Bretagne
48.122-2.769Koordinaten: 48° 7′ 19,2″ N, 2° 46′ 8,4″ W
Bretagne | |
---|---|
Basisdaten | |
Präfektur | Rennes |
Präsident des Regionalrats | Jean-Yves Le Drian (PS) |
Bevölkerung | 3.120.288 (2007) |
Bevölkerungsdichte | 114,7 Einwohner je km² |
Fläche | 27.208 km² |
Départements | 4 |
Arrondissements | 15 |
Kantone | 201 |
Gemeinden | 1,270 |
ISO-3166-2-Code | FR-E |
Die Bretagne [bʀəˈtaɲ] (bretonisch Breizh [brɛjs], deutsch veraltet auch Kleinbritannien) ist eine westfranzösische Region. Es umfasst die Départements Côtes-d’Armor (bret. Aodoù-an-Arvor), Finistère (bret. Penn-ar-Bed), Ille-et-Vilaine (bret. Il-ha-Gwilen) und Morbihan (bret. Mor-bihan) und historisch auch Loire-Atlantique (bret. Liger-Atlantel). Die Hauptstädte der Bretagne sind Rennes (bret. Roazhon) und historisch Nantes (bret. Naoned). Die Gallier nannten dieses Land Aremorica (bret. Arvorig), was so viel bedeutet wie „Land am Meer“. Die Einwohner der Bretagne heißen Bretonen.
Geographie
Geologisch ist die Bretagne ein Teil des armorikanischen Gebirges, das im Karbon aufgefaltet wurde. Die Bretagne ist eine große Halbinsel, die den westlichsten Ausläufer des europäischen Festlands nördlich der iberischen Halbinsel darstellt. Ihre Nordküste grenzt an den Ärmelkanal (bret. 'Mor Breizh'), die Süd- und Westküste an den Atlantik (bret. 'Meurvor Atlantel'). Armor ist die bretonische Bezeichnung für Meer, doch damit ist nicht allein die Küste gemeint, sondern auch die Inseln, die amphibische Zone des Watts und der breite Küstenstreifen. Als Argoat wird von den Bretonen das Waldland der Bretagne bezeichnet.
Die Landmasse der Bretagne ruht in weiten Teilen auf sehr altem und hartem Gestein. Die Bretagne besitzt eine sehr zerklüftete Küstenlinie, die – besonders im Westen – über weite Strecken als Steilküste ausgebildet ist. Am Cap Fréhel, nahe der alten Festung Fort la Latte, ragen die Granitklippen über 70 Meter aus dem Atlantik heraus. Andernorts stellt sich die Landschaft eher als hügelig dar; besonders steile oder hohe Berge sucht man vergebens. Die höchste Erhebung ist der Roc'h Trévézel (384 Meter) im Höhenzug der Monts d'Arrée (bret. Menez Are).
Im Neolithikum war die Bretagne überwiegend von Wald bedeckt. Überreste dieses riesigen Waldgebietes findet man zwischen dem früheren Forêt de Scissy in der Nähe des Mont-Saint-Michel (bret. Menez Mikael) und der Brocéliande (bret. Brekilien, heute Paimpont westlich der Stadt Rennes). Ein weiteres bekanntes Waldgebiet befindet sich bei Huelgoat im Finistère. Das ursprüngliche Landschaftsbild im Innern ist seit den mittelalterlichen Rodungen stark verändert worden. Es ist inzwischen weitgehend einer industrialisierten Landwirtschaft gewichen. So finden sich im Inneren der Bretagne nur noch wenige größere Buchen- und Eichenwälder. Die Landschaft wird heute von Äckern und Grünland beherrscht, welches durch die unzähligen Hecken (bocage) und Steinmauern schachbrettartig aufgeteilt wird.
In der Bretagne liegt bei den Koordinaten 47° 13′ N, 1° 32′ W47.216666666667-1.5333333333333 nahe der Stadt Nantes das Zentrum der Landhemisphäre, also jene Halbkugel (Hemisphäre) des Erdglobus, die (rechnerisch ermittelt) den größten Festlandanteil aufweist.
Klima
Entsprechend ihrer atlantiknahen Lage am Westrand des europäischen Festlandes und im Einflussbereich des Golfstroms hat die Bretagne ein ausgesprochen ozeanisches Klima mit relativ milden Temperaturen, die im Jahresmittel zwischen 9 und 12 °C liegen. Schnee und Frost treten nur selten auf, die Sommer sind mäßig warm mit jährlich über 2.000 Sonnenscheinstunden.
Den Wetterverlauf prägt ein rascher Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten, die vom Atlantik heranziehen. Die vorherrschenden Westwinde erreichen vor allem im Winter nicht selten Sturmstärke. Regenschauer und starke Winde können sehr kurzfristig auftreten, sind jedoch meist nur von kurzer Dauer. Mit durchschnittlich zwischen 700 und 800 mm pro Jahr sind die Niederschlagsmengen relativ gering; während die Regenfälle in den Küstengebieten geringer ausfallen, ist das Landesinnere feuchter.
Deutlich spürbar ist der Einfluss der starken Gezeiten auf den Wetterverlauf, aber auch den Jodgehalt der Luft, der in der Bretagne sehr hohe Werte erreicht. Die starken Winde bedingen zudem einen geringen Schadstoffgehalt der Luft.
Geschichte
Die Bretagne war bereits im Paläolithikum besiedelt. Während die Menschen bis ins Mesolithikum von der Jagd, vom Fischfang und vom Sammeln lebten, waren sie ab 5000 v. Chr. sesshaft und betrieben im Neolithikum Viehhaltung und Ackerbau. In dieser Zeit entstanden auch die Megalithanlagen. Die meisten (Dolmen, Tumuli und Menhire) wurden zwischen 4500 und 2000 v. Chr. errichtet beziehungsweise genutzt. Aus der anschließenden Frühbronzezeit belegen reiche Grabfunde (Dolchgräber der Serie I und II) Kontakte mit England (Wessex-Kultur), Dänemark und Süddeutschland (Singen). In der Bronzezeit war die Bretagne wegen ihrer Metallvorkommen wichtig, wie zahlreiche reiche Hortfunde belegen. Um 800 v. Chr. beginnt die Eisenzeit.
Die Kelten nannten die Bretagne Aremorica beziehungsweise Armorica, „Land am Meer“. Im 2. Jahrhundert v. Chr. lebten auf der bretonischen Halbinsel fünf keltische Stämme: die Veneter im Süden, die Osimier im Nordwesten, die Redoner im Osten, die Coriosoliter im Norden und schließlich die Namneten im Südosten. Sie bildeten keine Einheit, sondern waren zerstritten. Der mächtigste Stamm unter ihnen waren die Veneter, die im 1. Jahrhundert v. Chr. alle anderen Stämme beherrschten. Sie standen an der Spitze des Bundes aller bretonischen Stämme, die den Römern ab 58 v. Chr. Widerstand leisteten.
Im Jahr 56 v. Chr. besiegte Caesar mit seinen Legionen nahezu die gesamte venetische Flotte in einer verheerenden Seeschlacht. Die Romanisierung der Bretagne begann unmittelbar nach der Eroberung. Beendet war sie jedoch erst gegen Ende der Spätantike. Zu diesem Zeitpunkt war auch die keltische Sprache vermutlich fast vollständig verschwunden.
Bretonische Einwanderung
Zu Anfang des 5. Jahrhunderts, unter Kaiser Honorius, bildeten die aremoricanischen Häuptlinge und Städte zum Schutz gegen die Germanen einen Bund, der bis zur Eroberung des Landes durch den Frankenkönig Chlodwig I. um 500 bestand. Ab etwa 450 n. Chr., nach dem Niedergang des Römischen Reiches, wanderten christianisierte Waliser auf die bretonische Halbinsel ein. Gleichzeitig dehnten sich die Siedlungsgebiete der heidnischen Sachsen, Angeln und Jüten auf der britischen Hauptinsel immer weiter aus. So setzten etwa zwei Jahrhunderte lang in unregelmäßigen Abständen sogenannte Inselkelten in die Bretagne über. Sie besiedelten und christianisierten Aremorica und brachten ihre Sprache in das bereits lange romanisierte Gallien. Das Bretonische geht also nicht auf die zu Caesars Zeiten in der Bretagne gesprochene keltische Sprache zurück. Im Zuge der Stärkung der keltischen Sprache und Kultur wurden die Gallorömer immer weiter zurückgedrängt, bis sie die Vorherrschaft um 580 endgültig verloren.
Königreich, Karolinger, Herzogtum Bretagne
Um 600 gründeten die Bretonen nach Machtkämpfen ein Königreich, das 200 Jahre Bestand hatte und erst 799 durch den fränkischen Herrscher Karl den Großen zerschlagen wurde.
845 besiegte der bretonische Graf Nominoë den westfränkischen König Karl den Kahlen in der Schlacht von Ballon und machte aus der Bretagne ein vom Papst anerkanntes unabhängiges Reich, dessen Herrscher er wurde.
Aber es kam wie schon Jahrhunderte zuvor zu Streitigkeiten zwischen den einzelnen Gebieten. So endete die Zeit des Königtums in der Bretagne um die Jahrtausendwende, gefolgt von der Etablierung unzähliger kleinerer Herzogtümer, die ständig um das Land stritten.
Das Gebiet des bis ins 15. Jahrhundert eigenständigen Herzogtums Bretagne dehnte sich im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen mit Normannen und Franzosen mal mehr, mal weniger weit aus. Zum Kerngebiet der historischen Bretagne zählt neben den obengenannten vier Départements seit 851 auch das heutige Département Loire-Atlantique (bret. Liger-Atlantel).
Siehe auch: Herrscherliste Bretagne
Mittelalter und Französische Feudalzeit
Schließlich konnten die Herzogtümer den Bedrohungen ihrer Nachbarn nicht standhalten und riefen fremde Länder um Hilfe an. Diese waren Frankreich und England, die in folgenden Jahren ihre Herrschaftsansprüche auf die Bretagne geltend machen wollten und auch in den Bretonischen Erbfolgekrieg verwickelt waren, der Mitte des 14. Jahrhunderts für 20 Jahre tobte. Hierbei gelang es Englands Favoriten Jean de Montfort, die Herrschaft zu erringen und sich als Herzog der Bretagne durchzusetzen. Es folgten Jahre der Blüte und des Wachstums, bis Herzog Franz II. Ende des 15. Jahrhunderts zu einer Schlacht gegen die Franzosen zog und kläglich verlor (1488, St. Aubin du Cormier, Ostbretagne). Anne de Bretagne (1477-1514), die Tochter Herzog Franz II., war die letzte unabhängige Herrscherin der Bretagne. Sie heiratete nacheinander zwei französische Könige: Karl VIII. im Jahr 1490, und dessen Thronfolger Ludwig XII. 1499 (Ludwig XII. war nicht Sohn seines Amtsvorgängers). Um die Thronfolge zu gewährleisten und diesbezüglich keinerlei Streitigkeiten zu provozieren, gebar die noch junge Anne bereits in frühen Jahren ihre ersten Kinder (insgesamt 11), von denen jedoch nur drei älter als drei Jahre wurden. Ihre Tochter, Claude de France, heiratete Franz I.. Dieser proklamierte auf einer Ständeversammlung in der südbretonischen Stadt Vannes 1532 die offizielle „Angliederung“ an das französische Königreich. Bis heute fühlen sich viele Bretonen durch den französischen Staat „besetzt“, was sich z. B. in der Sprengung des Vereinigungsdenkmals in Rennes (bret. Roazhon) im Jahr 1932 manifestierte.
Die Neuzeit
Als Provinz Frankreichs bekam die Bretagne das Recht auf eine eigene Ständeversammlung. Dieses Parlament, das in Rennes zusammentrat, blieb bis zur Französischen Revolution bestehen.
Die Jahre nach der Annexion waren von hohem Wohlstand und Blüte gekennzeichnet. Dieses traf vor allem auf die Küstenstädte zu, wogegen das Hinterland weiter von Armut und Rückständigkeit gekennzeichnet war.
Ab etwa 1700 entwickelte sich allmählich das Neubretonische, was im Wesentlichen der wissenschaftlichen Erforschung der Sprache zu verdanken war. War es in vergangenen Zeiten der Fremdherrschaft schon schwierig gewesen, die bretonische Sprache und Kultur zu erhalten, so spitzte sich alles nach der Französischen Revolution zu. Hatten die Bretonen erst große Hoffnungen damit verbunden, zeigten sich die neuen Herrscher nun als erneute Unterdrücker, indem sie die bretonische Sprache und die freie Religionsausübung der dort lebenden Katholiken verboten. Doch die Sprache und Kultur blieb erhalten, getragen von der Mehrheit der Bevölkerung und Gruppen von Unabhängigkeitskämpfern.
Aus Furcht, das Französische könne schlechten Einfluss auf das Bretonische haben, wurde 1898 die „Union Régionaliste Bretonne“ gegründet, welche das Ziel hatte, den Gedanken einer unabhängigen Bretagne populär zu machen. Dazu kam die 1911 gegründete „Fédération Régionaliste de Bretagne“, welche sich für die Autonomie der Bretagne einsetzte und die Zeitung „Breiz Dishual“ (Freie Bretagne) herausbrachte. Beide Gesellschaften mussten jedoch ihre Aktivitäten in den Wirren des Ersten Weltkrieges einstellen.
Der Erste Weltkrieg
Im Ersten Weltkrieg zahlten die Bretonen einen hohen Blutzoll an Menschen. Etwa 10 % der Gesamtbevölkerung, also etwa 240.000 Soldaten, kamen ums Leben, das war jeder vierte Bretone, der in den Krieg gezogen war. Im Vergleich dazu verlor nur jeder achte französische Soldat sein Leben. Einer der Gründe für die hohen Verluste auf Seiten der Bretonen war ihr Einsatz an vorderster Front. Der französischen Sprache kaum mächtig, konnte es vorkommen, dass sie von ihren französischen Landsleuten erschossen wurden, da diese sie für Spione hielten.
Die Zwischenkriegszeit
Bedingt durch die hohen Verluste durch den Krieg wurden die Bretonen um so mehr angestachelt, auf ihre Unabhängigkeit zu drängen. Die rechten Intellektuellen gründeten die Zeitung Breiz Atao (Bretagne für immer), die für eine freie Bretagne in einem Europa ohne Grenzen eintrat, während die extremeren Kreise 1934 die „Nationalistische Bretonische Partei“ (PNB) gründeten, die sich in den folgenden Jahren immer mehr faschistischem Gedankengut annäherte und die Untergrundorganisation Gwen ha du (Weiß und Schwarz), benannt nach der bretonischen Flagge, ins Leben rief. Letztere versuchten ihre Bestrebungen mit Waffengewalt durchzusetzen.
Der Zweite Weltkrieg
Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1930er Jahre brach der Zweite Weltkrieg aus. Nachdem die Bretagne fast kampflos an die deutschen Truppen gefallen war, bauten diese die Küsten zu wahren Festungen aus, die dann Ziel der alliierten Bombardierungen wurden. Dabei wurden die meisten Küstenstädte weitestgehend zerstört.
Trotz vieler Kriegsopfer sahen einige Bretonen in der Zusammenarbeit mit den Deutschen den Weg in die gewünschte staatliche Unabhängigkeit. Mitglieder der „Nationalistischen Bretonischen Partei“ (P. N. B.) wirkten mit und einige Bretonen (zirka 40) trugen die Uniform der Waffen-SS unter dem Namen „Bezenn Perrot“.
1941 wurde das Département Loire-Atlantique (bret. Liger-Atlantel) mit der Hauptstadt Nantes (bret. Naoned) von der Vichy-Regierung willkürlich ohne Volksabstimmung und ohne Zustimmung der örtlichen politischen Vertreter vom Rest der Bretagne abgetrennt. Diese Trennung wurde bis heute nicht rückgängig gemacht, wobei die letzten Umfragen klar einen Wiedervereinigungswillen der Bretonen von Loire-Atlantique ergeben haben.
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten die als Kollaborateure verhassten Regionalisten unter und es kam durch die liberalen Kräfte zu einer Wiederbelebung der bretonischen Sprache und Kultur. Dieses verstärkte sich noch, als Präsident Charles de Gaulle 1951 ein Komitee zur Förderung der Interessen der Bretagne einsetzte und die Kultur und Sprache förderte. Durch diese Unterstützung seitens der Regierung erlebte die Region einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung und die weitere Abwanderung der Bretonen wurde verhindert.
Durch diese Maßnahmen ist die Halbinsel zur bedeutendsten Agrarregion und nach der Côte d'Azur zur zweitwichtigsten Fremdenverkehrsregion geworden. 1978 kam es zu dem Tankerunglück der Amoco Cadiz an der Küste der Bretagne. 1999 sank der Tanker Erika südlich der Küste der Bretagne.
Mit der Einrichtung der Regionen 1960 entstand die Region Bretagne in den derzeitigen Grenzen. 1972 erhielt die Region den Status eines Établissements public unter Leitung eines Regionalpräfekten. Durch die Dezentralisierungsgesetze von 1982 erhielten die Regionen den Status von Collectivités territoriales (Gebietskörperschaften), wie ihn bis dahin nur die Gemeinden und die Départements besessen hatten. Im Jahre 1986 wurden die Regionalräte erstmals direkt gewählt. Seitdem wurden die Befugnisse der Region gegenüber der Zentralregierung in Paris schrittweise erweitert.
Bevölkerung, Sprache und Kultur
In der Bevölkerung der Bretagne mischen sich keltische Einwanderer aus Südwestengland mit von Norden und Osten vorgedrungenen Normannen und Franzosen.
Sprache
Mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Frankreich des späten 19. Jahrhunderts wurden alle „Minderheitensprachen“ unterdrückt. An den Schulen war es streng verboten, Bretonisch zu sprechen. Schüler, die gegen diese Vorschrift verstießen, mussten als Zeichen der Schande ein Hufeisen um den Hals tragen und durften es erst ablegen, wenn sie einen anderen Mitschüler verrieten, der das verbotene Bretonisch sprach. Nach einer kurzen Phase der (unter dem Eindruck der Schwäche des besetzten Frankreich erzwungenen) Duldung in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts und einer darauf folgenden Zeit erneuter Repression (unter Kollaborationsvorwurf) wird die bretonische Sprache mittlerweile vom französischen Staat geduldet, wenn auch nicht gefördert. Erst 1951 hob der Staat das Verbot der regionalen Sprachen auf, das Bretonische bleibt aber immer noch offiziell nicht anerkannt. Bis zur Einführung allgemeinen Unterrichts sollten noch Jahre vergehen. So wurden 1967 150.000 Unterschriften gesammelt, um für den Unterricht der bretonischen Sprache an Schulen zu demonstrieren. Seit den siebziger Jahren wird in den von einem Verein getragenen Diwan-Schulen Unterricht auf Bretonisch erteilt – mit Französisch als zweiter Schriftsprache ab dem zweiten Schuljahr. Nun besteht die Möglichkeit, Bretonisch im Abitur zu wählen, später auch in den unteren Klassen. Waren es am Anfang nur wenige Schüler, so lernen heute bereits zirka 3.000 Schüler Bretonisch durch Immersionsunterricht. In staatlichen Schulen (Elternverband Div Yezh) können einige tausend Schüler einem Teil ihres Unterrichts auf Bretonisch folgen. Kulturelle Gruppen, private Einrichtungen (Vereine Dihun und Diwan) oder Organisationen (Ofis ar Brezhoneg) fördern die Sprache. Daneben existiert noch an einzelnen Schulen die Möglichkeit, die Sprache als Freifach zu erlernen, was aufgrund von Einsparungen im Bildungssektor und vom schlechten Willen der französischen Regierung erschwert wird, da viele Posten nicht nachbesetzt werden.
Unter dem Eindruck des drohenden Aussterbens der Sprache hat der bretonische Regionalrat Ende 2004 beschlossen, das Bretonische zu fördern, soweit es mit seinen sehr begrenzten finanziellen und politischen Möglichkeiten machbar ist. An den Universitäten von Brest und Rennes wurden Lehrstühle für die bretonische und die keltischen Sprachen eingerichtet. Die Universitäten geben zudem noch vier Zeitschriften heraus: „Ar Vro“ (Das Land), „Hor Yezh“ (unsere Sprache), „Skol“ (Schule) und „Skrid“ (Essays).
Auch Bücher werden veröffentlicht, meistens in Auflagen von 1.500 bis 2.000 Stück. Wahre Bestseller sind hingegen das „Kan an Douar“ (Lieder der Erde) und das Bretonisch-Französische Wörterbuch, welche innerhalb von 10 Jahren 20.000 Mal verkauft worden sind. Mittlerweile gibt es bretonische Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsendungen (aber in sehr geringer Zahl im Vergleich mit Ländern wie Wales).
Gesprochen wird Bretonisch nur noch von maximal 250.000 der 2,3 Mio. Bretonen, und noch einmal so viele verstehen es. Im täglichen Gebrauch wird die Sprache von weitaus weniger Personen regelmäßig verwendet. Über zwei Drittel der Sprecher sind mittlerweile über 60 Jahre alt, der Anteil bei den Unter-15-Jährigen lag zum Zeitpunkt von F. Broudics Untersuchung 1992 deutlich unter 5 %. Die Mehrzahl der Sprecher sind Muttersprachler, allerdings verschiebt sich das Gewicht immer mehr in Richtung der vielleicht 30.000 Sprachaktivisten, die das Bretonische erst in der Schule oder später erlernt haben.
Religion
In der Bretagne sind die Menschen mehrheitlich katholisch. Der Einfluss der Kirche war bis zu Mitte der 50er auf die Gesellschaft enorm, besonders im bretonischsprachigen Westteil des Landes (Breiz-izel). Ein berühmter Spruch ist dafür der Beweis: „Ar brezoneg hag ar feiz zo breur ha c'hoar e Breiz“ („Bretonisch und der Glauben sind in der Bretagne Geschwister“). Jedoch wird heute dieser Einfluss immer kleiner und immer weniger Leute gehen sonntags zum Gottesdienst.
Kultur
Kulturell haben die vielfältigen Megalithmonumente nichts „Keltisches“ an sich, sondern stammen aus der Jungsteinzeit. Die Bezeichnungen für die verschiedenen Typen megalithischer Bauwerke im Deutschen sind pseudobretonisch (das heißt aus bretonischen Wurzeln auf nicht der bretonischen Grammatik entsprechende Weise zusammengesetzt): Dolmen etwa (aus bret. taol – Tisch, Tafel und maen – Stein). Die korrekte bretonische Bezeichnung lautet taol-vaen. Gleiches gilt für den Begriff Menhir (aus bret. maen – Stein und hir – lang), der im Bretonischen nicht existiert, wo stattdessen das Wort peulven verwendet wird.
Die bretonische Musikszene ist ausgesprochen lebendig. Wo in anderen Teilen der westlichen Welt Jugendliche in die Disco gehen, zieht es die jungen Bretonen noch heute zum Fest-noz („Nachtfest“), wo mit sowohl traditionellen – beispielsweise binioù kozh (Dudelsack), bombard (Bombarde) oder treujenn gaol (Klarinette) – als auch modernen Instrumenten zu überlieferten Volkstänzen aufgespielt wird. Auf Hochzeiten, Dorffesten und zu anderen freudigen Anlässen tanzen Jung und Alt. Trotz der musikalischen Verwandtschaft mit anderen keltischen Tänzen wie den Plinns, Jigs und Reels handelt es sich bei vielen bretonischen Varianten eher um Kettentänze, an denen alle Anwesenden teilnehmen können. Daneben gibt es eine Tradition rein vokaler Tanzmusik, die im Stil des Kan-ha-Diskan („Gesang und Gegengesang“) vorgetragen wird. In der bretonischen Vokalmusik ist außerdem das Genre der Gwerzioù (Klagelieder/Balladen/Moritaten) von großer Bedeutung. Bedeutende Interpreten sind Yann-Fañch Kemener, Annie Ebrel, Erik Marchand und Denez Prigent.
Kulturelle Gemeinsamkeiten mit den anderen keltischen Regionen zeigen sich außer in der Sprache auch auf anderen kulturellen Bereichen, etwa in der Literatur (worunter das große Feld der mündlichen Überlieferung fällt) und der Küche. In der mittelbretonischen Literatur haben sich Reste einer Versform namens kenganez erhalten, die dem walisischen cynghanedd stark ähneln und durch eine komplizierte Kombination von Stab-, Binnen- und Endreimen gekennzeichnet ist. Außerdem dürften die Motive der Artus-Literatur durch bretonische Vermittlung aus Großbritannien auf den europäischen Kontinent gelangt sein.
Die traditionelle bretonische Küche ist, so wie die der anderen keltischen Länder, trotz ihrer Vielfalt an Fischen und Meeresfrüchten primär das Produkt einer alten Viehzüchter- und Bauernkultur. Neben Fleisch spielten vor allem Milchprodukte wie gesalzene Butter und Buttermilch (die Käseproduktion blieb lange deutlich unterentwickelt), Getreidebreie (bret. yod), in Säckchen gekochter Sterz (bret. farz) und Crêpes (bret. krampouezh) Hauptrollen in der traditionellen Ernährung der ländlichen Bevölkerung.
Politik
Unter den Bretonen gibt es nicht erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts wieder bedeutsame Autonomiebestrebungen, die sich vor allem in den 1970er Jahren mitunter in Attentaten auf staatliche Einrichtungen manifestierten, die von der ARB (bret. ADB, Arme Dispac'hel Breizh - Bretonische revolutionäre Armee) begangen wurden, unter anderem ein Terroranschlag auf das Schloss Versailles. Auch in den 1990er Jahre wurden eine Reihe von Attentaten (in Cintegabelles, Stammsitz des damaligen Premiers Lionel Jospin sowie in Belfort, Stammsitz des damaligen Innenministers Jean-Pierre Chevenement) verübt. Als Zeichen ihres Wunsches nach Eigenständigkeit hat die Bretagne unter anderem eine inoffizielle Nationalhymne („Bro gozh ma zadoù“) und eine Fußballauswahlmannschaft.
Bei den Regionalwahlen von 2004 gewann das Linksbündnis (Liste «Bretagne à gauche, Bretagne pour tous») aus PS, PCF, PRG, Les Verts und Unvaniezh Demokratel Breizh im zweiten Wahlgang eine Mehrheit von 58,79 % der Stimmen und damit 58 der 83 Sitze im Regionalrat. Das Rechtsbündnis (Liste «L'union pour gagner») aus UMP und UDF erhielt mit 41,21 % der Stimmen 25 Sitze.
Siehe auch: Liste der Präsidenten des Regionalrates der Bretagne seit 1986; Parti Breton
Politische Gliederung
Die Region Bretagne untergliedert sich in 4 Départements.
Département | Präfektur | ISO 3166-2 | Arrondissements | Kantone | Gemeinden | Einwohner (Jahr) | Fläche (km²) |
Dichte (Einw./km²) | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Côtes-d’Armor | Saint-Brieuc | FR-22 | 4 | 52 | 373 |
|
6.878 | 83,8 | ||
Finistère | Quimper | FR-29 | 4 | 54 | 283 |
|
6.733 | 131,6 | ||
Ille-et-Vilaine | Rennes | FR-35 | 4 | 53 | 353 |
|
6.775 | 141,1 | ||
Morbihan | Vannes | FR-56 | 3 | 42 | 261 |
|
6.823 | 103 |
Wirtschaft
Wirtschaftlich gehört die Bretagne zu den strukturell schwächeren Landesteilen Frankreichs. Vorwiegend im Sommer profitiert sie stark vom Tourismus, der sich überwiegend an den Küsten abspielt. Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht die Region einen Index von 96.7 (EU-25:100) (2003).[1]
Die französische Regierung unternahm Ende des 20. Jahrhunderts verstärkte Anstrengungen, Industrieunternehmen die Ansiedlung in der Bretagne schmackhaft zu machen - was auch teilweise erfolgreich war. Dennoch ist die Landschaft – besonders im Binnenland – überwiegend agrarisch geprägt. Die Landschaft „Léon“ (bret. Bro Leon) im nördlichen Finistère ist bekannt für Gemüseanbau (Artischocken, Blumenkohl, Frühkartoffeln), in den Côtes-d’Armor überwiegen Schweinezucht, Putenmast und Milchviehhaltung.
Lange Zeit galt die Bretagne als Armenhaus Frankreichs. In den 1960er Jahren veranlassten die Unabhängigkeitsbestrebungen die Zentralregierung in Paris, in die Industrialisierung der Bretagne zu investieren. Durch diese hohen Investitionen konnten Tourismus, Fischerei, Landwirtschaft und Industrie zu einträglichen Industriezweigen werden.
Erschwerend kam allerdings die ungünstige Lage zu den großen Absatzmärkten hinzu, welches zusammen mit der niedrigen Kaufkraft der Region den Aufschwung erschwerte.
Als Küstenregion spielen auch der Fischfang und - speziell an der Nordküste - die Austernzucht für die Bretagne eine Rolle. In Cancale an der Nordküste werden die Austern auf 450 Hektar gezüchtet, im Golf von Morbihan an der Südküste auf 1500 Hektar. Dabei gelten gemeinhin diejenigen aus Cancale seit Jahrhunderten als die qualitativ und geschmacklich hochwertigsten Austern Frankreichs (überlieferte Transporte der Cancale-Auster bis nach Rom; Lieferprivileg für den französischen Königshof).
Energie
An der Ärmelkanalküste zwischen Saint-Malo (bret. Sant Maloù) und dem Mont-Saint-Michel (bret. Menez Mikael) herrscht ein enormer Tidenhub von 9 – 15 m (abhängig vom Gezeitenkoeffizienten). Dieser Gezeitenunterschied wird im 1967 fertig gestellten Gezeitenkraftwerk Rance in der Mündung der Rance, zwischen Dinard (Dinarzh) und Saint-Malo, zur Gewinnung von Strom genutzt. Dieses Kraftwerk besitzt ein Besucherzentrum, das interessante Einblicke in die Technik zur Erzeugung von Strom durch Gezeitenkraft liefert.
Weiterhin bietet sich das küstennahe Land mit seinen fast ständig wehenden Winden aus nordwest- und westlichen Richtungen zur Stromgewinnung durch Windenergie an. Erste Windparks an den Steilküsten produzierten 2002 bereits Strom, ein schneller weiterer Ausbau ist in Planung. In den letzten Jahren wurden auch auf den Hügeln im Landesinneren zahlreiche Windkraftwerke errichtet.
Ein atomarer Versuchsreaktor mit schwerem Wasser war von 1967 bis 1985 in Brennilis in Betrieb. Trotz der guten geografischen Voraussetzungen konnten die Bretonen jedoch durch vehemente Proteste den Bau von weiteren Kernkraftwerken in ihrer Region komplett verhindern. Der Reaktor von Brennilis, das älteste Kernkraftwerk Frankreichs, wird zur Zeit demontiert.
Verkehr
Die Verkehrswege folgen den Küstenlinien in Verbindung der Hafenstädte. Das schwach bevölkerte Zentrum der Bretagne (Kreiz-Breizh) ist, abgesehen von der Hauptstadt Rennes, nur durch Nationalstraßen erschlossen. Es gibt keine Autobahnen (somit keine Autobahngebühren), stattdessen vierspurige National-Straßen, auf denen die Geschwindigkeit auf 110 km/h begrenzt ist.
Die Fahrt mit dem TGV von Paris nach Rennes oder nach Nantes dauert 2h15, nach Quimper 4h15.
Es gibt mehrere Flughäfen wie Nantes-Atlantique (Naoned-Atlantel), Brest-Guipavas (Brest-Gwipavaz) oder Quimper (Kemper).
Literatur
- Marianne Berger: Sprachkontakt in der Bretagne. Sprachloyalität versus Sprachwechsel. Niemeyer, Tübingen 1988, ISBN 3-484-52220-8.
- Jochen Grasshäuser, Walter Schäffer: Bretagne. Müller, Erlangen 2004, ISBN 3-89953-160-4.
- Almut Rother: Bretagne. Das Land der Dolmen, Menhire und Kalvarienberge. Dumont, Köln 1995, ISBN 3-7701-3485-0.
- Meic Stephens: Minderheiten in Westeuropa. Matthiesen, Husum 1979, ISBN 3-7868-0801-5.
Weblinks
Linkkatalog zum Thema Bretagne bei curlie.org (ehemals DMOZ)
Quellen
- ↑ Eurostat News Release 63/2006: Regional GDP per inhabitant in the EU 25
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Quellenhinweis
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Bretagne“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 06. August 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.