Zwillingspfahl

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Zwillingspfahl
alternative Beschreibung
Siebmacher Zwillingspfahl.jpg
faktisch
(Museo de la Semana Santa MarineraCoat of Arms of Spain klein.png)
in der Heraldik
(in Blau ein silberner Zwillingspfahl; nach Maximilian Gritzner, 1889)

Der Ausdruck Zwillingspfahl (auch Zwillings-Pfal, Zwillingspfal, Streifzwilling, Zwillingsstreif, Zwillingpfahlstreifen und anderes mehr genannt; lateinisch palus geminatus; französisch jumelle[s] en pal, pal gemelé oder pal fendu; englisch pale, gemelles oder pale gemel; italienisch gemellato; niederländisch tweelings-paal; lettisch dvīņu pālis) bezeichnet in der Heraldik ein Heroldsbild, das in der heraldischen Literatur nicht überall gleich bestimmt beziehungsweise nicht wohldefiniert ist. Gebräuchliche zeitgenössische Bestimmungen sind:

  • „Sind (zwei Pfähle) einander wesentlich näher als ihr Abstand zum Schildrand entspricht, handelt es sich um Zwillings-(..)Pfähle (..)“[1]
    -- Bernhard Peter (2006)
  • „(..) Zwei schmale Pfähle, die parallel verlaufen“[2]
    -- Wappenglossar, Bayerisches Staatsministerium (2018)

Darstellung

Konstruktion

Ein Heroldsbild wie der sogenannte „Zwillingspfahl“ wird in der neueren Heraldik – von untypischen Ausnahmen abgesehen – auf Basis von zwei parallel verlaufenden, zusammengeschobenen schmalen Pfählen (oder Stäben oder Fadenpfählen) entworfen, wobei die beiden Einzelelemente inklusive des Abstands zwischen ihnen die „normale“ Breite eines Pfahls (Stabs, Fadenpfahls) besitzen (also insgesamt etwa 27 bis 13 beziehungsweise 17 bis 16 oder weniger der Schildbreite). Bei dem paarigen Heroldsbild ist der mittlere Teil bzw. der Zwischenraum zwischen zusammengestellten Einzelelementen im Normalfall nicht mit einer besonderen heraldischen Farbe gefüllt, sondern weist die Tinktur des Schildes/Feldes auf. Sofern der Zwischenraum eine andere heraldische Farbe aufweist (bzw. „gefüllt ist“), ist dies in der Wappenbeschreibung ausdrücklich zu melden.

Äquivalenz der historischer Zwillingspfahldarstellungen

In der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens erscheint der „Zwillingspfahl“ in vielen Abweichungen und innerhalb einer gewissen Variationsbreite, teils den Schild oder einen Platz in fünf idealharmonische (regelmäßige) senkrechte Abschnitte spaltend, teils in subharmonische Teilflächen, wo manche enger zusammengeschoben, breiter, höher, schmaler als andere sind. Allgemein ordnen sich damals die Gestaltung und Abmessungen des Heroldbilds den zur Verfügung stehenden räumlichen Gegebenheiten beziehungsweise einer Gesamtharmonie unter. Die genaue Ausgestaltung hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel davon, was mit dem Motiv versehen wird (Schild, Helm, Waffenrock, Pferdedecke, Siegel, Münze, Papier/Urkunde, Epitaph, Schmuck et cetera) und in welchem Gestaltungskontext beziehungweise welcher Gesamtkomposition das Wappen erscheint.

Die folgenden Schildbilder und andere sind nach dem frühen Wappenwesen äquivalent; erst in der neueren Heraldik werden sie als unterschiedliche Heroldsbilder, teilweise mit unterschiedlichen Bezeichnungen, bestimmt:

Im frühen Wappenwesen: Äquivalente Schildbilder (Auswahl) ... Timeline (656040) - The Noun Project.svg ...
 
Variante A
Zwei Pfähle
(nach Bernhard Peter, 2006)
[1]
 
Variante B
Zwillingsstab
(nach Walter Leonhard, 1978/2000)
[3]
 
Variante C

Zwillings-Pfal

(nach Maximilian Gritzner, 1889)
 
Variante D

Zwillingspfahl

(nach Bernhard Peter, 2006)
[1]
 
Variante E
Mit Stab belegter Pfal (nach Maximilian Gritzner, 1889)
 
Variante F

Zwillingspfahl

(nach Artis Buks, 2017)
[4]
... Timeline (656040) - The Noun Project.svg ... in der neueren Heraldik: Unterschiedlich bezeichnete Heroldsbilder

Mehrere Zwillingspfähle

Erscheinen mehrere Zwillingspfähle in einem Wappen, so verringern sich im Sinne der Gesamtharomie des jeweiligen Wappens die Breiten der einzelnen „Pfähle“ und des jeweils dazugehörgen Zwischenraums, wobei zu beachten ist, dass alle Zwillingspfähle als solche erkennbar bleiben sollten. Beispielsweise erscheinen im Wappen von Saint-JulienW-Logo.png in Rot drei silberne Zwillingspfähle (de gueules à trois jumelles en pal d'argent), wobei die einzelnen Elemente quasi zu „Pfahlleisten“ („Stäben“, „Ruten“, „Strichen“) verjüngt sind.

Verjüngungen bis zu einer Breite von 112 bis 114 des Schildes oder noch schmaler kommen vor. Zum Beispiel erscheinen im Wappen von ModaneW-Logo.png unter anderem deux jumelles d'or bzw. ‚zwei goldene Zwillinge‘[5], die man in der deutschsprachigen Heraldik – wenn überhaupt – andeutungsweise als „Pfahlfäden/Pfahlstriche“ oder als „Zwillungspfahlfäden“ beschreiben könnte (Breite kleiner als 114 des Schildes). Wenn jedoch aufgrund von übertriebener Schmalheit bzw. aufgrund eingeschränkter Breite die Erkennbarkeit der charakteristischen Zwillingssymmetrie solcher Herolsbilder beeinträchtigt wird oder sogar verloren geht, wird dies einerseits im Sinne der Heraldik als unerwünscht andererseits als unheraldisch betrachtet.

Begriffsgeschichte

alternative Beschreibung
Zwei rote Pfähle – werden von Siebmacher und Lucae „Balken“ (?) genannt (Wappen derer von Stibitz)[6]

Den dargestellten Schildbildern stehen in der deutschsprachigen Heraldik bis heute eine Unzahl an unterschiedlichen Fachausdrücken gegenüber, mit denen sie von Wappenkennern beschrieben wurden und werden. Die initialen terminologischen Verwirrungen in der Heraldik sind darauf zurückzuführen, dass spezifische heraldische Termini wie „Pfahl“ und Ausdrucksbestandteile wie „Zwilling/s-[..]“ und ähnliche ursprünglich nicht allgemein eingeführt, präzise definiert und verstanden wurden oder gänzlich fehlen. Beispielsweise beschreiben Siebmacher und LucaeW-Logo.png 1605 bzw. 1689 das Motiv der Variante A, welches im Wappen der aus Schlesien und der Oberlausitz stammenden uradligen Familie von Stibitz[6] erscheint, nicht wie es heute üblich ist mit dem Ausdruck „zwei rote Pfähle“, sondern berichten von „zwei roten Bal(c)ken“ (sie verwenden also eine Bezeichnung, die in der neueren heraldischen Terminologie ausdrücklich nicht senkrechten, sondern waagerechten Heroldsbildern vorbehalten ist).[7][8]

Von jumelle(s) und gemelle(s) zum „Zwillingspfahl“

Beeinflusst von Ménestrier und der französischen Heraldik führen ca. seit dem 17. Jahrhundert mehrere heraldische Autoren die französischen Termini jumelle(s) und gemelle(s) (deutsch ‚Zwilling[e]; in den Wörterbüchern des 18. Jhr. auch übersetzt mit: ‚doppelt‘)[9] für spezifische heraldische Motive in die deutsche heraldische Kunstsprache ein. In einem weiten Sinn werden mit diesen Ausdrücken zwei gleich tingierte und gleichgeformte, eher „schmale“ Heroldsbilder beschrieben, die in einer „Schildebene“ mit einem geringen, konstanten Zwischenabstand zueinander gerückt sind und nebeneinander verlaufen, ohne einander zu schneiden (siehe auch: → bezwillingt/gezwillingt).

17. Jahrhundert

Je nach Autor und Heroldsbild wurden im 17. Jahrhundert die französischen Ausdrücke jumelle(s) und gemelle(s) mit unterschiedlichen deutschen Bezeichnungen verknüpft, wobei der Ausdruck „Zwillingspfahl“ im Allgemeinen nicht vorgetragen wird.

Deutschsprachige heraldische Rezeption des 17. Jahrhunderts (Auswahl)
Spener Philipp Jacob Spener spricht von „Zwillingslinien“ (linea gemellae), zwischen denen der Abstand nicht breiter sein sollte als sie selbst sind. Als Referenzwappen für die französisch-heraldischen Ausdrücke jumelle(s) bzw. gemelle(s) führt er nur Beispiele an, bei denen die „Zwillingslinien“ waagerecht (sic!) verlaufen (Wappen derer von MorsheimW-Logo.png, Albich genannt von Daxheim [Albig gen. von Dexheim], GouffierW-Logo.png und von WangenheimW-Logo.png). Hinweise auf mögliche Wappen mit einer vertikalen Variante („Zwillings-Pfahllinie“) fehlen in seinen Betrachungen:

„§ IV. Huc etiam spectant linea gemellae, inter quas latior quam ipsae sunt distantianon debet esse; jumelles nuncupare amant (.. Morsheim .. Albich dict. de Daxheim .. Gouffier .. VVangenheim)“

Kühnen Der Drucker und Verleger Georg Wilhelm Kühn(en) übersetzt 1694 das französischsprachige Werk La Nouvelle méthode raisonnée du blason von Claude-François Ménestrier ins Deutsche. Einerseite nennt er Jumelles „Zwilling“, „Baͤnder“, „Doppel-Baͤndel“ und „Zwilling-Baͤndel“:

Jumelles, Zwilling / Baͤnder / Doppel-Baͤndel.
Dieses sind kleinere schmahle Band / so zwey und zwey zusammen gesetzt werden / haben derowegen den Nahmen vom Lateinischen Quasi gemelle, Zwilling-Baͤndel (..) Die zwey Pressen-Brett der Buchdrucker / so übereinander gehen, / werden auch Jumelles genannt.“

Claude-François Ménestrier (übersetzt von Wilhelm Kühnen, 1694)[11]

Andererseits hebt Kühnen (respektive Ménestrier) an mehreren Stellen hervor, dass nicht nur (waagrechte) „kleinere schmahle Band“ „bezwillingt“ erscheinen können, sondern auch andere Heroldsbilder:

Inmellé (Jumellé), bezwillingt: Sagt man von dem Zwer-Creutz oder Sparren / von Doppel- oder Zwilling-Streiffen (S. 105) .. Es hat Bande/Balcken/Schreg Creutz und Sparren so gezwillingt heissen (S. 161) ..“

Claude-François Ménestrier
(übersetzt von Wilhelm Kühnen, 1694)
[11]
Schuhmacher Friedrich Wilhelm Schumacher merkt etwa zur gleichen Zeit an, dass „Pfahlstreiffen“ als „Zwilling“ in einem Wappen vorkommen können - womit senkrechte (sic!) Heroldsbilder gemeint sind:

𝔓𝔣𝔞𝔥𝔩𝔰𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔣𝔢/ ductus palaris, vergetté, ist 13 eines Pfahls / wo deren 2 in einem Felde / so seynd es Zwilling Pfahlstreiffe / gemellae.“

Friedrich Wilhelm Schumacher (1694)[12]
Rudolphi Johann Anton Kroll von Freyen, auch bekannt unter dem Pseudonym Rudolphi, definiert zwar den horizontalen „Zwillings-Streiffen“, doch äußert er sich bei seiner Betrachtung nicht explizit zu einem (vertikalen) „Zwillings-Pfahl“:

„Wann aber zwey von solchen Strichen so nahe zusammen gesetzt werden / daß der dazwischen herfür scheinende Schild ihre gewöhnliche Breite nicht übertrifft / pflegen wir solche ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰-S𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔣𝔢 zu nennen (lineas gemellas; jumelles) (..) also sehen wir vier schwartze Quer-Zwilling-Striche / je zwey und zwey im silbernen Schild / in dem Wappen der von Moßheim am Rhein (..)“

Johann Anton Kroll von Freyen (alias Rudolphi, 1698)[13]

18. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert bemühten sich deutschsprachige heraldischen Autoren, die französischen Termini jumelle(s) und gemelle(s) auch im Zusammenhang mit Schildbildern zu etablieren, bei denen zwei parallel verlaufende, senkrechte Flächen durch eine dritte in Schildfarbe getrennt sind. Der Ausdruck „Zwillingspfahl“ wird in diesem Jahrhundert nicht (oder nur ausnahmsweise) verwendet; es überwiegt der Gebrauch der Bezeichnung „Zwillungsstreife“.

Deutschsprachige heraldische Rezeption des 18. Jahrhunderts (Auswahl)
Beckenstein Johann Simon Beckenstein macht 1731 in einer Fußnote darauf aufmerksam, dass nicht nur „Zwillings-Sparren“ und (waagerechte) „Zwillings-Streife“ im Wappenwesen vorkommen, sondern ausdrücklich auch „in die Länge gezogene“ bzw. jumelles en pal (‚Zwillinge aus/mit Pfahl‘).

„1.) ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰-𝔖𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢, jumelle, gemelles, ductus gemini, sind zwey nahe aneinander gezogene schmahle Ehren-Stück. Zum Ex(empel)

  • drey Quer-Zwillings-Streife, trois jumelles en face', tres fasciolæ geminæ n. 35 (1)
    (1) Sie werden auch in die Laͤnge und schraͤg gezogen, Jumelles en pal, en bande, en barre, ductus gemini palati, diagonales.
  • zwey Zwillings-Sparren, chevrons jumellés, cantherii geminis ductibus efformati n. 36“
Johann Simon Beckenstein (1731)[14]
Zedler Das Zedlersche Lexikon zitiert 1731 Spener und bevorzugt für waagerechte Heroldsbilder den Ausdruck „Zwilling-Balken-Streife“.

„Balken-Streiff, Fascia angustior, Burelé, heisset in der Wappen-Kunst der dritte Theil eines Balckens, bisweilen sind zwey solche kleine Streiffe, die man alsdenn ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤-𝔅𝔞𝔩𝔠𝔨𝔢𝔫-𝔖𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢, Gemellas, jumelles nennet. Speneri (..)“

Johann Heinrich Zedler et al. (1733)[15]
Reinhard Johann Paul Reinhard bezeichnet 1747 einen „verjüngten“ (schmalen waagerechten) Balken als „Binde“ und als „Streife“ und ergänzt:

„§. 80. (..) Bisweilen werden zwey Streife neben einander gesezt, doch so, daß das Feld darzwischen zu sehen ist. Alsdann heissen sie ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰-𝔖𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢 (ductus gemini, fasciolae geminae, jumelles, gemelles (..)“

Johann Paul Reinhard (1747)[16]
Ähnlich wie Beckenstein weist Rheinhard in einer Fußnote darauf hin, dass auch das Heroldsbild „Pfahl“ verjüngt oder in Form eines „Zwillings-Pfahls“ in einem Wappen erscheinen kann:

„Wie es bey der Verjuͤngung des Balckens ist in Ansehung der Zwillings-(..)Streife, so ist es auch bey der Verjuͤngung des Pfahls (..)“

Johann Paul Reinhard (1747)[16]
Gatterer
2 Zwillings­strei­fen (nach Gatterer, 1774)
In den Jahren 1766 und 1774 entwickelt Johann Christoph Gatterer das Heroldsbild „Zwillingsstreife“ aus ‚zwei Fäden‘. Diese Ableitung ist bis heute von begrenzter Aussagekraft, da der heraldische Terminus ‚Faden‘ damals unklar war und bis heute nicht konsistent und systematisch definiert ist.

ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰𝔰𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢, heißen Faͤden (§.64), deren je zween also uͤber oder neben einander gestellt werden, daß der Plaz zwischen einem jeden Paar eben so breit ist, als die beeden Streife zusammen genommen, (Figur 223.)“[17][18]

Siebenkees Johann Christian Siebenkees erläutert 1789 den Ausdruck Zwillingsstreife (den Ausdruck „Zwillingspfahl“ kennt er nicht). Allerdings scheint ihm aufgefallen zu sein, dass der Ausdruck allein bzw. ohne eine ergänzende Bestimmung für Wappenbeschreibungen mehr oder weniger ungeeignet ist. Bei der Beschreibung eines Referenzwappens spricht er ausdrücklich von einer „quer gezogenen Zwillingsstreife“, was impliziert, das auch eine „längs gezogenen Zwillingsstreife“ (= Zwillingspfahl) in einem Wappen vorkommen kann.

ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰𝔰𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢, jumelles, gemelles, ductus gemini, fasciolae geminae, lineae gemellae. (..) Die von Wangenheim in Thuͤringen fuͤhren in ihrem in die Laͤnge getheilten Schild, zur linken im goldenen Feld drey schwarze quer gezogene Zwillingsstreife.“

Johann Christian Siebenkees (1789)[19]

19. Jahrhundert

Obwohl man im 19. Jahrhundert versuchte, Heroldsbilder durch ein entsprechendes deutschprachiges Vokabular präziser und systematischer als in vergangenen Zeiten zu bestimmen, ist auch in diesem Jahrhundert der Ausdruck „Zwillingspfahl“ weder anerkannt, noch allumfassend in der heraldischen Terminologie etabliert. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und vereinzelt auch danach ist der Ausdruck „Zwillingsstreife“ gebräuchlich; erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bevorzugen heraldische Autoren zunehmend den Ausdruck „Zwillingspfahl“.

Deutschsprachige heraldische Rezeption des 19. Jahrhunderts (Auswahl)
Biedenfeld Im Jahr 1846 kolportiert Ferdinand von Biedenfeld, dass die Heraldik mit den Ausdrücken jumelles/gemelles die „Zwillings-Streife“ bezeichnet. Seine Äußerung hat eine „Streifen-Verdoppelung“ von „parallel nebeneinander“ erscheinenden „Streifen/Binden“ zum Inhalt. Es bleibt jedoch eine Klärung erforderlich, auf welche spezifischen heraldischen Darstellungen er sich exakt bezieht (vertikale, horizontale, sowohl vertikale als auch horizontale, schrägrechte, andere?).

„Erscheint auf einem Schild ein einzelner Balken ohne die gehörige Breite (..) so wird er eine Binde oder Streife, divise, fasce en divise oder tranglé genannt. Solche Binden erleiden alle bei Balken und Pfahl bereits erwähnten Veränderungen. Bisweilen erscheinen zwei solcher Streifen parallel nebeneinander, jedoch so, daß zwischen ihnen ein Stückchen Feld sichtbar bleibt; solche Streifen-Verdoppelungen nennt die Heraldik ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰-𝔖𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢, jumelles oder gemelles (..)“

Ferdinand von Biedenfeld (1846)[20]
Mayer von Mayerfels
Zwillingsstreifen (nach Mayer von Mayerfels, 1857)
Carl Mayer von Mayerfels fügt 1857 seinem Heraldischen ABC-Buch als Beispiel für den Ausdruck „Zwillingsstreifen“ ein Musterwappen bei, bei dem die beiden im Schild parallel nebeneinander angeordneten Binden/Streifen/Leisten senkrecht abgebildet sind.

„So (Binde, Streifen oder Leiste) heißt man nemlich den Balken, wenn er die normale Breite nicht hat; (französisch: divise, fasce en divise ou trangleé). – Stehen mehrere solche kleine, schmale Streifen auf einem Felde, dann sagt man wohl auch: burèles ou burelé. –
225) ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰𝔰𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔢𝔫 (jumelles oder gemelles) von Gold in Blau. –“

Carl Mayer von Mayerfels (1857)[21]
Sacken Im Jahr 1880 entwickelt Eduard Freiherr von Sacken das Heroldsbild „Zwillingspfahl“ aus ‚zwei Strichpfählen‘. Diese Ableitung ist bis heute von begrenzter Aussagekraft, da der Terminus ‚Strichpfahl‘ damals unklar war und bis heute nicht konsistent und systematisch definiert ist.

„Zwei Strichpfähle nahe beisammen stehend, so, daß sie mit dem dazwischen liegenden Raume den Platz eines gewöhnlichen Pfahles einnehmen, heißen Zwillingspfähle (..)““

Eduard Freiherr von Sacken (1880)[22]
Retberg Im Jahre 1884 übersetzt Ralf von Retberg den Ausdruck jumelles en pal nicht mit ‚Zwillingspfahl‘, sondern mit den historisierenden Ausdrücken ‚Zwillingsstreif‘ bzw. ‚Streifzwilling‘:

„Zwei mit einem nur geringen Zwischenraume zusammengerückte Streifen heißen ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰𝔰𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣 oder 𝔖𝔱𝔯𝔢𝔦𝔣𝔷𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤 (..) ndl.: tweelings-paal; lat.: palus geminatus; frz.: jumelles en pal. (..)“

Müller Im Illustrirten archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums erklärt man 1878, wie das Morphem Zwilling- im Zusammenhang mit unterschiedlichen Heroldsbildern zu deuten ist.

Zwillingsbalken, m. pl. frz. jumelles, engl. gemels, ℨ𝔴𝔦𝔩𝔩𝔦𝔫𝔤𝔰𝔭𝔣ä𝔥𝔩𝔢, m. pl. frz. pal gemelé (Her.), zwei nahe zusammengestellte schmale Balken oder Pfähle. Ebenso erklären sich Zwillingssparren, Zwillingsstreifen et cetera“

Hermann Alexander Müller et al. (1878)[24]
Gritzner
Zwillings-Pfal (nach Gritzner, 1889)
Maximilian Gritzner möchte 1889 den Ausdruck ‚Zwillings-Pfal‘ etablieren, wobei er den Ausdrucksbestandteil -Pfal „zur Unterscheidung von dem Baum-»Pfahl«“ „absichtlich ohne „h““ schreibt.[25] Seine Schreibweise konnte sich jedoch zu keinem Zeitpunkt im Wappenwesen allgemein durchsetzen.

Zwillings-Pfal (Tafel 3. Figur 36.): nennt man eine pfalartige Figur, bestehend aus 2 Stääben (siehe diese), welche derart nebeneinander an der Pfalstelle zusammengeschoben sind, dass der zwischen ihnen hindurchscheinende Theil des Schildes gleich der Breite eines von ihnen ist.“

Maximilian Gritzner (1889)[25]

20./21. Jahrhundert

Im 20. und 21. Jahrhundert weisen insbesondere heraldische Autoren aus dem französischsprachigen Wappenkulturraum darauf hin, dass das Morphem -Zwillung- ein Indikator für ein unteilbares Ensemble von zwei identischen Heroldsbildern ist (zum Beispiel von zwei Pfählen, zwei Balken, zwei Sparren und so weiter), die in geringem Abstand zueinander (üblicherweise parallel) angeordnet sind. Zusammen mit der zwischen ihnen liegenden Fläche, die stets die Tinktur des Schildes besitzt, bildet das Heroldsbild-Zwillingspaar gewissermaßen eine gestalterische Einheit.

Französischsprachige heraldische Rezeption des 20./21. Jahrhunderts (Auswahl)
Veyrin-Forrer

Popoff

„Si une est divisée horizontalement en trois parties égales, la partie intermédiaire étant de l'émail du champ, on a une jumelle; si elle est divisée en cinq parties horizontales, dont deux du champ, on a une tierce; le plus souvent, la jumelle est en fasce et répétée deux, ou même trois fois; la jumelle peut être aussi en pal, bande, barre, chevron, croix et sautoir. Les mêmes observations s'appliquent à la tierce.“

Wenn ein „Querfaden“ (divisée) horizontal in drei gleich große Teile geteilt ist, wobei der mittlere Teil die Farbe des Feldes hat, spricht man von einem „Zwilling“ (jumelle); wenn es in fünf horizontale Teile geteilt ist, von denen zwei die Farbe des Feldes haben, spricht man von einer „Drilling“ (tierce). Meistens ist der „Zwilling“ waagerecht und wird zwei- oder sogar dreifach wiederholt; der „Zwilling“ kann auch als Pfahl, Balken, Sparren, Schrägbalken, Kreuz oder Andreaskreuz erscheinen. Die gleichen Beobachtungen gelten auch für den „Drilling“.

Thédore Veyrin-Forrer (1951),
– überarbeitet und aktualisiert von Michel Popoff (2000)
(freie Übersetzung durch Andreas Janka; 2024)
[26]
de Boos Im Jahre 2001 übersetzt Emmanuel de Boos den Ausdruck jumelle nicht mit „Zwillingspfahl“, sondern mit der Bezeichnung „Zwillingsfaden“. Ob diese ungewöhnliche Translation zur Harmonisierung des Begriffswirrwarrs in der heraldischen Terminologie beiträgt, ist unklar.

jumelle (.. ger, Zwillingsfaden). Figure constituée d'un ensemble inséparable de deux pièces diminuées et parallèles; il s'agit ordinairement de deux fasces (ou plus exactement burelles) et il convient de préciser la position des jumelles mises en bande, en barre, en chevron (..)“

jumelle' (dt., Zwillingsfaden). Figur, die aus einem untrennbaren Ensemble von zwei verkleinerten und parallelen Elementen besteht; es handelt sich gewöhnlich um zwei Balken (oder genauer gesagt um zwei „Leistenstäbe“/„Fadenbalken“ [burelles]) und es ist notwendig, die Position der Zwillingsfäden anzugeben, die schräglinks, schrägrechts oder im Sparren angeordnet sein können.

Emmanuel de Boos (2001)
(freie Übersetzung durch Andreas Janka; 2024)
[27]

Wappenbilderordnung

Weblinks

Commons: Zwillingsbalken in der Heraldik – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Show-handle-HW.png Bernhard Peter: Heroldsbilder auf der Basis von vertikalen und horizontalen Linien - Teil 2 – Internet: www.welt-der-wappen.de. Erstellt: 2006. Abgerufen: 12. Januar 2024
  2. Emma Mages: Wappenglossar. In: www.hdbg.eu. Haus der bayerischen Geschichte, 2018, abgerufen am 12. Januar 2024 (Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst).
  3. Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 142, Figur 18. (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
  4. Artis Buks: Heraldiskās figūras. dvīņu pālis. In: vesture.eu. 28. Januar 2017, abgerufen am 13. Januar 2024 (lettisch, die Seite wurde zuletzt am 28. Januar 2017 um 19:41 Uhr geändert.): „Specifiskas formas ir dvīņu pālis (fr. jumelles en pal, an. pale gemel, vc. Zwillingspfahl, kr. сдвоенный столб)“
  5. Wappenbeschreibung: „De gueules à deux jumelles d'or posées en pal, à la croix alésée et abaissée d'argent, la traverse brochant sur les jumelles, ssurmontée d'une fleur de lys d'or; et à une tour crénelée de 5 pièces du même, ouverte de sable et brochant sur la croix.“
  6. 6,0 6,1 Auch von Stiebitz, Stewitz, Stritzl, Stubitz, Stiebicz und anderes mehr genannt.
  7. Johann Siebmacher: New Wapenbuch : Darinnen deß H. Röm. Reichs Teutscher Nation hoher Potentaten Fürsten, Herren, und Adelspersonen auch anderer Ständt und Stätte Wapen (..) beneben ihrer Schilt und Helmkleinoten. Nürnberg, 1605. S. 69 (Google)
  8. Friedrich LucaeW-Logo.png: Schlesiens curiose Denckwürdigkeiten oder vollkommene Chronica Von Ober- und Nieder-Schlesien (..) Band 2. Frankfurt am Main, 1689. S. 1853. (Google)
  9. Christian Friedrich Schrader: Vollständiges deutsches und französischen Wörterbuch. In: Du Nouvel et complet dictionnaire etymologique, grammatical et critique de la langue francoise ancienne et moderne. Tome II. Allemand et François. Erste Abteilung. A-H. 2,1. Halle, 1781. S. 298. (Google;
    doppelt (..) (in Wappen) jumelé, Jumelle, gemelle (..))
  10. Philipp Jacob Spener: Insignium Theoria Seu Operis Heraldici Pars Generalis (..) Frankfurt am Mains, 1690. S. 185. (Google)
  11. 11,0 11,1 Wilhelm Kühnen: Wohlanständige Adels-Zierde, das ist, Neue Umleitung zu der sogenannten Herold- oder Wappen-Kunst. Ulm. 1694. S. 47, siehe auch 21, 105, 161, 189-190, 193-194 (Google)
  12. Friedrich Wilhelm Schumacher: Kurtzgefaßete Teutsche Wapen-Kunst : darinnen Die rechten Regeln und Grundlehren/ sowohl zum teutschen auffreißen als visiren und erklären derer Wapen und Schilden/ nebenst verschiedenen curieusen Sachen von Chur- und Fürsten-Hüten auch Wachs zum Siegeln ; kürtzlich und deutlich zu sonderbaren Nutzen vor Comites Palatii auch Müntz-Räthen/ und vornehmlich Mahlern und Müntz-Pregel oder Formenschneidern entworffen / von F. W. Schumacher Phil. Mag. und J. Cult. Jena, Oehrling. 1694. S. 80. (Google)
  13. Johann Anton Kroll von Freyen: Heraldica curiosa, Welche Der Wappen Ursprung, Wachsthum, Fortgang, und wie selbiger noch heutiges Tages bey denen Teutschen im Gebrauch ausfůhrlichen zeiget, Samt deren umståndliche Beschreibung, Wie solche in denen Wappen-Briefen, Alten Documenten, Fahnen, Sigillen etc. und verschiedenen Autorn hin und wieder eintzeln zu finden; Insonderheit auch Von denen Schildhaltern, Helm-Decken, Kronen, Hüten, Hauben etc. Beysammen nicht allein auf das zierlichste und Curioseste abgehandelt, sondern auch was sonsten zur Probation des Thurnier- und Stifft-mässigen Adels erfordert wird; Alles Historicè, Politicè und Juridicè mit XV. schönen Kupffer-Figuren, worinnen über 1200 Wappen vorgestellet. Von J. A. Rudolphi. Nürnberg, verlegt von Johann Leonhard Buggel, Buchhändler in der Froschau, 1698. S. 150 (Google)
  14. Johann Simon Beckenstein: Kurtze Einleitung zur Wappen-Kunst, und zur Art des Blasonirens : in drey Sprachen deutsch, französisch, und lateinisch erkläret. St. Petersburg, 1731. S. 44.
  15. Johann Heinrich Zedler, Carl Günther Ludovici: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, welche bisshero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden und verbessert worden. Band 3. B-Bi. Halle und Leipzig, 1733. Spalten 191-192. (Google)
  16. 16,0 16,1 Johann Paul Reinhard: Vollständige Wappen-Kunst nebst der Blasonirung des Hochfürstl. Brandenb. Culmbachischen Wappens. Lochner, Nürnberg, 1747. S. 56 f. (Google; MDZ München)
  17. Johann Christoph Gatterer: Fortgesetzter Wappen-Calender auf das Jahr 1766 oder jaͤhrliches Handbuch der neuesten Genealogie und Heraldik (..) Nürnberg, 1766. S. 38. (Google)
  18. Johann Christoph Gatterer: Abriss der Heraldik oder Wappenkunde. Zum Nuzen der studierenden Jugend entworfen und zuerst mit acht Kupfertafeln erlaͤutert, bey dieser zweyten Auflage aber mit fuͤnf Kupfertafeln und doppelten Registern vermehrt. Nürnberg, 1774. S. 38. (Google)
  19. Johann Christian Siebenkees: Erläuterungen der Heraldik als ein Commentar über Herrn Hofrath Gatterers Abriss dieser Wissenschaft. Nürnberg, 1789. S. 95.
  20. Ferdinand von Biedenfeld: Die Heraldik oder populäres Lehrbuch der Wappenkunde : für Diplomaten, Genealogen, Archivbeamte und Edelleute, aber auch mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Maler, Zeichner, Kupferstecher, Lithographen, Bildhauer, Bildschnitzer, Stein-, Metall- und Holzschneider, Lackierer, Tapeten-, Teppich- und Kutschenfabrikanten, Sticker, Conditoren etc. als Anhang zu desselben Verfassers Ritterordenswerk. Weimar, 1846. S. 22, 75. (Google)
  21. Carl Mayer von Mayerfels: Heraldisches ABC-Buch. Das ist Wesen und Begriff der wissenschaftlichen Heraldik, ihre Gesetze, Literatur, Theorie und Praxis. Leipzig, 1857. S. 264. Tafel XL. Figur 225. (Google)
  22. Sacken, Eduard Freiherr von: Katechismus der Heraldik. Grundzüge der Wappenkunde. Dritte, verbesserte Auflage. Leipzig, 1880. S. 25 (Google)
  23. Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 48.
  24. Illustrirtes archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums, des Mittelalters und des Renaissance : herausgegeben von Hermann Alexander Müller und Oscar Mothes. Band 2. I-Z. Buchhandlung Otto Spamer, Leipzig/Berlin, 1878. S. 1002. (Google)
  25. 25,0 25,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 19. Tafel 3. Figur 36. und S. 15. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  26. Thédore Veyrin-Forrer: Précis d'héraldique. Nouvelle édition revue et mise à jour par Michel Popoff. Larousse, Paris 2000, ISBN 2-03-505050-2, S. 38–39 (französisch, Originaltitel: Précis d'héraldique. 1951.).
  27. Emmanuel de Boos: Dictionnaire du blason. Paris 2001, ISBN 2-86377-170-1, S. 89, 460 (französisch).