Gemeinfreiheit
Die Gemeinfreiheit bezeichnet alle Werke, die keinem Urheberrecht mehr unterliegen oder ihm nie unterlegen haben. Das im angloamerikanischen Raum anzutreffende Public Domain ist ähnlich, aber nicht identisch mit der europäischen Gemeinfreiheit.
Überblick
In allen Rechtsstaaten – insbesondere in der sogenannten Westlichen Welt – ist für alle schöpferischen Werke das jeweilige Urheberrecht zu beachten. Dazu gehören insbesondere literarische, künstlerische, aber auch wissenschaftliche Arbeiten und seit einiger Zeit auch Software. Entsprechende Rechtsvorschriften nennen eine Ablauffrist für den zugestandenen Schutz (Schutzdauer).
Nach deutschem und österreichischem Recht ist ein Totalverzicht auf das Urheberrecht – etwa zugunsten der Allgemeinheit – nicht möglich (dies wird aus § 29 UrhG-D bzw. § 19 UrhG-Ö abgeleitet). Daher gibt es dort auch keine Gemeinfreiheit durch Rechteverzicht wie in den USA, wo auf alle Rechte verzichtet werden kann und das Public-Domain-Werk den gleichen Status wie ein nicht mehr geschütztes Werk besitzt. Es ist allerdings möglich, das Werk unter einem solchen Nutzungsrecht zur Verfügung zu stellen, dass es von jedermann frei veränderbar ist.
Nach deutschem Recht wird der Begriff Gemeinfreiheit auch und besonders für amtliche Werke gebraucht, die von vornherein keinen oder nur eingeschränkten Urheberrechtsschutz genießen (§ 5 UrhG).
Gemeinfreiheit bezieht sich immer auf die jeweilige nationale Rechtsordnung, und zwar sowohl der des Urhebers als auch der des Nutzers. So sind etwa Fotos von US-Regierungsbehörden, die in den USA keinem Copyright unterliegen, in Deutschland sehr wohl urheberrechtlich geschützt. Praktisch ist die Verwendung jedoch in den meisten Fällen erlaubt.
Schutzfrist
Deutschland
Der Urheberrechtsschutz endet 70 Jahre (§ 64 UrhG) nach dem Tod des Urhebers (nicht etwa nach Erscheinen), abgekürzt p.m.a. (post mortem auctoris). Eine Ausnahme bilden anonyme und pseudonyme Werke, für die das Todesjahr des Autors nicht bekannt ist. Bei ihnen ist das Erscheinungsdatum, bei Nichtveröffentlichung das Entstehungsdatum maßgeblich.
Für Leistungsschutzrechte gelten kürzere Schutzfristen. Bei Musikstücken oder Audioaufnahmen endet die Frist für die Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler (beispielsweise der Sänger oder Instrumentalisten) meist schon 50 Jahre nach dem ersten Erscheinen des Tonträgers. Dies darf aber nicht mit dem Schutzrecht des Urhebers (beispielsweise des Komponisten oder Textdichters) verwechselt werden, für das die 70-Jahres-Frist nach dessen Tod gilt.
Die nationalen Gesetzgeber sind grundsätzlich frei in der Entscheidung, ob sie erloschene Urheberrechte wiederaufleben lassen. Mit der EG-Schutzdauerrichtlinie von 1993 (in Deutschland 1995 umgesetzt) wurde die Schutzdauer des Urheberrechts für die EU auf 70 Jahre p. m. a. einheitlich festgesetzt und zugleich bestimmt, dass der längste Schutz in einem der Vertragsländer maßgeblich sein sollte. Dies führte in Deutschland zum Wiederaufleben (§ 137f UrhG) des Schutzes gemeinfrei gewordener Werke (vor allem bei Fotografien).
Bei Lichtbildwerken gemäß § 2 UrhG, die gegenüber den Lichtbildern nach § 72 UrhG eine geistige Schöpfung darstellen, endet der Schutz 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen. Heute ist davon auszugehen, dass die meisten Fotografien von den Gerichten als Lichtbildwerke gesehen werden. Umstritten ist die sogenannte Reproduktionsfotografie, bei der auf jeden Fall lediglich ein einfaches Lichtbild entsteht.
Seit dem Wiederaufleben bereits abgelaufener Schutzfristen mit der Urheberrechtsänderung von 1995 sind ältere Darlegungen hinfällig, die, anknüpfend an den Aufnahmezeitpunkt, viele Lichtbildwerke für gemeinfrei erklärten, deren Urheber noch keine 70 Jahre tot ist.
Schweiz
In der Schweiz erlischt gemäß Urheberrechtsgesetz (URG) Art. 29 der urheberrechtliche Schutz
- 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers für Computerprogramme;
- 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers für alle anderen Werke.
Muss angenommen werden, der Urheber sei seit mehr als 50 beziehungsweise 70 Jahren tot, so besteht kein Schutz mehr.[1]
Haben mehrere Personen an der Schaffung eines Werks mitgewirkt, so erlischt der Schutz gemäß dem Tod der zuletzt verstorbenen Person.
Ist der Urheber eines Werks unbekannt, so erlischt dessen Schutz 70 Jahre nach der Veröffentlichung. Wird aber vor Ablauf dieser Schutzfrist allgemein bekannt, welche Person das Werk geschaffen hat, so erlischt der Schutz gemäß dem Tod des Urhebers. Damit wird ein „Wiederaufleben“ des Schutzes verhindert.
Mexiko
Seit 2003 gilt in Mexiko eine Schutzfrist von 100 Jahren nach dem Tod des Autors.
Internationales Urheberrecht
Inwieweit sich solche unterschiedlichen nationalen Regelungen auf Internetpublikationen auswirken, ist im Internationalen Urheberrecht juristisch nicht vollständig geklärt.
Siehe dazu ausführlich: Bildrechte
Rechteinhaber
Im deutschen Urheberrecht ist es nicht möglich, das Band zwischen dem Urheber und seinem Werk zu durchschneiden. Urheber bleibt auch ein Angestellter, der sein Werk im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschaffen hat, die Verwertungsrechte liegen jedoch meist bei dem Arbeitgeber. So bemisst sich beispielsweise die urheberrechtliche Schutzfrist einer topographischen Landeskarte nach dem Todesdatum (plus 70 Jahre) des längstlebenden angestellten Kartographen, der einen schöpferischen Beitrag geleistet hat, aber seine Rechte werden vom Arbeitgeber, dem Vermessungsamt, wahrgenommen. Es ist nicht völlig geklärt, was aus § 31 Abs. 4 UrhG (unbekannte Nutzungsarten) hinsichtlich der Online-Nutzung folgt. Möglicherweise hat der Urheber bei Digitalisierung zwar die Rechte, muss diese aber dem Arbeitgeber anbieten.
Public Domain
Neben der Bedeutung von Public Domain als Gemeinfreiheit wird dieser Begriff gelegentlich verwendet, um Werke zu bezeichnen, deren Urheber mindestens einer nichtkommerziellen Verbreitung zugestimmt hat. Dies bezieht sich vor allem auf die sogenannte Public-Domain-Software. Nach Ansicht einiger Autoren und des Landgerichts Stuttgart 1993 war bei ihr die kommerzielle Nutzung nicht notwendigerweise eingeschlossen. Dagegen stellte das Oberlandesgericht Stuttgart in einer späteren Entscheidung ebenfalls 1993 fest: „Aufgrund des Vertriebs der beiden Spiele durch die Klägerin als nach ihrem Vorbringen ausschließlicher Nutzungsberechtigter unter der Bezeichnung als PD durfte die Beklagte – wie auch jeder andere, sogar zwischengeschaltete Bezieher der Zeitschriften der Klägerin – darauf vertrauen, daß die Klägerin zumindest auf eine Geltendmachung eines Urheberrechts oder ausschließlichen Nutzungsrechts verzichtete, jedenfalls soweit es um die unveränderte Vervielfältigung und Nutzung der Programme ging.“[2]
In den USA ist Public Domain ein rechtlicher Begriff[3] und bedeutet nicht urheberrechtlich geschützt und/oder den vollständigen Rechtsverzicht des Rechteinhabers; jedermann hat das Recht zu jedem Zweck zu Kopieren (the "right to copy"[4]). Umgangssprachlich wird der Begriff oft falsch verwendet und bedeutet „frei“ oder „gratis verfügbar“. Früher waren Werke ohne Copyrightvermerk in den USA nicht geschützt, einige Gerichte sehen dies auch heute noch so. Public Domain entspricht auch der Veröffentlichung ohne (einschränkende) Bedingungen, jedoch ist davon auszugehen, dass ein Werk ohne Copyright-Hinweis und Nutzungsbedingungen trotzdem geschützt ist. Werden keine uneingeschränkten Nutzungsrechte eingeräumt, sollte der Begriff „Public Domain“ nicht verwendet werden. Ebenfalls ist zu beachten, dass die Bedeutung englischer Begriffe wie „Copyright“ und „Public Domain“ nicht ohne weiteres auf die deutschen Begriffe „Urheberrecht“ und „Gemeinfreiheit“ übertragen werden kann.
Copyleft
Das rechtliche Prinzip des Copylefts ist nicht vereinbar mit dem der Gemeinfreiheit, da Copyleft auf das Urheberrecht aufbaut, anstatt wie die Gemeinfreiheit darauf zu verzichten. Die Motivation hinter Copyleft-Lizenzen ist jedoch ähnlich der von gemeinfreien Inhalten, nämlich den Nutzern Freiheiten bezüglich der Weiterverwendung der Werke zu geben, also Kopien und modifizierte Versionen zu gestatten (siehe auch Freie Inhalte). Bei gemeinfreien Werken kann eine dritte Person urheberrechtlich geschütztes Material zu dem gemeinfreien Werk hinzufügen, so dass das Gesamtwerk urheberrechtlich geschützt ist und Einschränkungen der Kopien und Bearbeitungen enthalten kann. Die Freiheit der Benutzer, die Inhalte zu modifizieren, kann also durch Änderungen Dritter verlorengehen. Um dies zu verhindern, nutzt Copyleft die Befugnisse des Autors, das Copyright, um alle weiteren Autoren eines Werkes dazu zu zwingen, das Werk mit all seinen Änderungen wieder unter die ursprüngliche Lizenz zu stellen.
Copyleft hat also aus der Sicht der Verbraucher den Vorteil, dass auch langfristig die Freiheit sichergestellt ist, während die Gemeinfreiheit den Vorteil bietet, auch ohne komplizierte Lizenz-Bedingungen Kopien und modifizierte Versionen zu erlauben.
Zu beachten ist hierbei, dass Werke, die grundsätzlich für die Allgemeinheit unter der GNU Public License stehen, auch gleichzeitig, sozusagen als Option, unter einer anderen Lizenzvariante zur Verfügung stehen können. (Dies ist z.B. bei Qt der Fall.) Public Domain ist jedoch keine Lizenzvariante, sondern der generelle Verzicht auf eine Lizenzforderung.
Hin und wieder kommt es vor, dass Autoren sich nach längerer Existenz ihres Produkts eines anderen besinnen und ihre Software schließlich gemeinfrei zur Verfügung stellen. Grundsätzlich ist es jedoch so, dass auch die Personen, die etwas zu dem Programm beigesteuert haben, ihre Rechte geltend machen könnten; im Grunde müssten alle Kontributoren bei einer Lizenz- oder Rechteänderung gefragt werden. Wurden sie das nicht, können sie später Einwände äußern. Eine solche Freigabe kann mithin als schwebend unwirksam betrachtet werden.
Copyleft-Lizenzen sind zum Beispiel die GNU General Public License, die GNU Free Documentation License oder Creative-Commons-Lizenzen, die den Baustein Share Alike (Englisch, Weitergabe unter gleichen Bedingungen) enthalten.
Abgrenzung
Gemeinfreiheit muss streng von folgenden Lizenzformen unterschieden werden:
- Freie Software erlaubt den Benutzern neben einer Weitergabe des Programms auch, seinen Quelltext einzusehen und zu verändern. Oft enthält eine solche Lizenz eine Copyleft-Klausel, die sicherstellt, dass Benutzern abgeleiteter Werke die gleichen Freiheiten gewährt werden.
- Freeware ist Software, die vom Autor ohne Entgelt zur Verbreitung und Nutzung zur Verfügung gestellt wird; die freie Verfügbarmachung bedeutet aber nicht, dass der Autor auch den Quelltext der Software einsehbar macht oder Rechte an der Software aufgibt, insbesondere das Recht zur Kontrolle bzw. zum Ausschluss von Veränderungen. Diese Gruppe enthält als Varianten auch Cardware, bei der der Autor vom Benutzer die Zusendung einer Postkarte erwartet, und Donationware, bei der eine eventuelle Bezahlung dem Benutzer freigestellt bleibt.
- Shareware ist unter dem Urheberrecht kommerziell vertriebene Software, bei der die Vertriebsstrategie die Verbreitung als solche durch freies Kopieren einschließt. Der Urheber bzw. Rechteinhaber übt jedoch keinen Verzicht auf die volle Ausübung seiner Rechte an der Software aus. Nach heute üblicher Praxis wird neben der eigentlichen Software oft eine in ihrer Funktion oder Nutzbarkeit eingeschränkte oder ältere Version der Software etwa unter dem Begriff "Standard Edition" o.ä. herausgegeben, die unter den vom Rechteinhaber bestimmten Bedingungen entgeltfrei benutzt werden kann; die uneingeschränkte Version ("Pro(fessional)" oder "Vollversion" o.ä.) ist aber grundsätzlich nur gegen ein Entgelt legal nutzbar.
Siehe auch
- Allmende
- Bildrechte
- Gemeingut
- Gemeinschaftspatent
- Open Content
- Rechte an Geoinformationen
- Projekt Gutenberg
- Software-Patente
- Street Performer Protocol
- Wissensallmende
Einzelnachweise
- ↑ Urheberrechtsgesetz (Schweiz) Art. 29 f.
- ↑ Freeware, Shareware und Public Domain Nachweis und weitere Belege
- ↑ vgl. James Boyle: The Public Domain: Enclosing the Commons of the Mind. Hrsg.: Yale University Press. ISBN 978-0-300-13740-8 (thepublicdomain.org [PDF; abgerufen am 18. Februar 2010]).
The Public Domain. In: James Doyle (Hrsg.): Law and Contemporary Problems. Band 66, Nr. 1&2, 2003 (duke.edu [abgerufen am 2. Februar 2010]). - ↑ Joren De Wachter: The Return of the Public Domain. (ipfrontline.com [abgerufen am 1. Februar 2010]).
Weblinks
- DFG-Graduiertenkolleg "Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit" an der Universität Bayreuth
- Gemeinfreiheit bei Musiknoten
- Gemeinfreie historische MP3-Dateien
- Gemeinfreie Literatur
- Die Gemeinfreiheit von amtlichen Datenbanken (PDF-Datei; 235 kB)
- Die Gemeinfreiheit von DIN-Normen seit dem Inkrafttreten des § 5 Abs. 3 UrhG (PDF-Dokument; 193 kB)
- Die Gemeinfreiheit von DIN-Normen, dargestellt am Beispiel der DIN V 4108-6 (PDF-Dokument; 138 kB)
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Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Gemeinfreiheit“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 23. April 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.