Wappenkönig
Ein Wappenkönig (auch „kunig der wapen“ genannt; seit dem 17. Jahrhundert belegte Übersetzung von französisch roi d'armes, das eine Verkürzung aus dem ursprünglichen roy des hérauts [d'armes] zu verstehen ist;[1] englisch king of arms; lateinisch rex armorum oder rex heraldorum)[2] war zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit ein Art „Zunft-/Amtsname“ für den „obersten“ Herold, der die Oberaufsicht über die Geschäfte der Herolde in seinem Einflussbereich ausübte und am Rande die Wappen seines heraldischen Amtsbereichs („Wappenmark“, „Wappenkönigreiche“, „Marches“) zur Wirkung brachte.[1]
Die ungeschützte Bezeichnung „Wappenkönig“ (oder ein adäquater, lokal-historischer Ausdruck) wird noch heute manchmal geführt, beispielsweise von dem Leiter einer Wappenbehörde oder von einem Mitglied eines heraldischen Vereins, wenn ihm diese Ehrung vom Verein zugesprochen wurde.
Aufgaben
Der Wappenkönig ist, wie alle Herolde, mit der Kenntnis und Führung von Wappenrollen beauftragt, das heißt, er hat Wappenführende anhand ihres Wappens zu identifizieren sowie die Ausgestaltung der Wappen seines Herren und dessen Familie gemäß den heraldischen Regeln durchzuführen.
In der Ämterhierarchie des Heroldswesens folgen unterhalb des Wappenkönigs gelegentlich noch ein oder mehrere Wappenmarschälle (französisch maréchal d'armes) sowie eine unterschiedliche Anzahl von einfachen Herolden und Persevanten (französisch poursuivants).
Bei mittelalterlichen Turnieren oblag es dem Wappenkönig, Herausforderungen an andere Turnierteilnehmer zu übermitteln. Dazu trug er den Tappert seines Herrn und überbrachte eine Herausforderung. Wurde diese angenommen, heftete sich der Wappenkönig ein Pergament auf die Schulter, das in einer stilisierten Darstellung die beiden Kontrahenten samt ihren jeweiligen Wappen zeigte sowie die Wappen der zuständigen Kampfrichter. Er fungierte damit als eine Art wandelnder Aushang zur Information über die sich begegnenden „Turnierchefs“.
Wappenkönige standen im Mittelalter in einem gewissen Ansehen; neben ihren zeremoniellen Aufgaben fungierten sie als Botschafter und sogar Richter. Ursprünglich mit der Kenntnis und Dokumentation der Adelswappen beauftragt, avancierte das Amt, dem Wappenkönige voranstanden, im Laufe der Zeit zu einer Institution, welche über die vielerorts exklusive Autorität der Zuerkennung und Zertifizierung von Wappen verfügte.
Geschichte
Ein Wappenkönig wurde nach Oswald von anderen Herolden gewählt respektive von seinem weltlichen Herrn ernannt:
„Die Einrichtung der Wappenkönige geht auf die mittelalterlichen Spielmannskönige zurück, die gemeinsam als Anführer der fahrenden Leute mit den Knappen von den Wappen, den späteren Herolden, eine große, einheitliche Zunft bildeten (..) Zur Wahl eines Wappenkönigs wurden alle erreichbaren Wappenkönige und Herolde zusammengerufen. Der Fürst setzte ihm eine Krone auf und verlieh ihm den neuen Amtsnamen. Verschiedene deutsche Einzelstaaten bildeten den Bezirk einen »Königreichs« der fahrenden Leute (Marches).“
Der Bedarf an „Wappenkönigen“ entwickelte sich in Europa nicht einheitlich; nach Oswald verliert sich ihre Spur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bereits im 15. Jahrhundert:
„Nach dem 15. Jahrhundert lassen sich im Römisch-Deutschen Reich keine Spuren dieser Einrichtung mehr nachweisen (..)“
Im anglophonen, skandinavischen oder romanischen Kulturbereich gibt es diese „Einrichtung“ dagegen teilweise bis heute.
Historische Wappenkönige
Fünf Wappenkönige der Ruwieren sind greifbar (nach 1501 gibt es keine Erwähnung eines Wappenkönigs der Ruwieren mehr):
- Jan van Steensel: urkundlich erwähnt 1362–1376, war ab 1362 Wappenkönig der Ruwieren, diente unter Albrecht I. von Bayern, Herzog von Bayern-Straubing sowie Graf von Holland, Seeland und Hennegau
- Claes Heinenzoon, genannt Gelre, * um 1345, † 1414, Wappenkönig von Geldern, Herold beim Herzog Wilhelm VI, um 1380–90, Verfasser des Armorial Gelre, später genannt Beyeren, Wappenkönig der Ruwieren, diente unter Herzog Albrecht I. von Bayern.
- N. N.: ein bislang namenloser Herold, urkundlich als Wappenkönig erwähnt, einmal als Herold von Louvain
- Heinrich von Heessel genannt Österreich (auch Hendrik [Reichard] van Heessel genannt): † 1470, österreichischer Herold, Wappenkönig der Ruwieren, urkundlich erwähnt 1433-1470, Wappenkönig zwischen 1440 und 1466, diente unter Kaiser Sigismund, Friedrich III. und Herzog Philipp der Gute von Burgund
- Hermann von Brüninghausen (Brunshoffen): urkundlich erwähnt 1461–1501, als Wappenkönig der Herzoge von Jülich, Wappenkönig der Ruwieren zwischen 1471 und 1501 aufgeführt; gilt manchen Autoren als Verfasser des Heroldbuchs des jülich-bergischen Hubertusordens
Ein Wappenkönig Ungarns ist:
- Johann Königsberg, genannt Ungarlant: Herold und ab 1412 Wappenkönig in Ungarn, ernannt durch Dietrich II. von Moers.
Gegenwart
Auch heute gibt es noch Wappenkönige, so z. B. im Vereinigten Königreich, wo sie eine wichtige Rolle im Rahmen der Krönungszeremonie spielen; ihre zeremonielle Bedeutung wird an dem Umstand deutlich, dass die drei Wappenkönige als einzige außer dem Monarchen Kronen tragen. Die Wappenkönige haben teilweise Ämter in Ritterorden, wie z. B. dem Hosenbandorden. Sie führen in solchen Fällen beispielsweise die Aufsicht über die Zeremonien bei Ordensfeierlichkeiten.
Im Vereinigten Königreich (außer Schottland) sind die Wappenkönige leitende Mitglieder des College of Arms. Sie vergeben weiterhin Wappen und haben Aufgaben bei Namensänderungen. Schottland hat mit dem Lord Lyon King of Arms seinen eigenen Wappenkönig, der auch richterliche Funktionen im Bereich der Heraldik hat.
England und Nordirland
- Garter Principal King of Arms: Thomas Woodcock
- Clarenceux King of Arms: Patric Dickinson
- Norroy and Ulster King of Arms: Henry Paston-Bedingfeld
Schottland
Galerie
Siehe auch
- Herold
- Oberheroldsamt (1706–1713)
- Heroldsamt (das Königlich Preußische Heroldsamt bestand von 1855 bis 1920.)
Weblinks
Literatur
- Lemma: Herold. In: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste in alphabetischer Folge. Hrsg.: J. E. Ersch; J. G. Gruber. Zweite Section. H-N. Hrsg.: G. Haffel; A. G. Hoffmann. Sechster Teil. Leipzig. 1829. S. 399 ff. (hier: S. 404)
- Liliane Funcken, Fred Funcken: Rüstungen und Kriegsgerät im Mittelalter. 8.–15. Jahrhundert. Ritter in Turnier und Schlacht, Raubzüge und Belagerungen, Sturm auf Burgen und Festungen. Mosaik-Verlag, München 1979, ISBN 3-570-06432-8.
- Donald Lindsay Galbreath, Léon Jéquier: Handbuch der Heraldik. Battenberg Verlag, Weltbild Verlag, Augsburg 1990, ISBN 3-89441-259-3, S. 56 ff. (französisch: Manuel du Blason. Lausanne, Lyon 1942. Übersetzt von Ottfried Neubecker).
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Torsten Hiltmann: Spätmittelalterliche Heroldskompendien. Referenzen adeliger Wissenskultur in Zeiten gesellschaftlichen Wandels (Frankreich und Burgund, 15. Jahrhundert). In: Deutsches Historisches Institut Paris (Hrsg.): Pariser Historische Studien. Band 92. Oldenbourg Verlag, München 2011, ISBN 978-3-486-59142-2, S. 26 ff. (513 S.).
- ↑ Lemma Wappenkönig. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ 3,0 3,1 Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 420 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Wappenkönig“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 31. Oktober 2018 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.