Graf
Graf ist ein Adelstitel. Die althochdeutschen Formen grafio und gravo stammen wahrscheinlich über das mittellateinische graffio vom byzantinisch-griechischen γραφεύς (grapheus), der Schreiber. Der lateinische Begriff comes (frz. comte, ital. conte) war zu spätrömischer Zeit die Bezeichnung eines hohen kaiserlichen Finanzbeamten (comes largitionum).
Die dem Grafen abgeleiteten Titel Landgraf, Markgraf sowie einige Pfalzgrafen sind im Heiligen Römischen Reich dem Fürstenstand angehörig und stehen in dessen Ordnung über dem Grafenstand. Weiterhin existierten Standeserhöhungen in der Form gefürsteter Grafen (sogenannter Reichsgrafen).
Graf als Adelstitel
Ursprünge des Grafentitels
Im Merowinger- und Frankenreich war ein Graf königlicher Amtsträger, der in einer Verwaltungseinheit (Grafschaft, Gau) die königlichen Hoheitsrechte ausübte und in bestimmten Bereichen (Mark, Königsburg, Pfalz, Königsgut) Stellvertreter des Königs/Kaisers war. Er stammte aus dem fränkischen Reichsadel und war in seiner Grafschaft oft auch mit eigenem Besitz vertreten. Der Graf war zunächst mit Wehrhoheit und Gerichtsbarkeit, später auch mit Finanz- und Verwaltungshoheit ausgestattet. Die Grafschaftsverfassung des Frankenreichs wurde außer in seinen Nachfolgestaaten Deutschland, Frankreich und Italien auch von England (County), Spanien, und Ungarn (Komitat) übernommen.
Schon von Beginn an bestand durch die häufige Wahl der Grafen aus dem lokalen Adel die Tendenz zur Erblichkeit. Ein König musste schon gute Gründe vorbringen, um dem Sohn eines Grafen die Nachfolge seines Vaters zu verwehren. Seit den Ottonen wandelte sich die Bedeutung des Grafentitels durch seine zunehmende Erblichkeit und die Einbindung ins Lehnssystem vom ursprünglichen Amt zum Begriff für die zusammengefaßten Rechte eines Adligen in einem bestimmten Bereich. Die Grafenrechte wurden durch Tausch, Verkauf und Erbteilungen immer mehr privatrechtlich behandelt. Als äußeres Zeichen dieser Entwicklung setzte sich vermehrt die Bezeichnung der Grafschaft nach dem Herrschaftsmittelpunkt des Grafen anstatt nach der Lage in einem Gau für die Grafschaft durch. Die Salier versuchten ohne nachhaltigen Erfolg die Reorganisation der Grafschaft durch ihren ministerialischen Dienstadel zu erreichen. Im Hochmittelalter gerieten die meisten Grafschaften und damit deren Rechte unter die Kontrolle fürstlicher Geschlechter. Der Grafentitel war daher überwiegend nicht mehr mit einer Grafschaft verbunden. Der Grafentitel als Merkmal einer Adelsklasse erhielt sich jedoch.
Der deutsche Adel unterteilte sich in den Hoch- und Niederadel. Grafen hatten innerhalb des Hochadels den niedrigsten Rang. Die Ehefrau eines Grafen war „Gräfin“, die Nachfahren von Grafen in der Regel ebenfalls Grafen. Die unverheiratete Tochter eines Grafen war Gräfin, wurde jedoch seit dem 17. Jahrhundert „Comtesse“ (frz.:Gräfin = comtesse) angesprochen, was im 19. Jahrhundert wieder außer Gebrauch gekommen ist. Grafen standen die Anrede Hochgeboren, regierenden und ehemals regierenden, standesherrlichen Grafen die Anrede Erlaucht zu (siehe unter Standesherrliche Häuser im Genealogischen Handbuch des Adels).
Es gab auch den Grafentitel, die nur dem Fideikommissherrn und nicht den übrigen Mitgliedern einer Adelsfamilie verliehen wurden. Seine Nachfahren waren mit Ausnahme des Erben Freiherren bzw. Freiinnen.
Im Jahre 1919 wurden der Adel und seine Standesvorrechte in Deutschland und Österreich rechtlich abgeschafft. Während der Gebrauch der ehemaligen Adelstitel in Österreich absolut verboten wurde, wurden die ehemaligen Adelstitel in Deutschland zu bloßen Teilen des Nachnamens gemacht, ohne weiterin Titel zu sein. In Deutschland erfolgt seit 1919 die richtige Anrede nach dem Muster Vorname und danach der frühere Adelstitel als Teil des Nachnamens. Demgegenüber stand hier vor 1919 der Adelstitel noch vor dem Vornamen (in Österreich hingegen war es bis 1919 üblich, den Adelstitel zwischen dem Vor- und dem Nachnamen einzufügen). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch lautet die Anrede Graf/Gräfin Soundso (unter Weglassung des „von“ sowie Herr/Frau).
Abgeleitete Titel
- Landgraf (comes provincialis, comes patriae, comes terrae, comes magnus u.ä.): Anfangs Amtstitel eines Lehensträgers unmittelbar vom König, später im Reichsfürstenstand, als alter Ritteradel aber annähernd einem Herzog gleichgestellt
- Markgraf (marchio), auch Grenzgraf (Comes terminalis): Anfangs Amtsträger in einer Grenzmark, später im Reichsfürstenstand, einem Fürsten gleichgestellt, als alter Ritteradel aber mit höherem Ansehen verbunden
- Gaugraf (comes), der ursprüngliche Graf, Lehensmann eines Gaus, Führer eines Heerbanns, später abgekommen
- Pfalzgraf (comes palatinus) und Hofpfalzgraf (Comes palatinus caesareus): Amtsträger als unmittelbarer Vertreter des Königs (bzw. des Kaisers), später im Reichsfürstenstand, einem Fürsten gleichgestellt, aber mit höherem Ansehen verbunden
- Reichsgraf: ursprünglich der Graf einer anfangs königs-, dann reichsunmittelbaren Grafschaft, standesherrlich mit Sitz und Stimme im Reichstag. Seit dem 17. Jahrhundert zunehmend als Bezeichnung für den reinen Adelstitel Graf, sofern er als Briefadel durch den römisch-deutschen Kaiser verliehen war.
- Burggraf (praefectus, castellanus): Dem jew. Landesherren direkt unterstellter Herr, teils auch reichsunmittelbare Stellungen
Erbgraf wird der erstgeborene Sohn bzw. Erbe eines Grafen genannt (vergleichbar etwa einem Erbprinzen)
Spezielle Titel:
- Wildgrafen (comites silvestres), Raugrafen und Rheingrafen: Diverse Geschlechter von Gaugrafen in Nachfolge der südwestdeutschen Emichonen, letztere später die Grafen von Salm
In anderen Sprachen:
- Earl, englisch
- Comte, französisch
- Vicomte: Ursprünglich der Stellvertreter eines Grafen (Vizegraf). In England, Frankreich (Viscount) und den Niederlanden (Burggraaf) eigenständiger Titel zwischen Baron und Graf
Graf als nichtständische Amtstitel
Auch einige nichtadelige Amtsträger werden traditionell als Graf bezeichnet:
- Richterliche Ämter mit Verwaltungsbefugnissen:
- Freigraf: Der durch den Gerichtsherrn (Stuhlherrn) eingesetzte Vorsitzende eines Femegerichts wurde als Freigraf bezeichnet. Jeder unbescholtene Freie konnte Vorsitzender oder Schöffe eines Femegerichtes werden.
- Der von den Landbewohnern gewählte und vom Landesherrn bestätigte Bauernrichter eines größeren Bezirks hieß in Norddeutschland Gograf (Plattdeutsch: Gohgreve) und in Hessen sowie in Südwestdeutschland Zentgraf.
- Zentgraf (centenarius), Stellvertreter eines Grafen (Vizegraf), im Hessischen und Südwestdeutschen, später abgekommen
- Gograf, Gerichtsherrlichkeit einer Untergliederung einer Grafschaft, nur altertümlich im Sächsischen
- Verwaltungsbeamten, teils mit richterlicher Befugnis:
- Hansegraf: Das historische Amt des Hansegrafen oder Hansgrafen ist erstmals 1184 in Regensburg belegt und war je nach Stadt verschieden ausgestaltet; meist handelte es sich um Beamte für Hanse-, Markt- oder Handelsangelegenheiten.
- Deichgraf: Bei einigen Deichgenossenschaften trägt der Obmann die Bezeichnung Deichgraf (Plattdeutsch: Diekgreve).
- Holzgraf: Vorsitzender für das Forstwesen. Er wurde von den Markgenossen gewählt.
- Wichgraf: unterstand einem Bischof
Literatur
- Manfred Mayer: Geschichte der Burggrafen von Regensburg. 1883.
- Pütter, Johann Stephan: Anleitung zur juristischen Praxi wie in Teutschland sowohl gerichtliche als außergerichtliche Rechtshändel … verhandelt und in Archiven beygeleget werden – Theil 2: Zugaben: insonderheit von der Orthographie und Richtigkeit der Sprache und vom teutschen Canzley-Ceremoniel, 5. Auflage, Göttingen: Vandenhoeck, 1802
Weblinks
Quellenhinweis
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Graf“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 03. Mai 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.