Freiviertel
Freiviertel (auch „freies Viertel“; frz.: „franc-canton“ oder „franc-quartier“; engl.: „canton“) ist in der Heraldik ein vager Ausdruck, der im weitesten Sinn ein lediges (= „freies-“) Feld bezeichnet, das sich farblich von Hauptfarbe des Wappenschildes unterscheidet und darin wie ein regelmäßiges Viereck beziehungsweise wie ein lediger quadratischer Platz erscheint (=„-Viertel“).
Darstellung und Blasonierung
Obwohl vielfach in Wappenbeschreibungen verwendet, eignet sich der Ausdruck nicht zur Blasonierung. Er beschreibt mißverständlich nicht ein einzelnes wohldefiniertes Heroldsbild, sondern wird im Zusammenhang mit unterschiedlichen quadratischen Wappenfiguren angewendet. Zu diesen gehören beispielsweise das Licht-/Freieck, das Rechte Obereck, die Rechte Vierung oder Wappenfiguren, die bißchen kleiner oder größer als die Genannten erscheinen, wenn diese im rechten oberen Teil des Wappenschildes mit dem Schildrand eine Art regelmäßiges (oder reguläres) Viereck bilden und sich in der Tinktur von der Hauptfarbe des Schildes unterscheiden. Ein Wappenkünstler kann aus der unscharfen Formulierung „Freiviertel“ teilweise nicht ableiten, in welchem genauen Flächenverhältnis der Figur aufgerissen werden soll, insbesondere nicht, wenn neben dem Freiviertel noch eine andere den Schild teilende/spaltende Wappenfigur im Wappen erscheint (Vierung, Teilung, Spaltung, gemeines Kreuz oder ähnliches).
Rechtes Lichteck
(auch „rechte Freiecke“ genannt)
Synonyme
Die Angaben in der Literatur, aus welcher Wappenfigur das Freiviertel tatsächlich hervorgegangen ist, sind nicht einheitlich. Es sind unterschiedliche Synonyme gebräuchlich, abhängig davon, welches Heroldsbild dem Ausdruck zugrunde gelegt wird. Wird beispielsweise angenommen, daß sich das Freiviertel aus dem Heroldsbild Vierung ableitet (=Rechte Vierung), bezeichnet man es oft als „Vierung“; leitet man es dagegen aus einem neunmal geschachten Schild ab (=Rechtes Obereck), sind die Ausdrücke „verkleinertes Quadrat“, „kleine Vierung“ oder ähnliches als Synonyme gebräuchlich.
Position
Teilweise wird der Ausdruck „Freiviertel“ im Zusammenhang mit regelmäßigen Vierecken verwendet, die sich nicht in der rechten oberen Ecke eines Wappenschildes befinden (zum Beispiel für ein regelmäßiges Viereck, das in die linke obere, in die rechte untere Ecke versetzt, mittelgeviert oder ähnliches ist). Die Position, an der sich ein Freiviertel befindet, sollte unter Gebrauch eines eindeutigen Heroldsbild-Namens gemeldet („beschrieben“) werden, da der vage Ausdruck Freiviertel zu Verwechslungen führen kann.
Anwendung
Im deutschsprachig geprägten Wappenwesen kommen Figuren, die als Freiviertel beschrieben und wirklich ledig sind, eher selten vor (insbesondere in die unteren Ecken versetzte Freiviertel sind extrem selten und sollten immer gemeldet werden)[1].
Obwohl der Ausdruck „Freies Viertel“ besagt, daß es sich bei der Figur um eine ledige oder „freie“ Wappenfigur handelt, ist er auch gebräuchlich, wenn das Freiviertel mit gemeinen Figuren oder Heroldsbildern belegt ist. Die Belegung des Freiviertels wird aufgrund seiner exponierten Darstellung im Wappen gerne genutzt.
Wappenvereinigung
In der Früh- und Blütezeit des Wappenwesens nutzte man die freie Fläche beispielsweise, um Wappen zu vereinigen. Das Auflegen eines Freiviertels mit einem Wappen beschreibt Seyler in seinem Werk Geschichte der Heraldik beispielsweise so:
„Conradus dictus Boiz de Waldeck, miles, besiegelt 1285 eine Urkunde der Edelherren Wilhelm und Udo von Waldeck mit seinem schildförmigen Siegel. Das Feld ist gegittert und mit rechtem Freiviertel versehen, welches drei schräg aneinander gereihte Schnallen enthält.“
Beizeichen
Auch mit Beizeichen wird das Freiviertel oft belegt, um Nebenlinien, jüngere Mitglieder oder sonstige Personen jenseits des Haupstammes einer Familie zu kennzeichen.
Napoleonische Heraldik
Eine besondere Bedeutung besitzt das Freiviertel in der Form einer rechten beziehungsweise linken oberen Vierung in der Napoleonischen Heraldik. Dort bezeichnete es die Ämter/Ränge des Wappenführenden und zwar.
- das rechte obere, blau tingierte Freiviertel einen Grafen
- das linke obere, rot tingierte Freiviertel einen Freiherren beziehungsweise Baron.
„Entgegen der alten heraldischen Regel wurde die Vierung (beziehungsweise das Freiviertel -- Anm. der Redaktion) nach Bedarf vergrößert oder verkleinert. Bei gevierten Schilden betrug sie ein Viertel des Schildes, bei einer Teilung durch einen Balken reichte sie bis zu diesem, bei Schilden mit Schildhaupt ragte sie in diesen hinein. Enthielt der Schild einen Schrägbalken, so fiel die Diagonale der Vierung mit der des Balkens zusammen. Befand sich im Schild ein gemeines Kreuz, nahm die Vierung (beziehungsweise das Freiviertel -- Anm. der Redaktion) nicht das ganze obere Viertel ein.“
Wappen | Beispiele für „Grafen“ |
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– Siebmacher/Gritzner (1889)[4] | |
– Siebmacher/Gritzner (1889)[4] | |
– Siebmacher/Gritzner (1889)[4] | |
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– Siebmacher/Gritzner (1889)[4] | |
– Siebmacher/Gritzner (1889)[4] | |
– Siebmacher/Gritzner (1889)[4] |
Galerie
Wappenbilderordnung
- Das Freiviertel wurde als rechte obere Vierung in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Vierungen unter der Nr. 0242 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 136.
- ↑ Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 184/185.
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 279 ff.
- ↑ 4,00 4,01 4,02 4,03 4,04 4,05 4,06 4,07 4,08 4,09 4,10 4,11 4,12 4,13 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.