Heroldsamt



Ein Heroldsamt (auch Wappenkammer[1] oder Heroldie[2] genannt; englisch heraldic authority, heralds' office, Heralds' College oder College of Arms ‚heraldische Behörde, Wappenbehörde‘; französisch autorité héraldique, chambre héraldique oder office héraldique) ist in einem weiten Sinn eine offizielle Behörde oder Institution, die historisch in der Nachfolge der frühen Herolde, Hofpfalzgrafen, Wappenzensoren et cetera steht und die insbesondere für die Ordnung des Wappenwesens eines bestimmten Territoriums (Herrschafts-, Hoheits-, Staatsgebietes) zuständig ist (wobei zum Aufgabenbereich einer entsprechende Einrichtung auch Angelegenheiten des Standes-, Ranges-, Adels-, Titels-, der Genealogie, der Vexillologie, der Sphragistik, des Heroldswesens und ähnliches mehr gehören können).[3]
Im deutschsprachigen Wappenkulturraum ist die Bezeichnung nicht einheitlich definiert. Nach Kekule und Gert Oswald ist zumindest das Königliche Heroldsamt in Preußen eine „landesherrliche Hofbehörde“, die mit dem Wappenwesen betraut ist;[4][5] nach Heydenreich war das Königlich Preußische Heroldsamt aber beispielsweise ausdrücklich keine Hofbehörde, „sondern eine mit Ausführung von Staatgeschäften beauftragte Kronbehörde“.[6] Nach Pierer wiederum ist ein Heroldsamt weder eine Hof- noch eine Kronbehörde, sondern ein „Gericht“, also ein Organ der Rechtsprechung (Judikative), das „den Stammbaum, die Geschlechtsregister und Wappen des Adels prüft, um Mißbrauch damit zu verhüten, und vor dem die Ansprüche auf Lehen, Stiftsstellen und Orden ausgeführt werden müssen.“[2]
Begriffsgeschichte
Der Ausdruck „Heroldsamt“ ist ein Determinativkompositum aus den Substantiven
Herold und Amt mit dem Fugenelement
-s. Der Begriff ist ab dem frühen 18. Jahrhundert im Sinne einer „heraldischen Behörde“ gebräuchlich. Heydenreich
postuliert, dass der Name „Heroldsamt“ nach den Herolden genannt wurde, „welche die öffentlichen Turniere des Adels in früheren Zeiten überwachten“.[6] Der Ausdruck wird auch verwendet, um das „Amt eines Herolds“ zu bezeichnen. Beispielsweise übersetzt Karl Ernst Georges
lat. praecōnium mit „Heroldsamt“[7] – was von anderen Autoren mit Ausdrücken wie „Ausruferamt“, „Amt des öffentlichen Ausrufers“, „Heroldsdienst“, „öffentliche Bekanntmachung, Veröffentlichung“, „Verherrlichung, Lobpreisung“, „Verkündigung“, „kräftige Stimme“ oder ähnlichem ins Deutsche übertragen wird.
Überblick
Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele heraldische Behörden gegründet und wieder aufgelöst; einige existieren noch heute, insbesondere in Monarchien mit gesetzlich anerkanntem Adel.
Deutschland
Königreich Preußen

König Friedrich I. von Preußen gründete am 16. Januar 1706 im Königreich Preußen in Anlehnung an entsprechende Einrichtungen in England und Frankreich ein Oberheroldsamt (durch Verordnung vom 21. April 1706)
[5][8] Es war das erste Heroldsamt im Heiligen Römischen Reich, hatte seinen Sitz im damaligen Königlichen Kollegienhaus
an der Brüderstraße 1 in Berlin-Kölln
, bestand aber nur kurze Zeit. „König Friedrich Wilhelm I. hob es am 14. März 1713 gänzlich wieder auf.“[5] Eine Neugründung wurde durch König Friedrich Wilhelm IV. initiiert:
„Se. Majestät der König Friedrich Wilhelm IV. nahm (..) den Gedanken der Errichtung einer besonderen, wir die Hofstaatsbehörden außerhalb des verfassungsmäßigen Staatministeriums stehenden, unmittelbar und lediglich dem Könige untergeben Behörde für Adelsangelegenheiten wieder auf. Die Verhandlungen hierüber führten zunächst zu der Allerhöchsten Kabinetsorder vom 16. August 1854 (Gesetzsammlung 1854 S. 516), wodurch die Bearbeitung der Standessachen wiederum dem Minister des Königlichen Hauses unter Kontrasignatur derjenigen Königlichen Erlasse, welche das verfassungsmäßige Ressort der Ministerien des Innern und der Justiz berührten, durch diese Minister übertragen wurde, und sodann zu der Allerhöchsten Kabinetsorder vom 14. März 1855, wodurch (..) das (..) Königliche Heroldsamt ins Leben gerufen wurde. Die förmliche Einrichtung und Eröffnung des Heroldsamtes fand auf Allerhöchsten Befehl am 31. März 1855 durch den Minister des Königlichen Hauses von Massow im Lokale des Hausarchivs statt. Die Bureauräume des Heroldsamtes befanden sich jedoch nicht hier, sondern waren bis zum Jahre 1873 mit der Wohnung des Vorsitzenden, Grafen von Stillfried, vereinigt und wurden dann in das zweite Stockwerk des zum Geheimen Staatsarchive benutzten sogenannten hohen Hauses (Klosterstraße 76) verlegt. Seit Anfang Dezember 1883 ist das Amt in die bisherige Wohnung des verstorbenen Grafen von Stillfried im Erdgeschoß des Hausministeriums (Wilhelmstraße 73) übergesiedelt.“
Die Hauptaufgabe des Königlichen Heroldsamtes waren die Vorbereitung von Nobilitierungen sowie adelsrechtliche Fragen, vor allem Feststellungen zur Zugehörigkeit zum Adel. Dabei war umstritten, ob seine Entscheidungen für Gerichte bindend waren.[9] Daneben fiel auch die kommunale Heraldik, also die Vergabe von Stadtwappen in den Aufgabenbereich des Heroldsamts. Ferner entschied es über den Gebrauch der königlichen Wappen.
Das Königliche Heroldsamt wurde am 31. März 1920 endgültig aufgelöst. Seine Akten kamen 1920 an das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem
.
Königreich Bayern
Das eigene königlich-bayerische Heroldsamt, später Reichsheroldsamt, wurde „in einer Sektion des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten für die Reichsherolds-, Adels- und Wappengerichtsgeschäfte am 1. November 1808 errichtet“.[10][6] Seit 1809 wurde dort die bayerische Adelsmatrikel geführt. Nach Seyler und Heydenreich wurde das bayerische Reichsheroldsamt 1825 aufgelöst:
„Durch Königliche Verordnung vom 27. November 1825 wurde, »in Erwägung dass die Aufstellung eines besonderen Reichsherolden-Amts mit Kosten verbunden ist, welche füglich vermieden werden können« dasselbe mit dem 31. Dezember 1825 aufgelöst. Die Geschäfte des Amtes wurden dem Ministerium des Königlichen Hauses des Äußern unmittelbar übertragen und demselben Reichsherold zugeteilt.“
„Das 1808 geschaffene Königl. Bayer. Heroldsamt wurde durch Verordnung vom 27. Nov. 1825 wieder aufgelöst. Nur der Reichsherold ist bestehen geblieben, welcher zum Teil selbständig, zum Teil als Referent im Staatsministerium des Königl. Hauses des Äußeren die einschlagenden Geschäfte bearbeitet.“

Biewer und Henning kolportieren dagegen ganz falsch, dass ein bayerisches Reichsheroldsamt „bis 1920 bestand“.[12] Nach 1918 gelangte die bayerische Adelsmatrikel an das Bayerische Hauptstaatsarchiv in München.
Königreich Sachsen
Im Königreich Sachsen entstand 1902 der „Ausschuss für Adelssachen“ beim Innenministerium, der erst 1918 in das Heroldsamt umgewandelt wurde:
„Nr. 1. Verordnung, die Einrichtung eines Heroldsamts beim Ministerium der Innern betreffend; vom 7. Januar 1918.
Mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Königs wird zur weiteren Ausführung des Gesetzes, die Einrichtung eines Adelsbuches und die Führung des Adels und der Adelszeichen betreffend (Adelsgesetz), vom 19. September 1902 (..) folgendes verordnet:
§ 1. Zur Durchführung des Adelsgesetzes wird, vorbehaltlich der Vorschriften in §§ 9 flg. dieses Gesetzes, eine besondere Dienststelle errichtet, die die amtliche BezeichnungKönigliches Ministerium des Innern, Heroldsamt
führt.“
Seine Adelsmatrikel mit Akten und Bibliothek kam 1919 an die „Sächsische Stiftung für Familienforschung“ in Dresden.
Königreich Württemberg
Im Königreich Württemberg gehörten „die Standeserhöhungen zum Geschäftskreis des Ministeriums des Äußeren, die Prüfung der Berechtigung zur Führung eines Adelsprädikates dagegen zur Zuständigkeit des Ministeriums des Inneren“, welches auch für alle Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit der württembergischen Adelsmatrikel standen, zuständig war.[6] Im Königlich Württembergichen Staats- und Regierungsblatt vom 24. Januar 1818 ist beschrieben, wer in die Real-Matrikel (bzw. in die matrikelmäßigen Verzeichnisse des Adels) aufgenommen wurde. Eine besonderes, württembergisches Heroldsamt ist der Heraldik-Wiki-Redaktion nicht bekannt.
Allgemeines
Nach Gert Oswald trugen im deutschsprachigen Wappenkulturraum die Tätigkeiten der historischen Heroldsämter zum Verfall der Heraldik bei, „da die dort beschäftigten Beamten oft die nötige Qualifikation für diese komplizierte Materie nicht besaßen“.[4]
Mit der Abschaffung der Monarchie und der Standesvorrechte des Adels in Deutschland zwischen 1918 und 1920 wurden auch die deutschen Heroldsämter abgeschafft. Wappenregister werden heute von heraldischen Vereinen und von anderen Wappeninteressierten geführt.
Für Fragen rund um das nicht mehr gültige Adelsrecht hält sich der Verein Deutscher Adelsrechtsausschuß (kurz ARA) für qualifiziert; er hat jedoch keine Kompetenz zur gegenwärtigen Rechtsprechung oder Rechtsfeststellung, seine Entscheidungen sind namensrechtlich nicht relevant und seine Ansichten zur Zulässigkeit der Führung von Wappen besitzen ebenfalls keine rechtliche Relevanz.
Nach Ansicht der meisten Juristen ist das Wappenrecht in der heutigen Bundesrepublik Deutschland ein sogenanntes Jedermannsrecht - es steht jedem frei, ein heraldisch korrektes, originelles Wappen zu stiften, welches dann nach den Maßgaben des historischen Rechtes vererbt werden kann und einen ähnlichen gesetzlichen Schutz wie der Name erlangt.
Die kommunale Heraldik wird heute durch die betroffenen Körperschaften in der Regel selbstständig geregelt. Es kommt in Einzelfällen auch zu Verleihungen durch übergeordnete Körperschaften.
International
Insbesondere in den angloamerikanischen Ländern haben sich staatliche heraldische Behörden (Heraldic Authority) erhalten. Oft ist diesen eine Heraldische Gesellschaft (Heraldic Society) zur wissenschaftlichen Beratung beigeordnet. Der Name des englischen Heroldsamtes als „College of Arms“ wird synonym für die jeweilige Wappenbehörde des Landes gebraucht. Bemerkenswert ist, dass es in einigen Republiken (vor allem Irland und Südafrika) ein am monarchischen Vorbild orientiertes Wappenwesen gibt und es nach wie vor zu Verleihungen von Wappen an Körperschaften, Unternehmen, aber auch Privatpersonen kommt.
- College of Arms für England, Wales und Nordirland, auch Commonwealth
- Court of the Lord Lyon für Schottland
- Office of the Chief Herald of Ireland
für Irland
- Canadian Heraldic Authority
für Kanada
- Bureau of Heraldry
für Südafrika
- Hooge Raad van Adel für Belgien (adelige Familienwappen sowie Kommunalheraldik)
- Flaamse Heraldische Raad
für Flandern
Siehe auch
Webseiten
Literatur
- Robert Steimel: Kleine Geschichte des deutschen Adels. Steimel-Verlag, Köln-Zollstock 1959
- Harald von Kalm: Das Preußische Heroldsamt 1855-1920. Adelsbehörde und Adelsrecht in der preußischen Verfassungsentwicklung. (= Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte. Bd. 5) Duncker und Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-07965-5 (Zugleich: Bonn, Universität, Dissertation, 1993).
Einzelnachweise
- ↑
Lemma Wappenkammer. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de). Abgerufen: 16.04.2024. Originalausgabe: XIII. Band, Lfg 12.
wappen — warte
. Erscheinungsjahr: 1915.
„wappenkammer, f. behörde für das Wappenwesen ...“ - ↑ 2,0 2,1 Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 286. (Permanentlink)
- ↑ Heroldsamt, das. In: www.duden.de. 2024, abgerufen am 16. April 2024.
- ↑ 4,0 4,1 Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 196 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Stephan Kekule von Stradonitz: Rechte und Pflichten des Königlichen Heroldsamtes in Berlin. In: Die Woche. 6. Jahrgang, Nr. 50. Berlin, 10. Dezember 1904. S. 2202-2204. (Google)
- ↑ 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 Eduard Karl Heinrich Heydenreich
: Heroldsämter und verwandte Behörden. Rücksicht auf das sächsische Adelsgesetz vom 19. September 1902. In: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung (Google):
- Nr. 74. 26. Juni 1906. S. 293-296.
- Nr. 75. 28. Juni 1906. S. 297-299.
- Nr. 76. 30. Juni 1906. S. 301-303.
- ↑ Karl Ernst Georges
: Kleines deutsch-lateinisches Handwörterbuch. Hannover und Leipzig 1910 (Nachdruck Darmstadt 1999), Sp. 1278. (Permanentlink)
- „Heroldsamt, praeconium [eines Ausrufers)]“)
- ↑ 8,0 8,1 Zum 50jährigen Bestehen des Königlichen Herolds-Amtes. In: Wochenblatt des Johanniter-Ordens. Balley Brandenburg. (Google):
- Jahrgang 46. Nr. 11. Berlin, 15. März 1905. S. 64-65.
- Jahrgang 46. Nr. 12. Berlin, 22. März 1905. S. 69-70.
- ↑ Karl Strupp: Grenzen der Zuständigkeit des Königl. Preussischen Heroldsamtes . In: Archiv des öffentlichen Rechts Band 27, 1911, S. 76–100. JSTOR 44300767
- ↑ Karl Heinrich Ludwig Pölitz
: Handbuch der Geschichte der souveränen Staaten des Rheinbundes. Erster Band, enthält die Königreiche Bayern, Wirtemberg, Sachsen und Westphalen ... Leipzig, 1811. S. 203. (Google)
- ↑ Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 714
- ↑ Herold, Verein für Heraldik (Hrsg.): Wappen. Handbuch der Heraldik. Als „Wappenfibel“ begründet von Adolf Matthias Hildebrandt, zuletzt weitergeführt von Jürgen Arndt, bearbeitet von Ludwig Biewer und Eckart Henning. Aktualisierte und neugestaltete Auflage. 20. Auflage. Böhlau Verlag GmbH & Cie., Köln, Weimar, Wien 2017, ISBN 978-3-412-50372-7, S. 246 (deutsch: Wappenfibel.).
- ↑ Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen. Band 1918. In: digital.slub-dresden.de. SLUB Dresden, S. 1 ff., abgerufen am 18. April 2024 (Signatur: Hist.Sax.K.121-1918. urn:nbn:de:bsz:14-db-id20001531Z8).
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Heroldsamt“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 7. Mai 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.