Kaktus (Heraldik)
Der Kaktus (auch Cactus; französisch cactus; englisch cactus) ist in der neueren, hauptsächlich latein- und angloamerikanischen Heraldik eine seltene gemeine Figur; in der Früh- und Blütezeit des Wappenwesens beziehungsweise in der europäischgeprägten Wappenkultur ist die Darstellung eines Kakteengewächses (cactaceae) kein gebräuchliches heraldisches Motiv.
Darstellung
Die in Wappen dargestellten, heraldisch stilisierten Kaktusfiguren sind üblicherweise nicht einem bestimmten natürlichen Kakteengewächs (cactaceae) der etwa 100 bis 130 Gattungen und 1500 bis 1800 Kaktusarten nachgebildet. Vielmehr lehnt sich die Heraldik an das Idealbild eines Kakteengewächses an, wobei es auf tradierte Grundstilisierungen (baumähnlich, strauch-/buschähnlich, kleinwüchsig/kugelförmig, blattartig) zurückgreift, die in ähnlicher Weise bei anderen heraldischen Pflanzenfiguren zum Tragen kommen. Die genaue Ausprägung und Form einer Kakteen-Wappenfigur (Anzahl der Arme, Form des Stamms, Name einer speziellen Kakteenart, Zierung mit Blüten et cetera) sind in der Wappenbeschreibung zu ergänzen, wenn sie von heraldischer Bedeutung für ein Wappen oder für die Wappenführenden sind. Alle heraldischen Farben sind bei der Darstellung einer Kakteenfigur im Wappen gebräuchlich, Schwarz, Gold oder Grün sind bevorzugt.
Geschichte
Eine frühe Darstellung einer Kaktusfigur erscheint im Wappen Mexikos. Es zeigt, angelehnt an eine Legende der Azteken über die Gründung ihrer Stadt Tenochtitlan (der Name Tenōch ist gebildet aus te(tl) „Stein“ und nōch(tli) „Kaktusfeige“, das ist die Frucht von Opuntia vulgaris; heute Mexiko-Stadt), einen Adler auf einem Kaktus auf einem Felsen in einem See, der eine Schlange in den Krallen hält. Das Motiv lehnt sich an Werke der bildenden Kunst an und wurde im Laufe der Wappengeschichte mehrfach geändert (beispielsweise erscheint es zwischen 1821 und 1823 ohne Schlange). Auch die Kaktusform variiert im Wappen Mexikos je nach Zeitgeist und Wappenaufriss: Aus einem ursprünglich kräftigen „Kaktusbaum“ mit mehreren Armen wird sukzessive ein als Ansitz dienender „Kaktusast“ mit ein, zwei Armen.
1541–1542: Codex Mendoza
1546-1626: Adler auf Kaktus mit Vogel (Ramírez Codex)
ab 1968: Wappen Mexikos (so auch auf der Flagge)
Prinz von Mexiko (Sohn des Kaisers Agustín de Iturbide von Mexiko)
Kaktus (baumähnlich)
Die baumähnliche Kaktusfigur reduziert sich auf einen Stamm mit drei bis vier kandelaberartig gewachsenen Armen (ähnlich der Kakteenart Carnegiea gigantea).
Kandelaberkaktus (hier: Carnegiea gigantea)
El Quisco, Chile mit Kandelaberkaktus im linken oberen Feld
Wappen des Departamentos Zacapa, Guatemala
Putre, Chile
La Guajira, Kolumbien
Kaktus (strauch-/buschähnlich)
Eine frühe europäische Abbildung eines Kakteengewächses stammt aus dem Jahre 1535 aus dem Werk Historia General y Natural de las Indias, Islas y Tierra Firme del Mar Océano von Gonzalo Fernández de Oviedos. Eine entsprechende Pflanze (Opuntia ficus-indica) wurde auf Malta eingebürgert und wird dort traditionell zur Herstellung eines Likörs verwendet. Diese strauch-/buschähnliche Kakteenart war von 1975 bis 1988 Bestandteil des maltesischen Wappens.
1535: Frühe europäische Skizze eines strauch-/buschähnlichen Kaktus (nach Gonzalo Fernández de Oviedos)
Kaktus (kleinwüchsig, kugelförmig)
Beispiel für eine eher kleinwüchsige, kugelförmige Kakteenfigur in einem Wappen ist ein Motiv im Wappen der Turks- und Caicosinseln, welches an die Pflanze Melocactus intortus angelehnt ist.
Kaktus (blattartig)
Auch abgeflachte, blattähnliche Segmente (Platykladien), die rund, eiförmig, elliptisch, zylindrisch oder rhomboid geformt sind, erscheinen in Wappen. Diese Formen eignen sich beispielsweise, um ein Schild, Feld oder Bord zu belegen, zu besäen oder zu bestreuen.
Bord belegt mit Opuntienteilen (Mexiko-Stadt)
Symbolik
- In der deutschen Sprache besitzt der Ausdruck „Kaktus“ unter anderem die übertragene Bedeutung eines menschlichen Kothaufens (einen Kaktus drehen, in Anlehnung an „kacken“[1]; „spaßhaft wie Kacka -- pass op, du tretts an einen Kaktus“[2]).
Weblinks
Literatur
- Raina Zimmering: Der Revolutionsmythos in Mexiko (= Epistemata Literaturwissenschaft. Band 534). Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 978-3-8260-3009-3, S. 108.