Mannheit (Heraldik)

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Widder mit goldener Mannheit (Schaffhausen)

Als Mannheit oder Gemächt (auch Gemacht, Gemaht, Gmacht, kurz Macht oder ähnlich; althochdeutsch gimaht; mittel­hoch­deutsch maht) wird in der Heraldik das männliche Geschlechtsorgan bezeichnet. Neben anderen Stilmitteln dokumentiert die Mannheit bei zweigeschlechtlichen gemeinen Figuren (Wappentieren, Fabelwesen), welches Geschlecht das in einem Wappen dargestellte Motiv besitzt.

Darstellung

Die Mannheit ist in der Heraldik in seiner Darstellung an die Anatomie der äußeren männlichen Geschlechtsorgane von Säugetieren angelehnt, wird aber stilisiert dargestellt. Der Penis erscheint oft nur als spitzzulaufendes Organ, meistens ohne Eichel, mal länger, mal kürzer, teilweise mit, teilweise ohne Hodensack. In der traditionellen Heraldik wurde die Mannheit ungezwungen hervorgehoben. Sie ist gewöhnlicher Bestandteil einer Wappenfigur, der männliche Eigenschaften zugeschrieben werden und kann (muss aber nicht) mit dem Fachausdruck „geziert“ (= zeigt Geschlechtsteil) beschrieben werden; eine (eher männliche) Wappenfigur ohne Geschlechtsteil sollte dagegen stets als „ungeziert“ blasoniert werden.

Gezotet / vilené

Als Zeichen der Stärke und Kraft tingierte man „die Mannheit“ oft augenfällig in einer anderen heraldischen Farbe als die gemeine Figur. Wenn das Geschlechtsteil eines Wappentieres in anderer Farbe erscheint, kann dies mit dem heraldischen Fachausdruck „gezotet“ beschrieben werden (frz.: vilené).

„vilené (frz.) = wenn ein Thier ein Geschlechtstheil anderer Farbe hat.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[1]

Entmannt/ungeziert

1450-1580: Ungezierter (entmannter) Wolf (Ungnad von WeissenwolffW-Logo.png)

Entmannte Wappenfiguren, die in der Normalform mit einem Gemächt erscheinen, sollten explizit als „entmannt“ oder als „ungeziert“ (französisch éviré; englisch emasculated; spanisch evirado; italienisch evirato; niederländisch zonder geslachtskenmerken) gemeldet werden.

Eine Löwenfigur ohne Geschlechtsteil wird in der französischsprachigen Wappenkultur mit dem Ausdruck chátré angesprochen, in der englischsprachigen mit eviré; in der italienischsprachigen bezeichnet man die Löwenfigur ohne Zunge, Zähne, Krallen, Schwanz und Geschlechtszeichen mit domato.

Mit Geschlechtsteil

Und umgekehrt: Wappenfiguren mit Gemächt, die in der Normalform eigentlich ohne Geschlechtsteil erscheinen, sollten explizit als „mit Geschlechtsteil“ (französisch viené; englisch membered; spanisch vilenado; italienisch infamato; niederländisch geslachtsdeel van andere kleur) angezeigt werden (beispielsweise erscheint eine Lammfigur in der Normalform ohne sichtbares Geschlecht und sollte als „Lamm mit Geschlechtsteil“ gemeldet werden, falls es derart in einem Wappen erscheint). Bei Figuren, die in der Normalform mit Geschlechtsteil erscheinen (beispielsweise eine Löwenfigur), ist die Meldung des Geschlechtsteils überflüssig, wenn es in derselben Farbe wie die Figur tingiert ist.

Gemächt bei Menschen

Menschliches Gemächt im Wappen István Várallyay (1599)

„Es ist bei nackten Menschen üblich, die Genitalien nicht anzudeuten; meistens wird die Hüfte übrigens durch Schurz- oder Laubwerk verdeckt.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[2]

Unabhängig davon gibt es in der Heraldik vereinzelt Abbildungen der menschlichen Mannheit. So zeigt das Wappen des Ungarn István Várallyay ein menschliches Gemächt unter einem Arm, der einen Hammer hält (1599).

Heraldische „Entmannung“

In die Heraldik zieht seit spätestens seit dem 19. Jahrhundert teilweise eine gewisse PrüderieW-Logo.png ein. Männliche gemeine Figuren erscheinen zuweilen ohne Männlichkeit, gewissermaßen geschlechtslos. Beispielsweise zeigt das traditionelle, aus dem Mittelalter stammende Wappen von Bern bis heute einen Bären mit rot hervorgehobener Männlichkeit; im „amerikanisch-prüden“ New Bern „entmannte“ man diesen Bären und zeigt heute dasselbe Wappen ohne Gemächt.

Zur Prüderie gesellen sich in jüngerer Zeit Vertreter der Gleichstellung von Mann und Frau. Beispielsweise zogen im Jahre 2007 Soldatinnen der internationalen Nordischen KampftruppeW-Logo.png mit einer Klage vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH), um die sichtbare Mannheit im Truppenwappen entfernen zu lassen. Das Wappen zeigt im Original einen aufrecht stehenden Löwen mit heraldischen Gemächt, in der Rechten ein Schwert, in der Linken einen Olivenzweig haltend. Das Gemächt des Löwen wurde nach den Protesten ohne Urteilssprechung im Vorfeld entfernt.[3] Der Heraldiker Vladimir Sagerlund, der das Wappen entwarf, sparte nicht mit deutlichen Worten, die viele Heraldiker/-innen teilen. Die „Entmannung“ von Wappenfiguren wird teilweise als mangelndes Geschichts- und Kulturbewusstsein kritisiert:

Das Militär versteht nichts von Heraldik. […] Für die entmannte Ausgabe kann ich nicht einstehen. Wappenschilde ohne Genitalien gab man früher denen, die die Krone verrieten.[4]

Variation

Flammen anstelle der Mannheit (Graz)

Bei Darstellungen von gemeinen Figuren, bei denen aus allen Körperöffnungen etwas „hervorschlägt“ (z. B. Feuer), wird die Mannheit nicht ausgespart. Anstelle der Mannheit erscheinen in diesem Fall zum Beispiel Flammen.

Symbolik

Außerhalb der Heraldik gilt die Darstellung des Gemächts oder eines Phallus als Symbol für Leben, Kraft und Fruchtbarkeit.

Weblinks

Commons: Gezotet in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Entmannt in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 319. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  2. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 79. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  3. Christian Braunstein: Vapen och fana till NBG. In: Insats & Försvar. Nr. 3, Dezember 2007.
  4. Gamillscheg, Hannes: Kastrierter Löwe für tapfere Krieger. Frankfurter Rundschau (Bundesausgabe). Nummer 295. 19. Dezember 2007. S. 38