Brustharnisch
Der Brustharnisch (auch Brustpanzer oder mißverständlich bzw. kurz Panzer, Harnisch, Brünne, Halsberc, Haubert oder ähnlich genannt; frz.: armure; engl.: armour) ist in der neueren Heraldik eine seltene gemeine Figur, die im frühen Wappenwesen nicht gebräuchlich ist.
„Brustharnisch: Bis in das 19. Jahrhundert zum Schutz des Oberkörpers getragener Eisenpanzer. Der Brustharnisch kommt hauptsächlich in der neueren Heraldik vor (..)“
Bedeutungsentwicklung des Ausdrucks „Harnisch“
Der mehrdeutige kurze Ausdruck „Harnisch“, der aus dem Romanischen in die deutsche Sprache eingedrungen ist und erst gegen das 13. Jahrhundert das einheimische geserwe „=Rüstung“ verdrängt[2], ist nur bedingt für die Beschreibung einer Wappenfigur geeignet. Seine Bedeutung schwankt im Laufe der Jahrhunderte. Wird er in einem Blason verwendet, kann unter Umständen unklar sein, welche Figur exakt gemeint ist:
Harnisch (Bedeutungswandel) | Beispiel | |
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Waffenschmiede mit Eisenzeug (eisernen Werkzeugen, Rüstungsteilen et cetera) | |
Ritter mit kompletter Ausrüstung | ||
Die den Körper bedeckende Rüstung (hier von Götz von Berlichingen) | ||
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WBO-Code 9612: Panzerhemd (Oberhausmuseum, Passau 15.-16. Jahrhundert) | |
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WBO-Code 9611: Brustharnisch |
Darstellung
Die Figur Brustharnisch ist gewöhnlich dem Bruststück eines Plattenpanzers beziehungsweise dem Brust- und Rückenstück desselben respektive einem Kürass nachempfunden. Teile wie Bauchreifen mit Beintaschen und Gesäßreifen oder Vorder-/Hinterflüge, die direkt in Verbindung mit dem Brustharnisch stehen, können im Rahmen der Gesamtharmonie eines Wappens die Figur hinzugefügt sein, sollten aber gemeldet werden, wenn sie wesentlich für ein Wappenbild sind; andere Rüstungsteile (Helm, Beinzeug, Panzerhandschuhe o. ä.), die nicht unmittelbar mit dem Brustharnisch verbunden sind, sollten in jedem Fall angezeigt werden, wenn sie in einem Wappen mit der Figur Brustharnisch zu einem gemeinsamen Motiv kombiniert sind. Beispielsweise zeigt die redende Figur im Wappen des Matthaeus Harnisch nach dem Flores Hesperidum von 1574 des Buchdruckers Christian Egenolff nicht nur einen Brustharnisch, sondern einen Harnisch bestehend aus Helm, Kehlstück, Halsberge, Bruststück, Oberarmschienen, Bauchreifen mit Beintaschen.
Die Figur Brustharnisch erscheint gewöhnlich „en face“ (in Frontalansicht); Drehungen beispielsweise ins Halb- oder Dreiviertelprofil wie im Wappen Harnisch sowie ein Brustharnisch im Profil sind unter Angabe der heraldischen Richtung zu melden. Alle heraldischen Farben sind bei der Darstellung eines Brustharnisch in Wappen gebräuchlich, Silber und Gold sind bevorzugt. Zuweilen sind Teile eines Brustharnisch farblich anders tingiert, was zu melden ist. Kleinere Verletzungen der heraldischen Farbregeln werden stillschweigend geduldet. Hefner und Gritzner führen als Referenzwappen, in dem ein Brustharnisch erscheint, das Wappen des hessischen Familie von Harnier an (in Rot ein silberner, halb rechtsgedrehter Brustharnisch)[4].
„Brustharnisch (Tafel XXV. Fig. 105.): kommt in einzelnen modernen Wappen vor (von Harnier in Hessen).“
Die Wappenbilderordnung des Herold (Verein) führt als Referenzwappen mit „Harnisch (Brustpanzer)“ das Wappen der Familie Panzer an (DWR, Nr. 5941/64, eingetragen am 23. März 1964).
Rechts: Brustharnisch mit durchgesteckten Schwert (Wappen von Hermanice/Hermsdorf, Okres Liberec, Tschechien)
1792, oben-hinten: Brustharnisch nach rechts ins Profil gedreht (Wappen Aschmjany)
Kürass mit Kürassierrock
Die moderne Wappenfigur „Kürass“ (Brust- und Rückenpanzer einer Küriss) ist von den Ausdrücken Kurässierrock, Kürassieruniform, Kurässierjacke oder ähnlich zu unterscheiden, da er sowohl ohne als auch mit diesen kombiniert im Wappen erscheinen kann. Die jeweilige Ausprägung ist ausführlich zu melden. Beispielsweise führen die von Bockelberg in einem Schwarz/Silber schräggevierten Schild einen Kürass mit einem ganzen Kürassierrock darunter sowie zwei silberne Pistolen im Schildfuß.
„Die in Preussen geadelte Familie von Bockelberg führt sogar einen ganzen Cürassier-Rock mit Brustharnisch (Tafel XXV. Fig. 106).“
Brustharnisch als Armatur
Bei einigen Wappen ist der Brustharnisch Teil der Armatur und erscheint beispielsweise neben, hinter oder unter einem Wappenschild.
„(Der Brustharnisch --Anmerkung der Redaktion) wurde auch als Bestandteil der besonderen im 18. Jahrhundert beliebten, hinter oder neben den Wappen befindlichen Armaturen (Waffen, Fahnen, Kanonenrohre, usw.) gern dargestellt.“
Brustharnisch/Harnisch als Nebenfigur
Der Brustharnisch erscheint in der Heraldik meist als Nebenfigur beziehungsweise als Schutzkleidung der Wappenfigur Ritter (siehe dort).
Wappenbilderordnung
- Der Brustharnisch wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) unter der Nr. 9611 aufgenommen.
Paraheraldik
Brustharnischfiguren sind in der Paraheraldik als Logos, Studentenwappen, Militärwappen oder ähnliches gebräuchlich. Beispielsweise erscheint in dem Wappen der spanischen Kavalleriekorpsinspektion (Inspección del Cuerpo de Caballería; ICAB), ein Brustharnisch.
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines Deutsches Adelslexikon. Band 1, Friedrich Voigt, Leipzig 1859, S. 500.
- Leopold von Zedlitz-Neukirch: Neues preußisches Adelslexicon oder genealogische und diplomatische Nachrichten von den in der preussischen Monarchie ansässigen oder zu derselben in Beziehung stehenden fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen und adeligen Häusern mit der Angabe ihrer Abstammung, ihres Besitzthums, ihres Wappens und der aus ihnen hervorgegangenen Civil- und Militärpersonen, Helden, Gelehrten und Künstler. Band 1, Gebrüder Reichenbach, Leipzig 1836, S. 263.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 79.ISBN 978-3-411-02149-9
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Lemma Harnisch. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 Götzinger, E.: Harnisch. Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885. S. 363-369.
- ↑ Otto Titan von Hefner:Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Teil 1, Heraldisches Institut, München 1863, S. 103 und Tabelle XXIII, Abb. 1023, 1024.
- ↑ 5,0 5,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 118