Buch (Heraldik)
Das Buch (althochdeutsch buoh, mittelhochdeutsch buoch; ursprünglich eine Pluralform, bedeutete wahrscheinlich zunächst: „Runenzeichen“, dann allgemeiner „Schriftzeichen“ oder „Buchstabe“, später „Schriftstück“.[1][2]; frz.: livre; engl.: book) ist in der Heraldik eine gemeine Figur.
Darstellung
Die Figur Buch wird in Wappen nicht einheitlich dargestellt, sondern erscheint in vielfältigen Formen und ist der gleichnamigen Sammlung von bedruckten, beschriebenen, bemalten oder auch leeren Blättern aus Papier oder anderen geeigneten Materialien nachempfunden → „Buch“), die mit einer Bindung und mit einem Buchumschlag beziehungsweise einer Buchdecke versehen ist.
Mit oder ohne Perspektive
Im Gegensatz zum Punkt 6. der „Berliner Erklärung des Herold (Verein) über heraldische Gestaltungsgrundsätze“[3] wird die Figur „Buch“ in einem Wappen sowohl im Wappenschild wie in der Helmzier oft im geringen Maße räumlich (dreidimensional, zum Beispiel in Kavalierperspektive) und nicht flächig (zweidimensional) aufgerissen. Mit anderen Worten: eine Buchfigur wird mit einem Teil des Buchschnitts
(Ober-, Unter oder Vorderschnitt) und/oder des Buchrückens
dargestellt oder gewölbte Papierseiten sind mit mehr oder minder perspektivischen Konturstrichen angedeutet. Vorrangig ist, dass sich die stilisierte Darstellung eines Buches im Wappenaufriss der künstlerischen Gesamtharmonie unterordnet -- und nicht einer überholten Anschauung von Perspektive versus Perspektivlosigkeit im Wappenwesen folgt.
Lage und Öffnung der Figur Buch
Grundsätzlich ist im Wappenwesen zu unterscheiden, ob die Buchfigur „geschlossen“ oder „offen/aufgeschlagen“ dargestellt wird; außerdem sollte die Lage der Buchfigur beschrieben sein (bevorzugt „(aufrecht) stehend“ und „(balkenweise) liegend“, seltener „schrägrechts, schräglinks (stehend/liegend)“ oder ähnliches). Besondere Lagen der Figur sollten in der Wappenbeschreibung (Blason) möglichst genau gemeldet werden.
- Schräges Buch
Geschlossenes, schrägrechts stehendes Buch (Nivnice
)
Geschlossenes, schräglinks liegendes Buch mit goldenem Schnitt (Niederbuchsiten)
Geschichte
Die Figur Buch erscheint im Wappenwesen zunächst nicht alleinstehend, sondern als Nebenfigur, die von einem Menschen, einem „Heiligen“, einem Arm oder einer anderen Hauptfigur gehalten oder in irgendeiner Form „präsentiert“ wird. Beispielsweise
- hält in Siegeln des 13. Jahrhunderts der Stadt Siegen, aus denen das Stadtwappen hervorgeht, eine Menschenfigur („Bischof“) in der Linken ein aufgeschlagenes/offenes Buch (vgl.: → Wappen der Stadt Siegen).
- hält in Siegeln des 14. Jahrhunderts, die zum Wappen Münchens führen, ein Mönch in der Linken ein geschlossenes Buch (vgl.: → Wappen der Stadt München).
- halten in Grünenbergs Wappenbuch aus dem 15. Jahrhundert der Herzog Ballach von Krichen und der Mönch aus Erlach ein balkenweis-geschlossenes Buch in der Linken.
1304 bis 1398: Mönch mit Buch (kleines Siegel, München)
Auch der Markuslöwe (Hauptfigur) wird seit Jahrhunderten mit einem aufgeschlagenem Buch (Nebenfigur) dargestellt, das er mit einem seiner Vorderbeine hält. Die russische Stadt Perm führt dagegen im 17. Jahrhundert im Wappen als Hauptfigur einen Bären, der ein geschlossenes Buch auf seinem Rücken trägt.[4] Es gibt zahlreiche weitere Wappen, in denen ein Buch nur als Nebenfigur fungiert.
Wappen der Republik Venedig
(Markuslöwe mit dem aufgeschlagenen Buch)
Wappen von Perm
, Russland
Liborius. mit der Linken ein mit Goldschnitt belegtes offenes Buch haltend (Bremervörde
)
Bischof, in der Linken ein Buch haltend (Clingen
)
Zentrichter, in der Linken ein goldenes Buch (Memmelsdorf
)
(Schnifis
)
Ausprägung der Figur Buch
Alle Besonderheiten der Figur Buch (zum Beispiel Buchschließen, am Buch angebrachtes Lesezeichen, anhängende Siegel, ornamentale Verzierungen, Buchstaben, Zahlen, spezielle Motive et cetera auf der Vorderseite oder auf den Papierseiten) sollten stets angezeigt werden. Alle Teile eines Buches können durch eine kontrastierende Farbe vom Rest der Figur hervorgehoben sein. Die genaue Art der Hervorhebung ist zu melden. Sind Verletzungen der heraldischen Farbregeln unvermeidlich, so sollten diese im Wappenaufriss so gering wie möglich gestaltet sein.
Ein möglicher Buchtitel, Akronyme, Zahlen, spezielle Motive, ornamentale Verzierungen et cetera erscheinen bei einer geschlossenen Buchfigur gewöhnlich auf dem Buchdeckel, bei einem aufgeschlagenen Buch auf der rechten, der linken oder auf beiden sichtbaren Papierseiten. Wenn eine Buchfigur in einem Wappen auf das 15. beziehungsweise 16. Jahrhundert verweist, kann der mögliche Buchtitel auf dem Vorderschnitt erscheinen, „da es zu dieser Zeit üblich war, die Bücher liegend mit dem Vorderschnitt nach vorne aufzubewahren.“[5]; diese besondere Ausprägung ist zu melden. Manchmal wird eine Buchfigur mit einer oder mehreren anderen Figuren belegt (zum Beispiel wie im Wappen von Kerkingen: „In Gold ein aufgeschlagenes Buch mit rotem Schnitt und silbernen Blättern, belegt mit zwei blauen Augen.“); das Wappen von Lorchhausen zeigt ein Buch, das von einem Schwert aufgespießt wird (im Siebmacher findet sich das Wappen in der Form, dass ein Heiliger ein Schwert, das das Buch aufspießt, in seiner Rechten hält)[6].
- Aufgeschlagenes Buch
Buch, durch Schwert aufgespießt und am Buchfalz durchbohrt (Lorchhausen
)
Aufgeschlagenes Buch, belegt mit Messer (Griffstange und Klinge den Falz bedeckend, der Griff über den Buchblock herausragend; Pottum
)
Buch, belegt mit zwei Augen (Kerkingen
)
- Geschlossenes aufrechtes Buch
Bochum
führt ein redendes Wappen
Rotes Buch mit silbernem Schnitt und aufgenageltem silbernen Lilienkreuz
(Blekendorf)
Wappen von Höhn
Maria Buch-Feistritz
(in Anlehnung an das Siegel Konrad von Buch von 1415)
Bibel
Auch die Bibel (frz.: bible; engl.: holy bible), als das „Buch der Bücher“, hielt als gemeine Figur in vielen Varianten Einzug in das Wappenwesen. Die genaue heraldische Darstellung ist stets zu melden. Beispielsweise erscheint die Bibelfigur im Wappen von Luven
(Bezirk Surselva
, Kanton Graubünden, Schweiz) aufgeschlagen; auf der heraldischen rechten, offenen Seite steht in dem Wappen der erste Buchstabe des griechischen Alphabets, das Alpha
- und die heraldisch linke Seite zeigt den letzten Buchstaben des griechischen Alphabets, das Omega
(das Alpha steht für „Anfang“, noch symbolischer für „Geist“, umgangssprachlich das „Höchste“, „Größte“, „Beste“; das Omega steht für „Ende“; beide zusammen, eigentlich »das Ἄλφα und das Ὠμέγα« beziehungsweise die Redewendung »das A und O
« bedeuten: „Anfang und Ende“, „Alles“, „Gott“). Die Bibel im Wappen von Aluksne/Marienburg erscheint im Wappen dagegen geschlossen; auf dem Umschlag stehen die Buchstaben und Ziffern
A.D.1689
für „Anno Domini 1689“ beziehungsweise „im Jahre des Herrn 1689“. Diese Angaben spielen auf die Vollendung der ersten lettischsprachigen Bibel durch den lutherischen Pastor Ernst Glück im Jahre 1689 an, der in Marienburg (lettisch: Alūksne) im Osten Livlands wohnte.
Geschlossene Bibel, auf dem Umschlag
A.D.1689
(Datum der ersten lettischsprachigen Bibel, Aluksne/Marienburg1925 eingeführt)
Buch/Bibel, Heiliger und christliches Symbol
Wappen mit christlicher Ikonografie kombinieren die Buch-/Bibelfigur oft mit einem weiteren christlichen Motiv (Lamm/Agnus Dei, Fisch) einem Heiligen (gewöhnlich Johannes, der Täufer), einem Bischof, Mönch oder ähnlichem. Letzere halten gewöhnlich in der Linken das Buch, das in diesen Fällen oft als Unterlage dient, auf der das zweite christliche Motiv ruht.
Buch, auf dem ein Agnus Dei ruht (Csanytelek
)
Johannes der Täufer, auf dem linken Arm ein rotes Buch, auf dem ein silbernes Lamm ruht (Großenehrich
)
Nikolaus, in der Linken ein Buch (Waal
)
Bischof St. Ulrich, in der Linken ein Buch (Möggers
)
Buch in Staatswappen
Die gemeine Figur Buch ist in verschiedenen Staatswappen der neueren Heraldik gebräuchlich.
„In der modernen Heraldik erscheinen Bücher zum Beispiel den Wappen von Afghanistan (gemeint ist das historische Emblem der Demokratischen Republik Afghanistan
zwischen 1980 und 1987 -- Anmerkung der Redaktion) , Angola und der Dominikanischen Republik.“
- Offenes Buch in Staatswappen
Wappen der Demokratischen Republik Afghanistan (1980–1987)
- Geschlossenes Buch in Staatswappen
Geschlossenes liegendes Buch (Wappen Puerto Ricos)
Geschlossenes aufrechtes Buch (Wappen der Pitcairninseln)
Wappenbilderordnung
- Die Figur (geschlossenes) Buch wurde zusammen mit der Figur Bible in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Buch- und Schriftwerk, Zahlen und Zeichen aller Art unter der Nr. 9973 aufgenommen.
Symbolik
Das Motiv „Buch“ steht außerhalb der Heraldik manchmal symbolisch für „Gelehrsamkeit“.
Weblinks
Literatur
- Gabriel, Astrik Ladislas: The significance of the book in medieval university coats of arms. In: Medieval and Renaissance studies. Band 1. 1965. S. 60-82
Einzelnachweise
- ↑ Duden online: Buch
- ↑
Lemma Buch. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Herold, Verein für Heraldik (Hrsg.): Wappen. Handbuch der Heraldik. Als „Wappenfibel“ begründet von Adolf Matthias Hildebrandt, zuletzt weitergeführt von Jürgen Arndt, bearbeitet von Ludwig Biewer und Eckart Henning. Aktualisierte und neugestaltete Auflage. 20. Auflage. Böhlau Verlag GmbH & Cie., Köln, Weimar, Wien 2017, ISBN 978-3-412-50372-7, S. 159 (deutsch: Wappenfibel.).
- ↑ 4,0 4,1 Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 79 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Seite „Buchschnitt“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. Mai 2017, 13:44 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Buchschnitt&oldid=165617868 (Abgerufen:22. August 2017, 14:27 UTC)
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, I. Band, 4. Abteilung, II. Teil; Städtewappen: Wappen der Städte und Märkte in Deutschland und den angränzenden Ländern; Verfasser: O.T. von Hefner, N. Gautsch, I. Clericus; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1883. S. 308 Tafel 297