Angeschoben

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Angeschoben ist in der heraldischen Literatur ein älterer, unpräziser und unpassender Ausdruck, der vorgeblich beim Beschreiben eines Wappens verwendet wird, wenn ein Turnierkragen „ganz oben“ am Schild „anstößt“.

Begriffsgeschichte

Der Ausdruck „angeschoben“ wird 1779 von einem unbekannten Autor (Oetter hält den Histiographen Hermann Joseph HartzheimW-Logo.png für den Autor)[1] in einem „dürftigen“[1] heraldischen Theoriebuch in „schlechtem Deutsch“[1] erwähnt:

„Der Tournirkragen wird in dem Obertheil des Schildes, und zwar gemeinlich schwebend gesetzet; stosset er gantz oben an, so ist er angeschoben“

N. N.: (Putzische Buchhandlung, 1779)[2]

Im älteren Wappenwesen und in der heraldischen Praxis insgesamt ist der Ausdruck selten oder gar nicht gebräuchlich. Ein Turnierkragen stößt vermutlich nur irrtümlich beziehungsweise aus Unkenntnis der heraldischen Empfehlungen in einem Wappenaufriss „ganz oben“ an. Querfurt bemerkt 1872 etwas Vergleichbares, will aber den Ausdruck für Ausnahmefälle behalten:

„(..) Wenn der Turnirkragen einmal ausnahmsweise -- was übrigens selten vorkommt -- mit seinem oberen Rande an den oberen Schildrand anstösst, so wird er „angeschoben“ benannt (..)“

Curt Oswalt Edler von Querfurt (1872)[3]

Auf Querfurt referenzieren in der Folge Gritzner (1889)[4], Leonhard (1978/2003)[5], Oswald (1984)[6], die Wappenbilderordnung des Herold (1990-1996)[7] und die deutsche Wikipedia (2016)[8]. Allen Quellen gemeinsam ist, dass sie kein einziges wikliches Referenzwappen anführen, wo ein „angeschobener Turnierkragen“ wesentlicher Bestandteil des Wappenbildes ist. Oswald und Leonhard zeigen lediglich einen Musterschild, welcher mehrdeutig interpretierbar ist und im Prinzip anders beschrieben werden könnte (bei Oswald gleicht er eher einem Schild, der durch ein „sturzbreitzinnenförmiges Schildhaupt“ geteilt ist, weniger einem Schild mit einem Turnierkragen, der am oberen Schildrand anstößt; bei Leonhard dagegen gleicht das Motiv im Wappenmuster eher einem „Zinnenschildhaupt“ bzw. einem Schild, der durch ein „zinnerförmiges Schildhaupt“ geteilt ist). Im Gegensatz zur gesamten heraldischen Literatur erweitert Leonhard im Jahre 1978 den Ausdruck: Er soll sich nun nicht nur auf einen Turnierkragen beziehen, sondern auch auf einen Balken unterhalb eines Schildhaupts. Wörtlich heißt es:

angeschoben: Turnierkragen am oberen Schildrand; Balken unterhalb eines Schildhaupts <5>“

Walter Leonhard (1978/2003)[5]

Empfehlung

Kein „angeschobener Turnierkragen“, sondern ein Zinnenschildhaupt[9]
(Gemeinde Nieste)

Es empfiehlt sich, den veralteten Ausdruck heute nicht mehr zu verwenden. Falls benötigt, sollte man für entsprechende Wappenmotive geläufiger Ausdrücke gebrauchen. Beispielsweise nach der Wappenbilderordnung, Nr. -340 inkl. einer Angabe zum Ort:

Turnierkragen,

  • ... [aus dem oberen Schildrand] hervorbrechend
  • ... [aus dem oberen Schildrand] hervorkommend
  • ... [aus dem Schildhaupt] hervorkommend
  • ... et cetera

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Nach Christian Samuel Theodor Bernd: Allgemeine Schriftenkunde der Gesammten Wappenwissenschaft. 1830. S. 323
  2. Putzische Buchhandlung: Grundsätze Der Heraldik oder Wapenkunst: In welchen Durch Blasonirung der Wapen angewiesen wird, wie man sich der Lehrsätzen gebrauchen soll; Wobey das Römische Reich in zehen Kreise abgetheilt ist: Zu nützlichem Gebrauch der studierenden edlen Jugend zusammengetragen; Mit Figuren. Kön. 1779. S. 7.
  3. Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 5, 162:

    „Angeschoben wird der Turnirkragen genannt, wenn er mit seiner oberen Seite am oberen Schildrande anstösst; dies muss gemeldet werden, da der Turnierkragen normalerweise schweben soll.“

    Curt Oswalt Edler von Querfurt (1872)
  4. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 194:

    „angeschoben (Qu 5) sagt man vom Turnierkragen, dessen Oberrand an dem des Schildes anstößt.“

    Siebmacher/Gritzner (1889)
  5. 5,0 5,1 Leonhard, Walter: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung, Bechtermünz-Verlag 2003. ISBN 3-8289-0768-7 S. 351
  6. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. ISBN 978-3-411-02149-9. S. 39
  7. Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo, hrsg. vom Herold - Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin. Bearb. von Jürgen Arndt und Werner Seeger, 2 Bde, 2. ergänzte u. berichtigte Aufl., Neustadt a. d. Aisch 1990-1996 (kurz: WBO). Bd. 1.: Wappenbilder; Bd. 2: General-Index.
    Editorische Notiz: Zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner (Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890). Band II. S. 25
  8. Seite „Angeschoben“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. Juli 2016, 19:33 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Angeschoben&oldid=156058999 (Abgerufen: 31. August 2016, 20:51 UTC)
  9. Blason: „In einem roten Zinnenschildhaupt zu drei Zinnen, deren äußere aus dem Schildrand hervorgehen, ein silbernes Sensenblatt, unter dem Schildhaupt im wellenschnittartig von silber und grün schräg geteilten Schilde oben und unten in verwechselten Farben je einen aus der Wellenteilung ausgezogenen Buchenzweig zu drei Blättern.“