Winkelmaß (Heraldik)
Das Winkelmaß (mhd. winkelmâʒ; auch Winkelhaken, Winkel, Winkelmass und anderes mehr genannt; lateinisch norma; französisch équerre; englisch carpenter's square oder angle) ist in der Heraldik eine Wappenfigur, die gemeinhin dem gleichnamigen Werkzeug nachempfunden ist, welches bei der Holz, Stein- und Metallbearbeitung sowie im Bauhandwerk verwendet findet.
Geschichte
Wann zum ersten Mal und von wem ausdrücklich ein „Winkelmaß“ als Wappenfigur geführt wurde, ist unklar beziehungsweise nicht ausreichend erforscht. Ralf von Retberg verweist auf das Wappen der Edlen von Eppenberg, wo nach der Zürcher Wappenrolle von ca. 1340 auf dem Helm realiter zwei winkelmaßförmige Zierelemente zu sehen sind, doch scheint er sich nicht sicher zu sein, ob diese wirklich Winkelmaße vorstellen. Unzweideutige Führungen der Figur datiert er in das 15. Jahrhundert:
„Winkelmaß (..) kommt zwar schon in ber Züricher Wappenrolle (332) als Helmzier und mit Hahnfedern besteckt vor, übrigens aber wohl erst im 15. Jahrhundert (Winkler) (757).“
Darstellung
Das heraldische Winkelmaß ist, wenn nicht anders gemeldet, eine gemeine Figur. Bei der Beschreibung sollte die Richtung des Winkels des Motivs und die Stellung der Figur erwähnt werden.
„Winkelmass (Tafel XXVIII. Figur 108. 109.): besonders in vielen Wappen des Namens Winkel, Winkler, Winkelmann'. Zu melden ist hier, wohin der Winkel gekehrt ist, also Figur 108.: „goldenes Winkelmass, den Winkel rechts und abwärts kehrend in Schwarz.““
Gestürztes Winkelmaß (den Winkel rechts und aufwärts kehrend; Herbetswil)
Silbernen Winkelmaß, der Winkel links und abwärts kehrend (Mahlwinkel)
Hinten in Rot ein goldenes Winkelmaß (Ollmuth)
Hinten schräg gekreuzt eine Ähre und ein Winkelmaß (Bittkau)
Varianten
Winkelmaßähnliche Heroldsbilder
Winkelmaßähnliche Wappenfiguren können nach Curt Oswalt Edler von Querfurt auch aus Heroldsbildern konstruiert werden (beispielsweise durch die rechtwinklige Vereinigung von verkürztem Balken mit einer verkürzten Flanke in der gleichen Tinktur[3]). Wörtlich schreibt er:
„Winkelhaken oder Winkelmass ist die rechtwinklige Vereinigung von abgekürztem Balken und abgekürzter Seite oder auch von abgekürztem Schildeshaupt, beziehentlich Schildfuss und Pfal zu einer Figur und Tictur und hieraus kann auch eine winkelmassweise Seite construiert werden.“
Die Formulierung übernahm Gert Oswald Ende des 20. Jahrhunderts, vermutlich ohne tiefergehende Überprüfung[4] und ohne zu bemerken, daß sich der Ausdruck „Winkelmaß“ nicht zur Beschreibung derartiger Heroldsbilder eignet. Vielmehr sind diese als solche ausführlich zu blasonieren, weil sie sich vom gemeinen Winkelmaß unterscheiden und selten oder gar nicht gebräuchlich sind. Querfurth erläutert in der Folge der mißverständlichen Beschreibung den (rechten/linken) „Winkelmaßschnitt“ im Wappen derer von Tale. Dieser gehört in der neueren Heraldik zu den Kategorie:Sonderformen der Begrenzungslinien und ist von der gemeinen Figur Winkelmaß zu unterscheiden (vgl. Wappenbilderordnung Nr. -103 und -104).
Brustlatz
Ein besonderer „Ständer“ (Platz eines geständerten Schildes, der von der Ständerung abgesondert wird, dessen Quere aber nicht nur bis zur Schildmitte reicht, sondern von einem Schildrand zum anderen) in Form eines einfachen rechtwinkliges Dreiecks wird im Jahre 1858 in Pierer's Universal-Lexikon mißverständlich „Winkelmaß“ genannt[5]. Ältere Heraldiker nannten als Referenzwappen für diese seltene Figur das Wappen derer von Eyserstetten und gaben ihr unterschiedliche Namen, darunter:
- Kegel: „Die Eyserstetten in Bayern / einen aus dem obern rechten Winckel absteigenden / und biß an des Schildes Rand reichenden silbernen Kegel im rothen Schild.“ (Rudolphi, 1698)[6]
- Brustlatz: (Jugenders und andere; eigentlich: „die Brust bedeckendes Oberteil einer Schürze“ bzw. „ein kleiner, nach der Brust, meisten Theils dreyeckig geschnittener Latz oder Fleckchen des andern Geschlechtes zur Bedeckung der Brust, welcher zuweilen mit Bändern u.s.f. gezieret wird.“)[7][8].
- Spitze: „.. die Eisersetten (..) roth, eine obere linke nach der linken Fußgränze gehende silberne Spitze ..“ (Bernd, 1849)[9]
- Ständer: „Rot ein silberner Ständer: Eisenstetten, Bayern.“ (Hefner, 1863)[10]
- Schoss: (Die Figur im Wappen von Tafel 9. Figur 47.) „würde eine Ausnahme bilden, da hier die von der Mitte der rechten Schildesseite ausgehende Begrenzungslinie des Schosses nicht schrägabwärts, sondern wagrecht zur anderen Seite geht. Man würde ihn hier als »einen zur Mitte der linken Seite reichenden Schoss« ansprechen müssen.“ (Gritzner, 1889/1890)[11]
Im 20. Jahrhundert verwendet Walter Leonhard ebenfalls die alte Bezeichnung „Brustlatz“ für diese Variante des Ständers[12]. Aus heutiger Sicht scheinen weder „Brustlatz“ noch „Winkelmaß“ eine angemessene Bezeichnung für die Figur zu sein, da beide Ausdrücke fehlgedeutet werden können. Da ein wohldefinierter heraldischer Ausdruck für die Figur noch aussteht, empfiehlt es sich, diese gegebenfalls mit mehreren Worten in angemessener Genauigkeit im Blason zu umschreiben.
Winkelmaßkreuz
In der Heraldik finden sich diverse Formen eines Winkelmaßkreuzes. Diese sind vom gemeinen Winkelmaß zu unterscheiden.
Mit Winkeln bewinkelt (=Winkelmaßkreuz, gemäß WBO, Code 0326)
Halbes Antoniuskreuz
Ein Winkelmaß ist von einem halben (rechten/linken) Antoniuskreuz beziehungsweise von einem Antoniuskreuz mit einem fehlenden Kreuzarm zu unterscheiden. Trotz der augenscheinlichen Ähnlichkeit sollte die Figur Winkelmaß nie als (Winkelmaßantonius-)Kreuz beschrieben werden.
Dreieckiges Winkelmaß
Im Wappen der Lithografen und Steindrucker erscheint eine dreieckige Winkelmaßfigur, die man auch als „durchbrochenes Dreieck“ anzeigt.
1891: Winkelmaß bzw. durchbrochenes Dreieck (unten im heraldisch rechten Schild des Wappens der Lithografen und Steindrucker)
Winkelmaß versus Mauerhaken
Nach der heraldischen Terminologie ist der Gebrauch des Begriffs Winkelmaß für das Wappenbild Mauerhaken nicht angemessen.
Symbolik
Außerhalb der Heraldik ist das Winkelmaß ist ein Attribut des Apostels Thomas.[13]
Wappenbilderordnung
- Das Winkelmaß wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Handwerksgeräte unter der Nr. 9377 aufgenommen.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 55.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
- ↑ 3,0 3,1 Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 173/174.
- ↑ Vgl. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 447. ISBN 978-3-411-02149-9
- ↑ Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 513-514.
- ↑ Johann Anton Kroll von Freyhen (alias Rudolphi): Heraldica Curiosa: Welche Der Wappen Ursprung, Wachsthum, Fortgang, und wie selbiger noch heutiges Tages bey denen Teutschen im Gebrauch, ausführlichen zeiget, Samt deren umständliche Beschreibung ... Nürnberg, 1698. S. 140. Tafel 5. Google (Wappen Eyserstetten; nach Altem Siebmacher Teil II. Bayerische, Tafel 61. Google u. a.).
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 22/23.
- ↑ Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 1. Leipzig 1793, S. 1230. (Digitalisat)
- ↑ Christian Samuel Theodor Bernd: Die Hauptstücke der Wappenwissenschaft. Band 2. Bonn, 1849. S. 166. (Google). Tafel 9, Figur 44.
- ↑ Otto Titan von Hefner: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. München, 1863. S. 64. ({{GBS|hqGlkAAAAcAAJ|PA64#v)
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 57. Tafel 9. Figur 47. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Leonhard, Walter: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung, Bechtermünz-Verlag 2003. ISBN 3-8289-0768-7. S. 162. Figur 16.
- ↑ Friedrich Schrötter (Hrsg.): Wörterbuch der Münzkunde. 2., unveränderte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 1970, ISBN 3-11-001227-8, S. 691.