Passionswappen
Passionswappen (auch mißverständlich „Wappen Christi“ genannt) ist
- im weitesten Sinn: ein Wappen, das der Passion beziehungsweise den Leidenswerkzeugen Christi (auch Passionswerkzeuge genannt; lateinisch: arma christi = „Waffen Christi“, das sind Foltergeräte, Waffen und andere Objekte) einen bildhaften Ausdruck verleiht.
- im engeren Sinn: ein Fantasiewappen, in dessen Schildbild mehrere der Passions-/Leidenswerkzeuge als gemeine Figuren erscheinen und das manchmal als Wappen bezeichnet wird, das Jesus angeblich geführt haben soll.
Geschichte
Seit der „Frühzeit der Heraldik“ beziehungsweise seit dem 12. Jahrhundert „entsteht unter dem Einfluß der Mystik (Bernhard von Clairvaux) ein vertieftes menschliches Verständnis der Passion, das sich in der Kunst auswirkt“[1] und spätestens zur Blütezeit des Wappenwesens (13. bis 15. Jahrhundert) für diese zu einem Thema wird. Davon zeugen mehrere überlieferte Darstellungen von Fantasiewappen, die die Passion heraldisch stilisiert und symbolhaft aufnehmen.
Darstellung
Es sind mehrere Passionswappen überliefert, die ähnlich aussehen, sich aber in der genauen Zusammensetzung der an die Leiden Christi erinnernden Passions-/Leidenswerkzeuge im Schildbild mehr oder weniger unterscheiden. Gewöhnlich werden als gemeine Figuren Kreuz (mit dem titulus crucis, meist INRI), Dornenkrone, Passionsnägel, Hammer, Rohr mit dem in Essig oder Galle getränkten Schwamm, Lanze, mit der ein römischer Soldat Jesus die Seitenwunde zufügte, Schweißtuch (der heiligen Veronika), Rutenbündel und/oder Geißel, mitunter auch der Hahn und das Schwert des Petrus dargestellt[2].
Manchmal erscheinen auch: das Spottzepter; der purpurne Mantel, den Jesus bei der Verspottung trug; der Kelch, den Jesus beim letzten Abendmahl mit seinen Jüngern verwendete; das nahtlose Gewand Jesu (auch Heiliger Rock genannt); Spielwürfel, mit denen die römischen Soldaten um das Gewand würfelten; Gefäße für Galle und Essig; die zur Kreuzabnahme verwendeten Leitern; Hand oder Faust (wegen der Schläge der Diener des Hohenpriesters beim Verhör); Zangen zur Entfernung der Kreuznägel; Gefäße mit Salböl zur Grablegung Christi; das Grabtuch; Felsengrab oder Sarkophag; Sonne und Mond (wegen der Sonnenfinsternis bei der Kreuzigung); Geldstücke (wegen der Gefangennahme Christi durch Judas Ischariot); Stricke oder Ketten; Fackeln, Laternen, Schwerter und Stäbe, die bei der Gefangennahme Jesu getragen wurden; Köpfe an der Leidensgeschichte beteiligter Personen (etwa Judas Ischariot, der Hohepriester Kaiphas oder die, die Jesus ins Gesicht spuckten); Augenbinde.
Das Oberwappen und die Schildhalter eines Passionswappens erscheinen gewöhnlich, wie es die fünf erhaltenen Blättern des Meister E. S. zeigen, die zwischen ca. zwischen 1460 und 1467 entstanden sind:
„Der Schild trägt einen Spangenhelm mit Dornenkrone, aus der die segnende, stigmatisierte rechte Hand Christi herausragt, die auch mit einem Scheibennimbus mit Kreuz und Strahlen versehen ist. Rechts des Wappenschilds steht Maria als Mittlerin zwischen ihrem Sohn und den Betrachtern, zur Compassio ausrufend, den Mantel über den Kopf gezogen, und erhebt ihre Rechte. Links des Schildes erscheint der nur mit einem Lendentuch bekleidete Schmerzensmann, der mit seiner Rechten auf seine Seitenwunde zeigt.“
Abgrenzung
Ein „Passionswappen“ ist vom „Wappen Christi“ zu unterscheiden. Die beiden Ausdrücke werden in einigen Quellen synonym verwendet, was, streng genommen, wenig Sinn macht. Ein Passionswappen referenziert immer auf die Passion und die Passionswerkzeuge; ein fiktives Wappen für Jesus Christus erscheint in den historischen Quellen jedoch nicht nur als Passionswappen, sondern auch in anderer Form. Der Ausdruck „Wappen Christi“ steht lediglich für ein Fantasiewappen, welches vorgeblich von Jesus geführt wurde. Teilweise erscheint das Wappen Christi in den Quellen als Passionswappen, teilweise erscheinen in diesem Zusammenhang aber auch Schildbilder, die in keiner Form auf die Passion referenzieren.
Streng genommen sind Passionswappen auch von Wappen zu unterscheiden, die Symbole der Vanitas beziehungsweise des Memento mori sind und beispielsweise im Schild einen Totenkopf oder einen Altar mit Christus zeigen, bei denen an der Stelle des Helms ein Schädel mit Schlangen erscheint, die sich durch die Augenlöcher winden, gekrönt von einer zwischen Sense und Schaufel angestemmten Sanduhr, flankiert von zwei Skelettschildträgern (Todesfiguren) et cetera.
Literatur
- Wolfgang Scheffler, Ottfried Neubecker: Das Wappen Christi. In: Herold. Band 3, Nr. 3/4. Verlag für Sippenforschung und Wappenkunde C.A. Starke, Görlitz 1943, DNB 361685599, OCLC 700330059, S. 89–108 (archive.org).
Einzelnachweise
- ↑ Evangelisches Kirchenlexikon. Band III. P-Z. Göttingen 1959. S. 75.
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 298.ISBN 978-3-411-02149-9
- ↑ Bredow-Klaus, Isabel von: Heilsrahmen: spirituelle Wallfahrt und Augentrug in der flämischen Buchmalerei des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Band 3. Herbert Utz Verlag 2009. ISBN 3831608830. S. 185/186