Spitze (Heraldik)
Die Spitze (auch veraltet Sporn, Pyramide, Gern genannt; frz.: de .. chappé; engl.: per pile transposed) ist in der Heraldik im weitesten Sinn
- ein Oberbegriff für jene Wappenfiguren, die den Wappenschild oder das Feld als spitzer Winkel in drei Flächen teilen, wobei zwei Begrenzungslinien der Figur vom gleichen Punkt aus starten und schräg auseinander laufen.
In einem engeren Sinn differenziert man zwischen zwei Grundfiguren, von denen sich weitere Varianten und Ausprägungen ableiten:
- (Gemeine) Spitze = vergleichsweise breit zulaufendes, spitzwinkliges Heroldsbild (dessen Begrenzungslinien vom oberen Schild-/Feldrand starten)
- (Gemeiner) Keil = vergleichsweise schmal zulaufendes, spitzwinkliges Heroldsbild (das an seiner breitesten Stelle nur etwa 1/3 so breit wie der Schild oder das Feld ist und dessen Begrenzungslinien vom unteren Schild-/Feldrand starten)
Spitze
Die Spitze wird gebildet, indem von der Mitte des oberen Wappenschildrandes (Hauptachse) schräg nach rechts und links eine diagonale Linie bis zu zwei Basispunkten an den Unterecken des Wappens gezogen wird. Die „unteren“ Basispunkte liegen auf den gedachten Schnittpunkten der waagerechten Begrenzungslinie eines Schildfußes mit dem Schildrand. Durch die beiden Begrenzungslinien der Figur wird der Wappenschild in drei Flächen geteilt. Ein Fläche entsteht unterhalb der beiden Teilungslinien, eine rechts von einer Teilungslinie und eine links von der anderen. Das eigentliche Heroldsbild (die „Spitze“) ähnelt einem gleichschenkligen Dreieck mit zwei gleich langen Seiten, wobei die dritte Seite keine Basislinie ist, sondern durch den unteren Schild-/Feldrand definiert ist. In der Praxis wird die Fläche unterhalb der beiden Teilungslinien stets anders als der Rest tingiert.
Nach dem Heraldiker Ralf von Retberg werden sowohl die Schild-/Feldteilung als solche als auch die beiderseits der aufsteigenden Spitze abgeteilten Schild-/Feldteile als „Kappe“ (?) bezeichnet:
„Kappe (..) heißt eine Schildestheilung in drei ungefähr gleiche dreieckige Felder, welche entstehen, wenn aus der Mitte des Hauptrandes nach den Seiten je ein gerade Linie gezogen ist (..); auch kann man sagen: die Kappe ist die im Schilde durch Aneinanderschieben des rechten und linken Schräghauptes entstandene beiderseits gleichfarbige Fläche oberhalb einer von ihr eingeschlossenen andersfarbigen Spitze (..) Haben aber die beiden Schräghäupter unter einander auch verschiedene Farben, so heißt der Schild »kappen-dreigeteilt«. Beim Melden der Farben werden die der eigentlichen Kappe zuerst angesprochen und zuletzt die Spitze (..)“
Retbergs Sprachgebrauch konnte sich in der neueren heraldischen Terminologie jedoch nicht etablieren.
Silber-Blau geteilt, mit Spitze wechselnder Färbung[3]
Varianten
Gestürzte Spitze
Eine Spitze, die „auf dem Kopf steht“ (die Spitze des Heroldsbildes zeigt zum unteren Schild-/Feldrand), wird als „gestürzte Spitze“ (auch Sturzspitze genannt; französisch chaussé; englisch [per] pile) bezeichnet.
„Gestürzt heißt die Spitze, wenn sie verkehrt, das heißt mit dem Gipfel nach unten gestellt ist (..)“
1889: Mit gestürzter blauer Spitze gespalten von Rot und Silber (nach Gritzner)
1889: Blau-Gold geteilt, mit gestürzter Spitze wechselnder Färbung (nach Gritzner)[5]
Seitenspitze
Eine Spitze mit einer 90-Grad-Drehung wird nach der Lage des spitzen Winkels beziehungsweise nach der Richtung der Drehung bezeichnet, ist also
- entweder eine rechte Spitze (auch rechte Seitenspitze, rechte Querspitze oder ähnlich genannt)
- oder eine linke Spitze (auch linke Seitenspitze, linke Querspitze oder ähnlich genannt)
Rechte Seitenspitze
Rechte Seitenspitze / rechte Querspitze / rechte Spitze | ||
Lage | Die Basis des Heroldsbildes ist der heraldisch linke Schildrand beziehungsweise der Flächenschwerpunkt der „Rechten Seitenspitze“ liegt im heraldisch linken Bereich des Feldes/Schildes. | WBO-Nr.: 0502 |
Ausrichtung | Die Spitze des Heroldsbildes beziehungsweise ihr „Gipfel“ zeigt zum heraldisch rechten Schildrand. | |
Anmerkung | Wappenbilderordnung, Code-Nr.: 0502 frz.: de .. embrassé de .. à dextre; engl.: per pile from sinister |
1889: Mit rechter roter Spitze geteilt von Gold und Silber (nach Gritzner)
Moderner Aufriss Wappen (von Negendank)
rechte Spitze (Suomenniemi)
Linke Seitenspitze
Linke Seitenspitze / linke Querspitze / linke Spitze | ||
Lage | Die Basis des Heroldsbildes ist der heraldisch rechte Schildrand beziehungsweise der Flächenschwerpunkt der „Linken Seitenspitze“ liegt im heraldisch rechten Bereich des Feldes/Schildes. | WBO-Nr.: 0503 |
Ausrichtung | Die Spitze des Heroldsbildes beziehungsweise ihr „Gipfel“ zeigt zum heraldisch linken Schildrand. | |
Anmerkung | Wappenbilderordnung, Code-Nr.: 0503 frz.: de .. embrassé de .. à senestre; engl.: per pile from dexter |
1889: In Silber ein linke blaue Spitze (nach Gritzner)
Gebogene Spitze
Die Begrenzungslinien einer Spitze können symmetrische Wölbungen (Krümmungen bzw. Kurven) besitzen. Die Wölbungsrichtung wird dann teilweise zur Bezeichnung der Spitze herangezogen („gebogene Spitze“). Man unterscheidet in der Heraldik hauptsächlich vier Ausprägungen:
- Eingebogene Spitze (auch eingeschweifte Spitze oder Mantelzug genannt)
- Eingebogene gestürzte Spitze (auch ausgeschweifte Spitze oder Taschenzug genannt)
- Ausgebogene Spitze
- Augebogene gestürzte Spitze
Eingeschobene Spitze
- Eine Eingeschobene Spitze (auch eingespitze Spitze) erscheint im Prinzip wie eine eingebogene Spitze. Allerdings hebt der Ausdruck „eingeschoben“ eine andere Bedeutung hervor und meint im Allgemeinen, wenn eine spitzen- oder keilförmige Fläche nachträglich in ein bestehendes Schildbild eingefügt wird, um dort einen weiteren Platz für Wappenfiguren freizustellen, ohne andere Plätze des Wappens ungebührlich zu vermindern.
Eingeschobene Spitze
(gemäß Siebmacher)
Kielbogen
Ein Kielbogen (in der Heraldik auch geschweifte Spitze [Leonhard], birnenförmige Spitze [Gritzner], ausgebogene Spitze [Querfurth, Rolland], Eselrückenschnitt [Wappenbilderordung] genannt; außerhalb der Heraldik auch Eselsrücken, Sattelbogen, Schottischer Bogen oder Akkolade) ist in der Heraldik ein bogenförmiges Heroldsbild mit geschweiften Kanten, die im unteren Teil konvex und im oberen Teil konkav geschwungen sind.
„Birnenförmige Spitze (Tafel IX. Figur 5): sehr selten vorkommend, hat Birnengestalt.“
Eckspitze / schräge Spitze
Wenn eine Spitze aus einer „Ecke“ (beziehungsweise im unteren Schildbereich aus einer „gedachten Ecke“) des Wappenschildes hervorkommt, wird sie als „Eckspitze“ beschrieben.
„Es gibt rechte und linke, obere und untere Eckspitzen.“
In der neueren Heraldik ist der Oberbegriff „Eckspitze“ nicht mehr gebräuchlich; statt dessen spricht man von einer schräglinken beziehungsweise einer schrägrechten Spitze und so weiter (je nachdem in welchem 45-Grad-Schritt die Spitze gedreht erscheint).
Schrägrechte (Eck)Spitze
(gemäß WBO, Nr.: 0504)Schräglinke (Eck)Spitze
(gemäß WBO, Nr.: 0505)Schrägrechte gestürzte (Eck)Spitze
(gemäß WBO, Nr.: 0507)Schräglinke gestürzte (Eck)Spitze
(gemäß WBO, Nr.: 0508)
Halbe Spitzen
Wenn eine Spitze nur bis zur Hälfte des Feldes/Schildes beziehungsweise bis zur Schild-/Feldmitte reicht, wird sie als „Halbspitze“ beschrieben; in der Literatur gibt es im Zusammenhang mit diesen Heroldsbildern teilweise keine einheitliche Terminologie, siehe:
Winkelspitzen
Bei einer Spitze, die nur im Schildhaupt, im Schildfuß oder innerhalb einer rechten oder linken Flankebreite erscheint, bestimmt die Lage oder die Richtung die Bezeichnung der Spitze:
- Eine Spitze innerhalb der Schildhauptbreite wird als „Winkelhaupt“ oder „Winkelschildhaupt“ bezeichnet.
- Eine Spitze innerhalb der Schildfußbreite wird als „Winkelfuß“ oder „Winkelschildfuß“ bezeichnet.
- Eine Spitze innerhalb einer Flankenbreite oder bis zu Schildmitte wird als rechte/linke „Winkelflanke“ bezeichnet.
Rechte Winkelflanke
(nach WBO 0603)Linke Winkelflanke
(nach WBO 0604)
Erniedrigte Spitze
- Bei einer „erniedrigten Spitze“ gehen die seitlichen Begrenzungslinien von den Unterecken des Schildes aus, reichen aber mit ihrem Gipfel nicht bis zum oberen Rand, sondern nur bis zur Schildmitte.
1889: In Rot eine (bis zur Schildmitte aufsteigende) erniedrigte silberne Spitze (nach Gritzner)
Erhöhte Spitze
- Bei einer „erhöhten Spitze“ gehen die seitlichen Begrenzungslinien nicht von den Unterecken des Wappenschildes aus, sondern von der Mitte der Schildesseiten.
„Erhöhte Spitzen' (..) sind Ausnahmen von der Regel; die erhöhte (Tafel IX. Figur 9.) berührt mit dem Gipfel die Mitte des Oberrandes, während die seitlichen Begrenzungslinien nicht von den Unterecken, sondern von der Mitte der Schildseiten ausgehen; sie kommt auch „eingebogen“ vor.“
Flache Spitze
- Eine „flache Spitze“ erscheint im Wappenschild mit flachem Winkel. Ihr Gipfel berührt die gedachte Linie des Schildhaupts; die zwei seitlichen Begrenzungslinien gehen in diesem Fall bei der gedachten Linie des Schildfußes in die Schildränder.
1889: In Silber eine flache schwarze Spitze (nach Gritzner)
Gegenspitze
- Gegenspitzen erscheinen, wenn man gleiche Formen von entgegengerichteten Spitzen oder Varianten der Spitze in unterschiedlicher Tinktur in einem im Wappen kombiniert (zum Beispiel im Wappen von Außervillgraten, in dem eine aufsteigende und eine gestürzte Spitze an- und „gegeneinander“ gestellt sind). Gegenspitzen werden nicht immer als solche blasoniert, da man sie auch mit anderen, teilweise umständlicheren Ausdrücken der Heraldik beschreiben kann.
Keil
Keil ist eine schmale, spitzwinklige gestürzte (sic!) Spitze, wenn die Basis einer gestürzten Spitze 1/3 oder weniger der Grundline der Schildbreite beträgt. Im Gegensatz zur (gemeinen) Spitze zeigt der Keil nach unten, wenn nichts weiter gemeldet wird.
Galerie
Vergleich und Abgrenzung
In Silber ein linker roter Flankenspickel (rechts liegender, mit seinem Gipfel nach links bis zur rechten Flanke zeigender roter Spickel)
Rechte Winkelflanke
(nach Gritzner et al. auf Basis einer „gedachten“ Flankenbreite bzw. 1/3 der Schildbreite)Rechts liegende, mit ihrem Gipfel nach links bis zur Schildmitte zeigende Halbspitze
In Silber eine linke rote Flankenspitze (rechts liegende, mit ihrem Gipfel nach links bis zur linken Flanke zeigende Spitze)
- Eck oder Ecke sind lt. Gritzner und Oswald veraltete, „falsche“ Ausdrücke für die Spitze.
- Die Spitze darf nicht mit der Spitzenteilung, auch Spitzenschnitt genannt, verwechselt werden. Hierbei handelt es sich um eine Form des Wappenschnittes. Bekannt ist der Spitzenschnitt u. a. als Symbol für ganz Franken und als Teil des großen Bayerischen Staatswappens durch den sogenannten Fränkischen Rechen.
Siehe auch
Weblinks
Bernhard Peter: Dreiecksformen: Spitzen, Keile, Ständer etc. - Teil 1 Bernhard Peter: Dreiecksformen: Spitzen, Keile, Ständer etc. - Teil 2
Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Rot eine von zwei goldenen, sechsstrahligen Sternen begleitete goldene Spitze, darin drei göpelförmig gestellte und mit den Stielen verbundene rote Buchenblätter. Auf dem Rot-golden bewulsteten Helm mit Rot-goldenen Decken ein wachsender, rotbewehrter goldener Löwe mit Rot gehörntem Stierkopf, in der rechten Pranke eine goldengekielte rote Schreibfeder haltend.“
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 19.
- ↑ Wappenbeschreibung: „Silber-Blau geteilt mit Spitze wechselnder Färbung, oben beiderseits begleitet von je einer silbernbebutzten (grün gebarteten) roten Rosenblüte, unten belegt mit einer ebensolchen“
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 55.
- ↑ Wappenbeschreibung: „Gold-Blau geteilt mit gestürzter Spitze wechselnder Färbung, diese oben mit aus der Teilung wachsendem schwarzen Adler belegt“
- ↑ 6,0 6,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 54, 55
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 108. ISBN 978-3-411-02149-9
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