Auge (Heraldik)
Das Auge (frz.: Œil; engl.: eye) ist in der Heraldik
- eine seltene gemeine Figur
- eine Bezeichnung für eine augenförmige Zeichnung bei einer Wappenfigur, die in Form und Farbe ein Auge darstellt („beaugt“, „mit Auge ...“) oder ein Auge imitiert („Scheinauge“)
Geschichte
Belegt ist, dass im 15. Jahrhundert im Armorial Lyncenich und im Heessel Kompendium sowie im Armorial Le Blancq ein Wappen mit einer Augenfigur erscheint. Die Korrektheit des Wappens konnte bis 2016 selbst von profunden Kennern wie dem Heraldiker Steen Clemmensen nicht verifiziert werden. Er transkribierte den Wappentitel mit grennawg
und spekulierte irreführend darüber, dass damit wohl eine Familie namens Brauneck gemeint sein könnte, wobei die „Augenfigur“ seiner Meinung nach auch als „Kompassnadel“ (?) gezeichnet wurde.[1]
Auge als gemeine Figur
Das Auge erscheint als gemeine Figur meist in Anlehnung an ein menschliches Auge als bildhafte und stilisierte Darstellung desselben mit Wimpern, Augenlidern und Augapfel; ein sich erheblich vom menschlichen Auge unterscheidenes Auge (zum Beispiel ein „Facettenauge“, ein „Finkenauge“ et cetera) ist zu melden. Die Augen von wilden Tieren werden im Gegensatz zum menschlichen Auge in der Heraldik gewöhnlich rot unterlaufen dargestellt:
„Auge von wilden Thieren meist roth unterlaufen, gemalt.“
Das Auge erscheint in Ein-, aber auch in Mehrzahl. In letzerem Fall ist die genaue Position zu melden (zum Beispiel: „drei Augen, 2:1 gestellt“). Die Figur Auge ist nicht häufig, und eine einheitliche Farbgebung ist nicht festgelegt. Sind Teile des Auges wie Wimpern et cetera andersfarbig tingiert, ist dies zu melden (zum Beispiel: „(..) mit goldenen Wimpern versehenes blaues Auge“, „(..) menschliches Auge mit blauer Iris“).
Verbreitung
Das Auge findet sich beispielsweise in den Wappen Heshuisen, Goder (drei Augen 2:1 gestellt) oder als redendes Motiv im Wappen derer von Finkenauge. Letzeres Wappen zählt in der Literatur manchmal zu den „curiosa“, allzumal sich die „Finkenaugen“ des Schildes in der Helmzier zwischen den Flügeln eines Flugs wiederholen.
Auge mit goldenen Wimpern und blauer Iris (Tingierung unsicher; Wappen Erbstetten)
Menschliches Auge mit blauer Iris (altes Wappen von Au am Rhein; bis 1978)
Im Schildhaupt: mit goldenen Wimpern versehenes blaues Auge (Burgstetten)
Silbernes Auge mit schwarzer Pupille
(Ligueil)In Feld 1: Tränendes Auge mit roter Iris
(Saint-Léger-Dubosq)
Aufgeschlagenes Buch, belegt mit zwei blauen Augen (Kerkingen)
Zwei Augen mit grüner Iris (Suñé)
Kardinalswappen mit Augenpaar (Giovanni Battista Bussi , 1755-1844)
Auge als Bezeichnung
Beaugt
Die Bezeichnungen „Auge“, „beaugt“, „mit Auge ...“ o. ä. werden einerseits in der heraldischen Kunstsprache verwendet, wenn die Augen einer Wappenfigur ungewöhnlich oder andersfarbig dargestellt werden (zum Beispiel: „[..] goldener Adler, grün beaugt“; „[..] silberner Fisch, golden beaugt“).
Scheinauge
Andererseits benutzt man sie, um sogenannte Scheinaugen wie zum Beispiel die „Augen“ auf den Schwanzfedern des Pfaus, die „Augen“ (Punkte) eines Spielwürfels, das „Auge“ (Loch) eines Mühlsteins, das „Auge“ (Gelenk) einer Zange und so weiter oder deren Anzahl in der Wappenbeschreibung gegebenenfalls zu charakterisieren.
Falkenauge
Nach Ralf von Retberg wird eine besonders eingefärbte „Ballfigur“ (Kugel, Scheibe, Kreis) in der heraldischen Kunstsprache „Falkenauge“ genannt:
„Bälle, welche einen schwarzen Ring mit einer weißen Füllung bilden, übrigens erst im 15. Jahrhundert vorkommen, heißen Falkenauge (ndl.: valkenoogen; lat.: oculi falconis; frz.: yeux de faucon).“
Name | Tinktur | Farbe | Andere Namen | |
---|---|---|---|---|
plate | Argent (Metall) | Silber | dt: Ball; engl.: silver; nach Retberg „Falkenauge“ |
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Auge bzw. das „menschliche Auge“ wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt „Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: C. Einzelteile des Kopfes 2. Menschen“ unter der Nr. (7011)-731 aufgenommen.
- Die Ausdrücke „beaugt“, „mit Auge ...“ o. ä. wurden in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt „Notwendige Teile ganzer Figuren bei andersfarbiger Darstellung“ unter der Nr. -806 aufgenommen.
Siehe auch
Auge bei
- einer Spielwürfelfigur
- einer Mühlsteinfigur
- einer Zangenfigur
- Schlägel und Eisen
Weblinks
- Daniel Erpelding: yeux = Die Augen. Heraldik-Lexikon. wiesel.lu, abgerufen am 9. Januar 2021 (Blog).
Einzelnachweise
- ↑ Vgl.: Steen Clemmensen: The Lyncenich armorial. Bruxelles, Bibliothèque royale Albert 1er Fonds Houwaert II.6567. Farum, Dänemark, 2016. S. 171. Wappen-Nr. 926.
- ↑ Vgl.: Otto Titan von Hefner: Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland. Band 2.
G-L
. Regensburg, 1863. S. 71. (Google) - ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie ( M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 62.