Aegidius Tschudi
Aegidius Tschudi (* 5. Februar 1505 in Glarus; † 28. Februar 1572 auf seiner Burg Gräpplang bei Flums
) war Herausgeber eines Wappenbuchs sowie Politiker und der erste schweizerische Historiker. Eine Büste des auch Gilg Tschudi genannten Geschichtsschreibers ist in der von König Ludwig I. von Bayern
errichteten Walhalla
aufgestellt.
Leben
Tschudi entstammte einer lange schon ansässigen Landammannsfamilie und wuchs in den bewegten Zeiten der Reformation
auf. Der Onkel des Abtes Dominikus Tschudi
besuchte die in Glarus von Ulrich Zwingli
etablierte Lateinschule. In Basel (1516) war Glarean
sein Präzeptor
.
Tschudi verstand es, seine späteren jeweiligen Ämter mit der Einblicknahme in alte Urkunden und Dokumente vor Ort zu verbinden und Erkenntnisse zur Gelehrtenarbeit zu nutzen. Er setzte sich als Anwalt für die katholische Seite ein.
Grundbesitz, Solddienste für die Franzosen und Pensionen gestatteten ihm einen Lebenswandel ohne materielle Sorgen. Seine letzten sieben Lebensjahre verbrachte der auch als Herodot der Schweiz bezeichnete Tschudi im heimatlichen Glarus: Dort brachte er die Gallia comata und das Chronicon Helveticum
zu Papier.
Politisches Wirken
Die Landsgemeinde übertrug Tschudi die Landvogtei in Sargans
(1530 bis 1532) und nach einem Intermezzo als von der Abtei St. Gallen
bestellter Obervogt in Rorschach
die gemeine Herrschaft Baden
(1533 bis 1535 und 1549 bis 1551) im Landvogteischloss Baden
. Zwischen den beiden Badener Amtszeiten betätigte er sich wissenschaftlich. Er sammelte
Münzen und schrieb römische Inschriften ab, wo immer er welche vorfand. Ab 1527 richtete er sich eine Privatbibliothek ein und begab sich, unterstützt von seinem Mitarbeiter Franciscus Cervinus
, wiederholt auf Archiv- und Bibliotheksreisen durch die Eidgenossenschaft, zuletzt 1569 nochmals in die Innerschweiz. Auch seine Amtstätigkeiten nutzte er für die systematische Suche nach historischem Quellenmaterial (Urkunden, Chroniken, Nekrologe, Urbare, Inschriften, Münzen). Den wissenschaftlichen Austausch im Briefverkehr pflegte er zeitweise mit Niklaus Briefer
und Beatus Rhenanus
am Oberrhein, später mit Zacharias Bletz
in Luzern und Johannes Stumpf, Heinrich Bullinger
und Josias Simler
in Zürich. Dabei blendete er den konfessionellen Gegensatz ausdrücklich aus.[1]
In der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelte sich der bisher in Glaubensfragen verständige Wissenschaftler zu einem fanatischen Gegenreformator. Als Schiedsmann im Locarner Handel entschied er zu Gunsten der Katholiken. Seine hartnäckigen Bemühungen, altgläubige Innerschweizer zur militärischen Besetzung des mehrheitlich reformierten Glarnerlandes zu motivieren, veranlassten seine Landsleute, den Glaubensstreit um Glarus «Tschudikrieg» (1560–1564) zu nennen. Ab 1558 war Tschudi als Landammann Führer der katholischen Glarner, wurde aber 1560 von dem gemässigteren Katholiken Gabriel Hässi
abgelöst.
Die nächste Station Tschudis wurde Rapperswil, von wo aus er den Abschluss des Konzils von Trient
verfolgte.
Werke
Als sein Hauptwerk gilt die zwischen 1534 und 1536 entstandene Schweizer Chronik «Chronicon Helveticum», welche die Landesgeschichte von 1001 bis zum Jahre 1470 behandelt. Sie existiert in einer zuerst vorhandenen Urschrift zur Geschichtsperiode von 1200 bis 1470 und der späteren Reinschrift zurzeit nach dem Jahr 1000. Bei Tschudis Tod war bei dieser Schlussfassung das Jahr 1370 erreicht. Aus dem «Chronicon Helveticum» (zwei Bände, erst 1734–1736 von Johann Rudolf Iselin in Basel herausgegeben) gewann die Sage von Wilhelm Tell
weitere Verbreitung, die Tschudi neben anderen Texten aus dem Weissen Buch von Sarnen
übernommen hatte. Friedrich von Schiller
bediente sich später unter anderem dieser Quellensammlung für sein gleichnamiges Drama. Tschudis Geschichtswerk ist vergleichbar mit der «Bairischen Chronik» des Johannes Aventinus
.
Eine ähnliche Bedeutung hat sein Werk «Gallia comata» eine Beschreibung der helvetischen Frühgeschichte bis zum Jahr 1000. Tschudi vollendete es in seinem Todesjahr 1572, herausgegeben wurde es 1758 durch Johann Jacob Gallati.
Die Urallt warhafftig Alpisch Rhetia (1538), das einzige zu seinen Lebzeiten veröffentlichte Buch, enthält die erste genaue Schweizer Karte und einen deutschen Text. Damit erhielt die Kartografie in seinem Lande Anstösse und Impulse. Theologisch äußerte sich der Historiker in seiner grossen Schrift Vom Fegfür (Vom Fegefeuer).
- Chronicon Helveticum, Teil 2: Anno MCCCCXV – a. MCCCCLXX, Basel 1736 (Volltext)
- Chronicon Helveticum. Historisch-kritische Ausgabe in 22 Teilbänden. Basel 2001. ISBN 3-85513-126-0
- Gallia comata. Faksimiledruck nach dem Original von 1758. Lindau. 1977. Antiqua-Verlag
.
Heraldik
Das Wappenbuch schweizerischer und ausländischer Geschlechter von Aegidius Tschudi stammt aus dem 16. Jhr. (etwa aus der Zeit zwischen 1530 und 1572). Es enthält mehr als 2000/2500 Wappen vornehmer Geschlechter aus der Alten Eidgenossenschaft. Viele Wappenzeichnungen enthalten genealogische Beischriften aus der Hand Tschudis. Das Wappenbuch ist in mindestens zwei Handschriften/Kopien erhalten:
- [S.l.], [16--]. Zentralbibliothek Zürich, Ms A 53 (Digitalisat; doi:10.7891/e-manuscripta-39816)
- 1530-1572: St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 1085. (Digitalisat; doi:10.5076/e-codices-csg-1085)
Literatur
- Constantin von Wurzbach: Tschudi, Aegydius. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 48. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1883, S. 64 (Digitalisat).
- Wilhelm Oechsli
: Tschudi, Aegidius. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 38, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 728–744.
- Peter Ochsenbein, Karl Schmuki: Bibliophiles Sammeln und historisches Forschen: der Schweizer Polyhistor Aegidius Tschudi (1505–1572) und sein Nachlass in der Stiftsbibliothek St. Gallen: Führer durch die Ausstellung in der Stiftsbibliothek St. Gallen (1. Dezember 1990 bis 2. November 1991). Verlag am Klosterhof, St. Gallen 1991. ISBN 3-906616-26-6
- Katharina Koller-Weiss et al. (Hrsg.): Aegidius Tschudi und seine Zeit. Krebs, Basel 2002, ISBN 3-85513-127-9
- Katharina Koller-Weiss: Aegidius Tschudis grosse Manuskriptkarte des schweizerischen Raums und der angrenzenden Gebiete, um 1565. In: Cartographica Helvetica Heft 32 (2005) S. 3–16. Volltext auf e-periodica.ch
- Christian Sieber: Tschudi, Aegidius. In: Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620. Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon
[VL 16]. Bd. 6. De Gruyter, Berlin 2017, Sp. 326–334.
Weblinks

- Christian Sieber: Aegidius Tschudi. In: Historisches Lexikon der Schweiz
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Einzelnachweise
- ↑ Christian Sieber: Aegidius Tschudi. In: Historisches Lexikon der Schweiz
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Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Aegidius_Tschudi“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 02. Februar 2021 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.
Personendaten | |
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NAME | Tschudi, Aegidius |
ALTERNATIVNAMEN | Tschudi, Gilg; Tschudi, G.; Tschudi, Egidius |
KURZBESCHREIBUNG | schweizerischer Historiker und Politiker |
GEBURTSDATUM | 5. Februar 1505 |
GEBURTSORT | Glarus |
STERBEDATUM | 28. Februar 1572 |
STERBEORT | Glarus |