Taufbecken (Heraldik)
Im Gegensatz zur Umgangssprache und der Fachsprache der Heraldik, in der die Ausdrücke Taufbecken, Taufstein, Taufstock et cetera weitgehend synonym verwendet werden, unterscheidet die Fachsprache der Kunstgeschichte präzise: Ein Taufstein ist ein Taufbecken, das aus Stein gefertigt wurde, während ein Taufstock aus Holz besteht.
Das Taufbecken (auch Taufstein, Tauftisch, Taufstock, in Teilen Norddeutschlands Fünte [von lateinisch fons =„Quelle, Brunnen“] oder ähnlich genannt; französisch fonts babtismaux; englisch babtismal font) ist in der neueren Heraldik eine seltene gemeine Figur, die eher im Bereich der Kommunal-, weniger im Bereich der Familienheraldik gebräuchlich ist.
Geschichte
Wann ein Taufbecken zum ersten Mal in einem Wappen dargestellt wird, ist unbekannt beziehungsweise nicht ausreichend erforscht. In Wappen der Familie de Sémainville beziehungsweise Parrin de Sémainville ist eine Taufbeckenfigur beispielsweise für das 18. Jahrhundert nachweisbar (evtl. auch schon früher gebräuchlich). In der Früh- und Blütezeit der Heraldik erscheint das Motiv dagegen auf Wappenschilden eher nicht.
Darstellung
Die Figur Taufbecken ist -- vergleichsweise wenig heraldisch stilisiert -- dem Idealbild des gleichnamigen, mittelalterlichen Behältnis nachempfunden, das in christlichen Kirchen der Taufe dient und mit geweihtem Wasser gefüllt ist.[2]
In Wappenbeschreibungen (beziehungsweise in der entsprechenden heraldisch-stilisierten Darstellung) wird in einigen Fällen nicht hinreichend genau zwischen den vielen möglichen unterschiedlichen Ausprägungen (Form, Stil, Material, Art, Größe, Verzierung et cetera) eines Taufbeckens unterschieden. Beispielsweise führt die Gemeinde Schmilau nach dem offiziellen Blason einfach nur einen „goldenen Taufstein“ im Wappen.[3] In diesem Fall bleibt die genaue Ausprägung der Taufbeckenfigur der künstlerischen Freiheit des Wappenkünstlers überlassen, sollte aber im Rahmen der Gesamtharmonie des Wappenaufrisses und unter Beachtung der heraldischen Regeln erfolgen; in anderen Fällen erläutern ausführliche Beschreibungen, wie die Taufbekeckenfigur im Wappen zu gestalten ist. Beispielsweise heißt es in der detaillierten Wappenbeschreibung zum Wappen von Pfaffstätt:
„Zwischen zwei grünen, von silbernen Wellenstäben gesäumten Wellenflanken in Blau ein goldener Taufstein, bestehend aus Säulenbasis, Säule, siebeneckigem Becken und Deckel in Form eines oben mit einem lateinischen Kreuz besteckten, siebenseitigen Pyramidenstumpfes.“[4]
„Mit“ oder „ohne“ Perspektive Obwohl Wappenfiguren im Wappenschild grundsätzlich flächig (zweidimensional) gestaltet sein sollen, erscheinen Taufbeckenfiguren zur besseren Erkennbarkeit, so weit die Quellen zurückreichen, oft auch im geringen Maße räumlich (dreidimensional), zum Beispiel, um den Eindruck von Taufwasser in einem offenen Taufbecken zu vermitteln. Vorrangig ist, dass sich die stilisierte Darstellung eines Taufbeckens im Wappenaufriss der künstlerischen Gesamtharmonie unterordnet -- und nicht einer überholten Anschauung von Perspektive versus Perspektivlosigkeit im Wappenwesen folgt. |
Grundsätzlich empfiehlt es sich, alle Besonderheiten einer Taufbeckenfigur in der Wappenbeschreibung hinreichend genau zu bestimmen, damit Verwechslungen vermieden werden können. Beispielsweise macht es heraldisch einen Unterschied, ob ein Taufbecken offen oder mit Deckel dargestellt wird und ob der potentielle Deckel einer Taufsteinfigur gar nicht oder mit einem Patriarchenkreuz (Naarn), mit einem lateinischem Kreuz (Pfaffstätt) oder etwas anderem besteckt ist. Erscheinen Initalien, ein Christusmonogramm oder ähnliches auf der Taufbeckenfigur, sollte dies stets gemeldet werden. Wenn die Taufschale der Figur explizit mit Wasser aufgerissen werden soll, ist dies anzuzeigen, wobei das Wasser gewöhnlich in Blau dargestellt wird, wenn keine andere Tinktur gemeldet wird. Beispielsweise erscheint im Wappen von Tolk ein silbernes Taufbecken mit wassergefüllter goldener Taufschale.
Farbgebung
Alle heraldische Farben sind für die Figur Taufbecken gebräuchlich; heraldisches Metall (Silber oder Gold) und Rot sind bevorzugt. Erscheint die Tinktur eines Teils der Figur (zum Beispiel der Deckel oder die Taufbeckenstandplatte) anders als der Rest der Figur, sollte dies angezeigt werden (z. B.: goldenes Taufbecken mit silberner Standplatte).
Anzahl der Taufbeckenfigur
Das Taufbecken wird bevorzugt in Ein- oder Zweizahl als heraldische Figur in einem Wappen geführt, seltener in Drei- oder Mehrzahl.
Taufstein (Standplatte, Säulenbasis, Säule, gewölbte Schale, flach kegelförmiger Deckel), besteckt mit Patriarchenkreuz (Naarn)
Taufstein mit Säulenbasis, Säule, siebeneckigem Becken, Deckel, oben mit lateinischen Kreuz besteckt (Pfaffstätt)[4]
Roter Taufstein mit kielbogigem Deckel, besteckt mit goldenem Knauf und Kreuz (Taufkirchen an der Pram)
Silbernes Taufbecken (Tolker Kirche) mit wassergefüllter goldener Taufschale (Tolk)
Taufbecken mit Initalien (Johannes Kotzte; Vorbild von 1607; ehemaliges Wappen Groß Kienitz)
Nachbildungen eines realen Taufbeckens
Nachbildungen eines realen Taufbeckens im Wappen müssen in der Wappenbeschreibung nicht explizit erwähnt sein. Es reicht aus, die Nachbildung in der klassischen Kunstsprache der Heraldik genau so zu umschreiben, dass das Motiv in einem Wappen entsprechend stilisiert wiedergegeben werden kann. Allzu naturalistische Aufrisse gilt es zu vermeiden. Beispielsweise ist die Taufbeckenfigur im Wappen von Debstedt einem 1497 gegossenen Taufbecken in der Kirche der Gemeinde allzu naturalistisch nachempfunden (Entwurf Gustav Völker; Wappenbeschreibung: „In Blau auf zwei silbernen liegenden, abgewandten Löwen zwei zottige, goldene Männer, ein goldenes gotisches Taufbecken auf ihren Schultern tragend“)[7].
Naturalistisches, kaum heraldische stiliertes Taufbecken (Debstedt)
Taufbecken in der spanischen Wappenkultur
In der spanischen Wappenkultur erscheint ein Taufbecken eher als Nebenfigur einem Wappen, weniger als Hauptfigur.
(Épila)
Wappenbilderordnung
- Die Taufbeckenfigur wurde im Band 1 der Wappenbilderordnung 1990-1996 des Herold (Verein) nicht erfasst, erscheint aber als Schlagwort (ohne Code) im Band 2.[8]
Wappen auf Taufsteinen/-becken
Auf Taufsteinen-/becken sind Wappendarstellungen zahlenmäßig recht häufig erhalten. Für die Erforschung der älteren und neueren Heraldik „sind solche und ähnliche Wappenvorkommen von unschätzbarem Wert, da sie mitunter die einzige Möglichkeit bieten, ein Wappen rechtmäßig und jederzeit beweisbar einem Geschlecht oder einer Person zuordnen zu können“.[9]. Gleichwohl bleiben „Taufsteine/-becken mit Wappendarstellungen“ von der bisherigen Forschung weitgehend unbeachtet und Forschungsarbeiten, die sich eigens nur mit ihnen beschäftigen, sie systematisch erschließen und sie unter klaren methodischen Vorgaben analysieren, um sie schließlich vor dem Hintergrund der großen gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit einzuordnen, sind heute (2020) rar gesät. Allerdings stoßen Taufsteine/-becken im Allgemeinen -- und damit auch jene mit Wappendarstellungen -- in den letzten Jahren auf ein stärker werdendes Interesse. Einen vergleichsweise aktuellen Überblick über den Forschungsstand im Allgemeinen findet sich in der 2011 vorgelegten Dissertation „Spätgotische Taufsteine im deutschen Südwesten“ von Stefanie Meier-Kreiskott.[10]
Weblinks
Lemma Taufbecken. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
Einzelnachweise
- ↑ Eintrag zum Wappen von Obertaufkirchen in der Datenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte
- ↑ Vgl. zum Beispiel: Mittelalterliche Bronzefünten des niederdeutschen Kulturraums
- ↑ 3,0 3,1 Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein
Wappenbeschreibung: „Von Grün und Blau durch einen schräglinken silbernen Wellenbalken geteilt, oben ein goldener Taufstein, unten ein achtspeichiges, sechzehnschaufliges, goldenes Wasserrad.“ - ↑ 4,0 4,1 Land Oberösterreich, Geschichte und Geografie, Wappen. Abgerufen am 3. Juni 2022.
Wappenbeschreibung: „Zwischen zwei grünen, von silbernen Wellenstäben gesäumten Wellenflanken in Blau ein goldener Taufstein, bestehend aus Säulenbasis, Säule, siebeneckigem Becken und Deckel in Form eines oben mit einem lateinischen Kreuz besteckten, siebenseitigen Pyramidenstumpfes.“ - ↑ Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein
- ↑ Eintrag zum Wappen von Schalkham in der Datenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte
- ↑ Landkreis Wesermünde (Hrsg.): Wappen des Landkreises Wesermünde. Grassé Offset Verlag, Bremerhaven/Wesermünde 1973, ISBN 3-9800318-0-2.
- ↑ Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2, S. 326 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- ↑ Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 51 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
- ↑ Stefanie Meier-Kreiskott: Spätgotische Taufsteine im deutschen Südwesten. München, 2011. S. 13. ff. (Digitalisat; Abgerufen: 31. Januar 2020)