Erbmänner

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Die Erbmänner waren der Stadtadel, das Patriziat in Stadt und Hochstift Münster. Nach dem Historiker Wilfried Ehbrecht wurde der Begriff nicht, wie es den Anschein hat, durch das Wort "erben" abgeleitet, sondern durch "ehrbar".

Hintergrund

Die Schicht der Erbmänner hatte sich schon früh gebildet und über Jahrhunderte als "Bürger erster Klasse" bei der Stadtverteidigung und als Ratsmitglieder verdient gemacht. Die nichterbmännischen Familien des Landadels hielten die Erbmännerfamilien nicht für stiftsfähig. Die Stiftsfähigkeit, d. h. das Recht in Domkapitel und Landtag Mitglied sein zu können, wurden den Erbmännern im Laufe des Erbmännerstreites wiederholt u. a. durch das Reichskammergericht bestätigt. Die ursprünglichen Standesverhältnisse der Erbmännerfamilien lassen sich nicht in jedem Falle bestimmen. Für nicht wenige der bekannteren Erbmännerfamilien ist die ministeriale und damit uradelige Herkunft jedoch gesichert, so für die Kerckerinck, Droste zu Hülshoff, Bock, Rodeleven u.a.

Im Mittelalter hatten die Erbmänner ungehinderten Zugang zum Domkapitel, z. B. Mitglieder der Familien Kerckerinck und Droste zu Hülshoff - letztere hatten erblich das Amt des Drosts des Domkapitels inne. Die später im Domkapitel vertretenen nichterbmännischen Familien hatten ein verständliches Interesse daran, den Kreis der Zugangsberechtigten möglichst klein zu halten. So stieg die Chance, die eigenen nachgeborenen Söhne standesgemäß versorgen zu können. Es wurde auch Mitgliedern auswärtiger Adelsfamilien der Zugang zum Domkapitel verwehrt mit dem Argument, man könne ihre Stiftsfähigkeit nicht überprüfen. So musste selbst der Sohn eines Fürsten Lobkowitz auf die Mitgliedschaft im münsterischen Domkapitel verzichten.

Der Erbmännerstreit

Hintergrund des nach ihnen benannten langwierigen Rechtsstreits war die traditionelle Besetzung der Stifts-Kapitel in Westfalen (und im Alten Reich) nur durch nichterbmännische Adlige und "Ritterbürtige", jeweils mit Billigung von Kaiser und Papst. Die münsterschen Erbmänner als einflussreiche Stadtbürger gedachten aber Mitte des 16. Jahrhunderts, kraft Bildung und Besitz an den Privilegien der (welt-)kirchlichen Stifte teilzunehmen. Das St.-Paulus-Stift des münsterschen Domkapitels war eines der reichsten: Es stellte die "größte Vermögensmasse" im Hochstift Münster dar.

Der Münsteraner Erbmann Dr. jur. Johann Schenckinck erreichte 1557, zu dieser Zeit waren sämtliche noch existierenden Erbmännerfamilien längst in den Landadel übergetreten, tatsächlich eine päpstliche "Präsentation" auf ein solches münstersches Domkanonikat, stieß jedoch auf den Protest des konventionell zusammengesetzten Domkapitels. Dieses und die in ihm vertretenen Stände klagten 1597 beim Reichskammergericht in Speyer gegen diese "unanständige" Besetzung, verloren aber - nach vielem Hin und Her - schließlich durch kaiserlichen Rechtsspruch gegen die Erbmänner. Der Prozess dauerte - mit Revisionen und Gegenklagen - rund zwei Jahrhunderte.

Die Erbmännerfamilien Kerckerinck waren von Anfang an Mitführer der Prozessgemeinschaft. Bertold Kerckerinck (zu Giesking) und Johann Kerckerinck (zur Borg) vertraten 1597 mit elf anderen Familien (darunter Schenckinck sowie Droste zu Hülshoff) den Prozess erfolgreich gegen Ritterschaft und Stift, nachdem die römische Rota 1573 zwar erneut zu ihren Gunsten entschieden hatte, die Gegenseite aber nicht nachgeben wollte und Revision verlangte. 1607 mussten die Erbmänner ihrerseits erneut klagen und auch der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) brachte den Streit nicht zum Erliegen. 1681 ging es wieder zur Sache und am 30. Oktober 1685 entschied das Reichskammergericht zu Speyer nach 88 Jahren allein vor dieser Instanz erneut zugunsten der Erbmänner. Der daraufhin ebenfalls eingelegte Widerspruch des "Kurfürstlichen Kollegiums" wurde schließlich 1707/1708 auf dem Reichstag zu Regensburg behandelt, allerdings ohne Ergebnis, so dass Kaiser Joseph I. als höchstrichterliche Instanz am 19. Dezember 1709 in Wien die Sache vorgelegt bekam und am 10. Januar 1710 - unter Mitwirkung von Prinz Eugen - endgültig zu Gunsten der Erbmänner entschied. Der Kaiser wies den neuen König in Preußen unter Androhung der Reichsacht an, für die Vollstreckung des Urteils zu sorgen. Erst als zwei preußische Regimenter Richtung Münster marschierten, war die Ritterschaft bereit, die Anerkennung der Erbmänner als stiftsfähig und ritterbürtig zu akzeptieren.

Der Prozess, der in der historischen Rechtsliteratur sowohl hinsichtlich seines Inhalts als auch seiner zeitlichen Länge als "einmalig" bezeichnet wird, ist voll von interessanten Details aus den damaligen Zeitläuften (Dreißigjähriger und Spanischer Erbfolgekrieg, Papst- und Kaiserwechsel usw.). Er gibt Einblick in die damaligen Rechtswege und das Bemühen des "Alten Reichs" um loyale Gerichtsurteile, zeigt aber auch die Probleme bei deren tatsächlicher Durchsetzung auf, gespiegelt an der Entwicklung der "Bürgerlichen Gesellschaft" und dem Widerstand der "Alten Stände", welche die aufziehenden Gefahren aus dem Bürgertum durchaus erkannten. Das zuständige Reichskammergericht in Speyer ging im Mai 1689 infolge der französischen Einfälle in Flammen auf, arbeitete dann aber ab Mai 1693 in Wetzlar weiter. Die Prozessakten überstanden den Umzug, nicht aber das "Münstersche Bürgerbuch", das auch heute noch von Interesse wäre.

Die Delegationen der Erbmänner (vor allem Kerckerinck und von der Tinnen), die von den Erbmänner-Familien "gesponsert" wurden, reisten im Verlauf des Prozesses des Öfteren nach Rom zum Papst, zum Reichstag nach Regensburg oder direkt zum Kaiser nach Wien, aber auch an die Höfe nach Mainz, Berlin und Düsseldorf. Beide Seiten waren mit viel Einflüsterungen und Intrigen am Werk; neben Bargeld sollen "westphälische Schincken" dabei auch eine gewisse Rolle gespielt haben. In der Endphase des bizarren Schauspiels war Johann Ludwig Kerckerinck zu Stapel (1672-1750) "der eifrigste Verfechter der Sache" und hinterließ auch ein "Protokollbuch" über die Zeit von 1685 bis 1709, das im Archiv Haus Stapel (bei Havixbeck nahe Münster) heute noch vorhanden ist. Er selbst konnte seinen "Sieg" mit dem Einzug auch seines Enkels Johann Franz Kerckerinck ins Domkapitel im Jahre 1760 allerdings nicht mehr erleben.

Von den zwischenzeitlich etwa dreißig Erbmännerfamilien (dreizehn waren es zu Streitbeginn) konnten nur die Kerckerincks und die Droste zu Hülshoffs noch am Erfolg teilhaben und mit jeweils vier Mitgliedern - bis zum Ende des Hochstifts Münster im Jahr 1806 - ins Domkapitel einziehen. Die meisten Familien waren in der Zwischenzeit ausgestorben.

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss (1803) und dem Ende des Alten Reichs (1806) wurden die Erbmänner-Privilegien dann ohnehin obsolet. Sie wirkten noch nach über das Testament des Erbmanns Rudolf von der Tinnen (1612-1702), dessen immer noch in Münster bestehende Stiftung vorzugsweise Geistliche und "verschämt arme" Mitglieder aus diesen Familien fördern sollte.

Im deutschen Adel existieren noch die Freiherren Droste zu Hülshoff, die Freiherren von Kerckerinck zur Borg sowie die von Bischopinck. Die Jonkherren van der Wyck gehören dem niederländischen Adel an. Ferner gibt es bürgerliche Nachfahren der Clevorn, der Schenckinck (Schencking) und der Kerckerinck (Kerkerinck, Kerkering, Sprickmann Kerkerinck).

Literatur

Rudolfine Freiin von Oer: "Der münsterische Erbmännerstreit". Köln: Böhlau 1998 ISBN 3-412-03197-6