Tänzl (Adelsgeschlecht)
Tänzl (auch Tänzlein, Tänzel, Tennzl, Tenzel, Tänzl von Tratzberg, Tandlin, Dinzel) ist der Name eines österreichisch-bayerischen Adelsgeschlechts (Freiherren, Reichsritter), das ursprünglich aus einem begüterten österreichischen Bürger- und Gewerkengeschlecht („Teilhaberfamilie im Bergbau“) stammt.
Geschichte
Um 1350 waren die Tänzl begüterte Bürger und Kaufleute in Innsbruck. Sie beteiligen sich als Bergwerksunternehmer und Schmelzherren im Kupfer- und Silberbergbau in Schwaz in Tirol, das im Mittelalter ein Zentrum des Bergbaus war und erwarben sich ein größeres Vermögen.
Christian Tänzl (* um 1430; † 18. Februar 1491 in Schwaz), ein Nachfahre des Jakob Tänzl(ein), Innsbrucker Bürger um 1350 oder 1370), ist im Jahre 1470 Besitzer der Weierburg bei Innsbruck, welche er an Erzherzog Sigmund verkauft. Er wird laut Hauptmatrikelbuch am 5. Juli 1483 geadelt[1] (andere Quellen gehen davon aus, daß Kaiser Friedrich III. für Augustin Tänzl, den Sohn des Kristan Dinzel das Wappen vermehrte; auch Siebmacher erwähnt, daß die Familie 1470 den Ritterstand von Kaiser Friedrich III. erhielt[2]).
Aus der Ehe von Christian Tänzl mit Anna Hofer stammen drei Kinder: Veit Jakob Tänzl, Symon/Sigmund Tänzl und Elisabeth Tänzl. König Maximilian I. bestätigte 1502 den Brüdern Veit Jakob (* um 1465; † 1530) und Sigmund Tänzl († 1525) den Adel und vermehrte ihr Wappen. 1511 wurden der Name des Geschlechts in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen („Landmann von Tirol“)[1]. Die Aufnahme in die fränkische Reichsritterschaft erfolgte am 19. Februar 1722 (Kanton Odenwald), in Bayern immatrikuliert das Geschlecht bei der Freiherrenklasse am 24. Oktober 1812.
Die Freiherren von Tänzl besaßen zeitweise das mächtige, über dem Inntal liegende Schloss Tratzberg, das sie als zerstörte Burg-/Brandruine mit der Auflage des Wiederaufbaus vom späteren Kaiser Maximilians I. 1499 gegen die Feste Berneck eintauschten und prachtvoll als Renaissanceschloss ausbauten. In der Folge wird das Geschlecht meist mit dem Zusatz „Tänzl von Tratzberg“ in den Quellen angeführt.
Die Tänzl sind als erfolgreiche Geschäftsleute die Gegenspieler der mächtigen Augsburger Fugger, gegen die sie sich letztendlich nicht behaupten können. Sie führen ein fürstliches Leben und haben Einfluss am kaiserlichen Hof. Zirka seit 1520 schwinden sukzessive Einfluß und Reichtum des Geschlechts. Einer ihrer Bergwerksdirektoren veruntreut Geld in großem Ausmaß, was zum Niedergang und Bankrott des reichen Gewerkegeschlechts führt. Um 1552 wird das Tänzl-Vermögen trotz Gläubigernachlässe bis aufs Gnadengeld abgewickelt. Die Tänzl verlassen Tirol. Sie wandern nach ihren bayerischen bzw. schwäbischen Besitzungen aus (Schloss Reichersbeuern bei Tölz, Schloss Harmating bei Wolfratshausen im Isartal), wo sie sich finanziell erholen. Im Jahre 1573 erwarben sie die Hofmark Oberbechingen. Die dort begründete Linie der Tänzl erlosch 1847.
Die Freiherren traten als Ministerialen in den Dienst von Fürsten. So erscheint im Jahr 1640 in der Gehaltsliste des kaiserlichen Hofstaats zu Wien ein gewisser Mattias Tänzl von Tratzberg als Kaiserlicher „Panathier“, als kaiserlicher Speisenvorschneider und Mundschenk. Sein Lohn beträgt monatlich 40 Gulden.
Eine oberpfälzische Linie der Freiherrn Tänzl von Trazberg wurde 1655 durch Karl Siegmund von Tänzl, kurfürstlicher Kämmerer, Hofkriegsrat, Pfleger zu Frohnstein und Kastner zu Laaber begründet. Er kaufte die Hofmark Traidendorf im Vilstal unweit Kallmünz (bis 1733 im Besitz der Familie). Der Traidendorfer Hammerwerksbesitzer Friedrich Eberhart von Tänzl erbaute das Schloss Dietldorf, in das seine Familie 1706 einzog.
In der Liste der kurfürstlichen Pfleger in Landau erscheinen im 18. Jahrhundert zwei Freiherren Tänzl von Tratzberg. In der Zeit von 1750 bis 1780 ist Johann Hektor Tänzl der kurfürstliche Pfleger, also Stellvertreter des wittelsbachischen Herrschers im Amt Landau, das von Brand und Verwüstungen im Österreichischen Erbfolgekrieg 1743 in die Knie gezwungen wurde. In der Zeit von 1780 bis 1790 folgt ein gewisser Friedrich Josef Tänzl als Landauer Pfleger nach. Dieser wechselte 1791 in die Oberpfalz.
Die Freiherren Tänzl von Tratzberg sind 1812 in die bayerische Adelsmatrikel eingetragen und (laut Tiroler Adelsmatrikel) 1935 im männlichen Stamm ausgestorben. Im November 1954 starb in Regensburg die 69 Jahre alte Freiin Antonie von Tänzl, wodurch vermutlich auch die letzte weibliche direkte Blutlinie erlosch.
Wappen
Das Stammwappen
Im Stammwappen führen die Tänzl von Schwarz und Gold gespalten seit 1390 ein „Schachrössel mit zwei zusammengefügten Köpfen“ („Doppelrössel“ bzw. „Schachroch als Doppelrössel“) in verwechselten Farben[1]. Die Helmzier erscheint als geschlossener Flug mit den Farben und Figuren des Schildes, die Decke schwarz und gold. Das Wappen wird Kristan Dinzel am 16. Oktober 1437 von König Sigismund bestätigt.
Wappenvermehrung
Nach Beginn der Bautätigkeiten 1499/1500 am Schloß Tratzberg und der Wappenvermehrung von 1502 ist der Wappenschild des Tänzlwappens geviert. Ein „Doppelrössel“ in verwechselter Farbe aus dem Stammwappen erscheint in einem Feld der Vierung, ein zweites im diagonal gegenüberliegend Feld. Zu den zwei „Doppelrössel“ gesellen sich nach der Wappenvermehrung in den anderen zwei diagonal gegenüberliegenden Feldern der Vierung je ein goldener Löwe. Die Löwen sind später je nach Wappenaufriß mal nach rechts, mal nach links sehend, mal ohne, mal mit schwarzen Flecken, mal schreitend, mal aufgerichtet dargestellt.
Nach der Wappenvermehrung folgen im Laufe der Geschichte je nach Region, Quelle, Mode und Wappenführendem viele Varianten des Tänzlwappens, wobei die Gründe für die unterschiedlichen Darstellungen teilweise unbekannt oder nicht ausreichend erforscht sind. Nachstehend sind ein paar Beispiele angeführt:
nach 1502
Veit Jakob Tänzl von Tratzberg heiratete zirka um 1499/1502 Anna von Rindscheit/Rindschait aus dem steirischen Adel. Auf einer Targe, die vermutlich zum Spaß oder für Gesellschaftsspiele in der Folge der Hochzeit angefertigt wurde, erscheint das Wappen der Tänzl mit der vermehrten Vierung. In den Feldern 2 und 3 wird allerdings nicht, wie man erwarten könnte, der Tänzl-Löwe dargestellt, sondern der Vogel (je nach Quelle als Taube, Adler, Falke oder Schwalbe in Adlergestalt interpretiert) aus dem Wappen der Familie Rindscheit. Über dem Wappen sitzt eine Eule auf einem Ast und „sagt“ mittels eines Spruchbandes:
„wie . wol . ich . bin . der . vogel . has . noch . den . erfret . mich . das.“
Die Felder 1 und 4 mit den Doppelrössel in gewechselten Farben sind beide von Gold und Schwarz gespalten.
nach 1502, rückdatiert auf 1500
Eine Bautafel mit dem Wappen der Gebrüder Tänzl über dem Portal des Treppenturmes des Südostecks des Tratzberger Schloßhofes trägt die Inschrift:
„1500. Veit Jakob vnd Symon Tenzl geprider habe gepawt das schlos.“
Die Bildhauerarbeit wurde um oder nach 1502 angefertigt, denn sie zeigt das vermehrte Wappen der Tänzl. Das angegebene Datum „1500“ bezieht sich vermutlich auf den Baubeginn. Interessant ist, daß trotz der beeindruckenden bildhauerischen Qualität Feld 1 und 4 ohne Spaltung und die Doppelrössel ohne verwechselte Farben erscheinen. Die Schildhalter, die auf dem Grabstein von Christian Tänzl noch unbekleidete Wilde Männer sind[1], wurden durch geharnischte Personen ersetzt. Über dem Wappenschild befindet sich im Oberwappen zwischen den beiden Helmen ein verkleinerter Schild mit einem Adler,
„der sich weder als Tiroler Adler, noch weniger als das Wappen der Rindscheit (Taube) angesehen werden kann, sondern eher das des römischen Königs sein dürfte, dem die Tänzl, als ihrem Gönner, eine Huldigung darbringen wollten.“
1530
Der Totenschild des Veit Jakob Tänzl besitzt die Umschrift:
„Im . 1530 . Jar . am osterabet Den . 16 . Tag. Aberillis starb Der . Edl . vest . Veitjacob Tänntzl zu . Tratzberg v . Reichenspeurn . Dem got gnad .“
Er zeigt:
- in Feld 1 (heraldisch rechts oben) in Schwarz-Gold gespalten das Doppelrössel in Gold-Schwarz;
- in Feld 4 (heraldisch links unten) dagegen in Gold-Schwarz gespalten das Doppelrössel in Schwarz-Gold;
- in Feld 2 und 3 einen aufgerichteten goldenen Löwen auf schwarzem Grund.
In einem Mittelschild über der Vierung erscheint der Vogel (Taube/Adler/Falke/Schwalbe) aus dem Wappen seiner Gemahlin Anna Rindscheit. Über dem Totenschild sind dementsprechend nicht zwei, sondern drei Ritterhelme: Auf dem heraldisch rechten Helm befindet sich der geschlossene Flug mit dem Doppelrössel aus dem Tänzl-Stammwappen; auf dem heraldischen linken Helm „wacht“ der Tänzl-Löwe mitten in einem Kranz von Straußenfedern; auf dem mittleren Helm befindet sich der wachsende Mannesrumpf mit gestulptem Hut aus dem Hause Rindscheit.
um 1523/1525 oder später
In der Tänzelstube des Tratzberger Schlosses erscheint am Türgiebel zur großen Tänzelkammer das eingelegte Wappen von Kaspar Tänzl, Sohn des Simon Tänzl, der mit Katharina Baumgartner verheiratet war. Es zeigt in Schwarz in den Feldern 1 und 4 den aufgerichteten, nach heraldisch links schauenden Löwen. Das Felder 2 ist von Gold-Schwarz, das Feld 3 dagegen von Schwarz-Gold gespalten (die Doppelrösser darin jeweils entsprechend in verwechselten Farben).
um 1608
Im Kreuzgang des Franziskanerklosters Schwaz (bei Innsbruck) erscheinen am Gewölbe unter anderem die Stifterwappen von Simon Tänzl und Veit Jakob Tänzl.
- Im Wappen von Veit Jakob Tänzl erscheinen die Felder 1 und 4 in Schwarz-Gold gespalten mit den Doppelrösslein in verwechselten Farben, der goldene Löwe in den schwarzen Feldern 2 und 3, gefleckt und nach heraldisch links gerichtet.
- Im Wappen von Simon Tänzl erscheinen dagegen in Schwarz die goldenen, nach heraldisch rechts schauenden Löwen in Feld 1 und 4, während die Felder 2 und 3 in Gold-Schwarz gespalten sind und die Doppelrösser in verwechselten Farben aufnehmen.
1750
Im Tänzl-Wappen im Gewölbesaal des Kastenhofes in Landau, das aus der Zeit um 1750 stammt, sind die Feldfarben und die Doppelrössel in Feld 1 in der umgekehrten Farbfolge von Feld 4 abgebildet (Feld 1 ist Schwarz-Gold gespalten; Feld 4 ist Gold-Schwarz gespalten).
1812
Im Jahre 1812 wird das Tänzl-Wappen wie folgt beschrieben (anläßlich der Freiherrenklasse in Bayern): „Geviert; 1 und 4 von Schwarz und Gold gespalten, darin ein Schachroß (Doppelrössel) in verwechselter Farbe (Stammwappen); 2 und 3 in Schwarz ein aufgerichteter gelöwter Leopard. - Zwei gekrönter Helme mit schwarz-goldenen Decken; auf dem rechten ein geschlossener, mit den Rossköpfen belegter, von Schwarz und Gold gespaltener Flug, auf dem linken der Leopard wachsend vor einem Busch schwarz-goldener Straußenfedern.“[3]
1856
Im Siebmacher erscheinen ohne Angabe von Gründen oder Quellen die Doppelrösser der Tänzl-Wappen teilweise sechsgeschachtet. Vermutlich liegt in diesen Fällen ein Versehen vor.
Weblinks
- Veit Jakob Tänzl, Bergwerksunternehmer (Gewerke)
- Die Freiherren Tänzl v. Trazberg auf Dietldorf, von August Sieghardt, Grassau im Chiemgau. Aus: „Die Oberpfalz“ 1955. Seite 3 ff.
Projekt KULT.DOKU
- Totenschild des Veit Jakob Tänzl
- Darstellung von Veit Jakob Tänzl und seiner Gemahlin Anna Rindscheit im Bild der Heiligen Anna Selbdritt
- Veit Jakob Tänzl und Anna Rindscheit
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Enzenberg, Sighard Graf: Tratzberg. Renaissancejuwel im Inntal. Wien/München. 2000.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, II. Band, 1. Abteilung; Der Adel des Königreichs Bayern; Verfasser: O. T. Von Hefner; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1856. S. 60.
- ↑ Internet: Freiherrn Tänzl von Trazberg auf http://www.edelleute.eu. Abgerufen: 18. Juli 2012.
- PNP:Sie waren Pfleger der Wittelbacher in Landau In: Passauer Neue Presse (Landauer Neue Presse) vom 13.November 2009 (S. 22)
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Tänzl_von_Tratzberg_(Adelsgeschlecht)“ aus der freien Enzyklopädie Regiowiki.pnp.de Niederbayern&Altötting in der Version vom 17. Juli 2012 (Permanentlink: [1]). Er steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0. In Regiowiki ist eine Liste der Autoren verfügbar. |