter Adelssitz, Jahr der Zerstörung, letzter Hausherr)

Sachsen

Andere ostdeutsche Länder

Einzelnachweise

  1. Andreae, A./Geiseler, U.: Die Herrenhäuser des Havellandes, Lukas-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-931836-59-2
  2. Abschrift im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Kreisverwaltungs Oschatz, Band 692, S. 83.
  3. Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Kreisverwaltungs Oschatz, Band 692, S. 82.
  4. Rundverfügung Nr. 7 des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft in der Landesregierung Sachsen vom 29. Dezember 1947, Abschrift im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, Kreisverwaltungs Oschatz, Band 684, S. 152.


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Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „SMAD-Befehl_Nr._209“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 26.Mai 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.