Hussitenschild
Hussitenschild (eigentlich: „hussitische Pavesen“ beziehungsweise in der böhmischen/tschechischen Sprache huszita pajzs) ist eine ungenaue und inhaltlich falsche Bezeichnung für Setzschilde oder Pavesen, die im 15. Jahrhundert nicht nur bei den Hussiten sondern in ganz Mitteleuropa gebräuchlich waren.
Geschichte
Die Bezeichnung „hussitische Pavese“ wurde erst in der Moderne eingeführt. Er idealisiert den Umstand, daß die Hussiten Pavesen in größerem Umfang bei ihren militärischen Auseinandersetzungen (Hussitenkriege) einsetzen. 1960 wurde der Ausdruck im Gesetz Nr. 163/1960 über das Staatswappen der Tschechoslowakisch Sozialistischen Republik gezielt benutzt, um an eine vorgebliche „hussitische Tradition“ anzuknüpfen.
Die Pavese ist jedoch als große am Boden aufgesetztes Schutzwaffe keine spezifische Erfindung der Hussiten. Pavesen waren lange vor den Hussiten gebräuchlich und gehörten zur Zeit der Hussiten im Deutschen Reich und in Böhmen in einer leicht variierenden Schildform zur „normalen“ Bewaffnung vieler Städte und Fußtruppen.
Die überlieferte Pavesentaktik, bei der die Setzschilde in den Boden gerammt und durch Kettenverbindung aneinandergehakt als hölzerner Schildwall gegen Geschosse und Reiterei dienten, ist eine Weiterentwicklung vermutlich böhmischer Söldner. Sie wurde erst nach den Hussitenkriegen gebräuchlich, als die hussitische Wagenburgen ihren defensiven Kriegswert verloren hatten und für diese ein flexibler Ersatz benötigt wurde.
Heraldik
Der Heraldiker Gert Oswald bezeichnet in seinem Standardwerk „Lexikon Heraldik“ das fünfeckige Hoheitszeichen beziehungsweise den Wappenschild der Tschechoslowakisch Sozialistischen Republik aus der Zeit 1960–1990 ungenau und inhaltlich falsch als „Hussitenschild“:
„Hussitenschild: rechteckiger, sich nach oben verbreitender und in ein Dreieck auslaufender Schild, der seit 1948 den Wappenschild der Tschechoslowakei bildet.“
Die Ausdrücke „Hussitenschild“ und „hussitische Pavese“, wie die Form dieses Hoheitszeichens in der offiziellen Wappenbeschreibung genannt wird[2], sind in der Heraldik jedoch nicht gebräuchlich und das bei Oswald gezeigte Zeichen wurde auch nicht seit 1948 geführt. Sie sind kein Bestandteil der heraldischen Kunstsprache, die nur eine Pavese kennt (ohne den Zusatz „hussitisch“). Die fünfeckige Form des Hoheitszeichen und das Zeichen insgesamt sind zudem grundsätzlich unheraldisch. Aber nicht nur wappenkundliche Argumente sprachen gegen dieses Zeichen, wie Silvia Miháliková in der Zeitschrift Osteuropa schreibt, sondern das Staatsymbol wurde von Tschechen und Slowaken gleichermaßen abgelehnt:
„Der tschechische Löwe trug nun an Stelle der Krone einen fünfzackigen Stern, das historische Symbol der Slowakei an seinem Herzen wurde durch ein goldenes loderndes Lagerfeuer vor einer Silhouette blauer Gipfel ersetzt. Dieses neu entworfene Wappen wurde in der Slowakei vielerorts als Demütigung aufgefaßt (..) Im Jahre 1968 (..) begannen nicht nur die Slowaken, die die Korrekturen am empfindlichsten getroffen hatten, gegen das neue Wappen zu protestieren. Auch die Tschechen erachteten die Umgestaltung des tschechischen Löwen als eine Verletzung ihrer nationalen Gefühle. Der Löwe, der in der tschechischen Symbolik siebenhundert Jahre eine Krone auf dem Kopf getragen hatte, trug nun einen fünfzackigen roten Stern. Damit dieser auf dem roten Hintergrund überhaupt sichtbar war, mußte er mit einem goldenen Rahmen eingefaßt werden, Um wiederum diese goldene Umrahmung weniger künstlich erscheinen zu lassen, erhielt auch der Löwe eine goldene Einfassung. Vom heraldischen Standpunkt war dies eine unzulässige Lösung. Was das slowakische (..) betrifft, so widersprach die goldene Farbe des Partisanenfeuers den nationalen Farben, wie auch den Farben des Staates. Auch die blaue Kriváň auf dem roten Schild verletzte heraldische Grundsätze (..)“
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. Seite 208.
- ↑ Vgl. Gesetz Nr. 163/1960 Sb. über das Staatswappen und die Staatsflagge (Zákon o státním znaku a o státní vlajce)
- ↑ Miháliková, Silvia: „Hej Slováci“. Symbolische Repräsentation der Slowakei. In: Osteuropa 07/2003. ISSN 0030-6428
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Hussitenschild“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 13. Juni 2012 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.