Freiviertel

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1450-1480: Linkes silbernes Freiviertel
(Wappen derer von Windeck)W-Logo.png)

Freiviertel (auch „freies Viertel“; frz.: „franc-canton“ oder „franc-quartier“; engl.: „canton“) ist in der Heraldik ein vager Ausdruck, der im weitesten Sinn ein lediges (= „freies-“) Feld bezeichnet, das sich farblich von Hauptfarbe des Wappenschildes unterscheidet und darin wie ein regelmäßiges Viereck beziehungsweise wie ein lediger quadratischer Platz erscheint (=„-Viertel“).

Darstellung und Blasonierung

Obwohl vielfach in Wappenbeschreibungen verwendet, eignet sich der Ausdruck nicht zur Blasonierung. Er beschreibt mißverständlich nicht ein einzelnes wohldefiniertes Heroldsbild, sondern wird im Zusammenhang mit unterschiedlichen quadratischen Wappenfiguren angewendet. Zu diesen gehören beispielsweise das Licht-/Freieck, das Rechte Obereck, die Rechte Vierung oder Wappenfiguren, die bißchen kleiner oder größer als die Genannten erscheinen, wenn diese im rechten oberen Teil des Wappenschildes mit dem Schildrand eine Art regelmäßiges (oder reguläres) Viereck bilden und sich in der Tinktur von der Hauptfarbe des Schildes unterscheiden. Ein Wappenkünstler kann aus der unscharfen Formulierung „Freiviertel“ teilweise nicht ableiten, in welchem genauen Flächenverhältnis der Figur aufgerissen werden soll, insbesondere nicht, wenn neben dem Freiviertel noch eine andere den Schild teilende/spaltende Wappenfigur im Wappen erscheint (Vierung, Teilung, Spaltung, gemeines Kreuz oder ähnliches).

Synonyme

Die Angaben in der Literatur, aus welcher Wappenfigur das Freiviertel tatsächlich hervorgegangen ist, sind nicht einheitlich. Es sind unterschiedliche Synonyme gebräuchlich, abhängig davon, welches Heroldsbild dem Ausdruck zugrunde gelegt wird. Wird beispielsweise angenommen, daß sich das Freiviertel aus dem Heroldsbild Vierung ableitet (=Rechte Vierung), bezeichnet man es oft als „Vierung“; leitet man es dagegen aus einem neunmal geschachten Schild ab (=Rechtes Obereck), sind die Ausdrücke „verkleinertes Quadrat“, „kleine Vierung“ oder ähnliches als Synonyme gebräuchlich.

Position

Teilweise wird der Ausdruck „Freiviertel“ im Zusammenhang mit regelmäßigen Vierecken verwendet, die sich nicht in der rechten oberen Ecke eines Wappenschildes befinden (zum Beispiel für ein regelmäßiges Viereck, das in die linke obere, in die rechte untere Ecke versetzt, mittelgeviert oder ähnliches ist). Die Position, an der sich ein Freiviertel befindet, sollte unter Gebrauch eines eindeutigen Heroldsbild-Namens gemeldet („beschrieben“) werden, da der vage Ausdruck Freiviertel zu Verwechslungen führen kann.

Anwendung

Ein Freiviertel kann zur Wappenvereinigung genutzt werden (Wappen Waldeck)

Im deutschsprachig geprägten Wappenwesen kommen Figuren, die als Freiviertel beschrieben und wirklich ledig sind, eher selten vor (insbesondere in die unteren Ecken versetzte Freiviertel sind extrem selten und sollten immer gemeldet werden)[1].

Obwohl der Ausdruck „Freies Viertel“ besagt, daß es sich bei der Figur um eine ledige oder „freie“ Wappenfigur handelt, ist er auch gebräuchlich, wenn das Freiviertel mit gemeinen Figuren oder Heroldsbildern belegt ist. Die Belegung des Freiviertels wird aufgrund seiner exponierten Darstellung im Wappen gerne genutzt.

Wappenvereinigung

In der Früh- und Blütezeit des Wappenwesens nutzte man die freie Fläche beispielsweise, um Wappen zu vereinigen. Das Auflegen eines Freiviertels mit einem Wappen beschreibt Seyler in seinem Werk Geschichte der Heraldik beispielsweise so:

„Conradus dictus Boiz de Waldeck, miles, besiegelt 1285 eine Urkunde der Edelherren Wilhelm und Udo von Waldeck mit seinem schildförmigen Siegel. Das Feld ist gegittert und mit rechtem Freiviertel versehen, welches drei schräg aneinander gereihte Schnallen enthält.“

Gustav Adelbert Seyler (1885-1890)[2]

Beizeichen

Auch mit Beizeichen wird das Freiviertel oft belegt, um Nebenlinien, jüngere Mitglieder oder sonstige Personen jenseits des Haupstammes einer Familie zu kennzeichen.

Napoleonische Heraldik

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Napoleonische Heraldik

Eine besondere Bedeutung besitzt das Freiviertel in der Form einer rechten beziehungsweise linken oberen Vierung in der Napoleonischen Heraldik. Dort bezeichnete es die Ämter/Ränge des Wappenführenden und zwar.

  • das rechte obere, blau tingierte Freiviertel einen Grafen
  • das linke obere, rot tingierte Freiviertel einen Freiherren beziehungsweise Baron.

„Entgegen der alten heraldischen Regel wurde die Vierung (beziehungsweise das Freiviertel -- Anm. der Redaktion) nach Bedarf vergrößert oder verkleinert. Bei gevierten Schilden betrug sie ein Viertel des Schildes, bei einer Teilung durch einen Balken reichte sie bis zu diesem, bei Schilden mit Schildhaupt ragte sie in diesen hinein. Enthielt der Schild einen Schrägbalken, so fiel die Diagonale der Vierung mit der des Balkens zusammen. Befand sich im Schild ein gemeines Kreuz, nahm die Vierung (beziehungsweise das Freiviertel -- Anm. der Redaktion) nicht das ganze obere Viertel ein.“

Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[3]
Wappen Beispiele für „Grafen“
Ornements extérieurs Comtes sénateurs de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes sénateurs de l'Empire français.svg

Graf-Senator (Tafel V. Figur 9.): blaue rechte Vierung, darin ein ovaler, aufrechter. goldengefaßter Handspiegel, dessen Griff von einer nach rechts züngelnden Schlang umwunden wird.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
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Ecu vide Comtes Ministres de l'Empire français.svg

Graf-Minister (Tafel V. Figur 10.): blaue rechte Vierung, darin ein rotbezungter goldener Löwenrumpf, rechts gewendet.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
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Ecu vide Comtes Conseillers d'Etat de l'Empire français.svg

Graf-Staatsrath (Tafel V. Figur 11.): von Gold und Blau gewürfelte rechte Vierung.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
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Ecu vide Comtes Président du Corps Législatif de l'Empire français.svg

Graf-Präsident des gesetzgebenden Körpers (Tafel V. Figur 12.): blaue rechte Vierung, darin die goldenen Gesetztafeln Moses.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes Archevêques de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Archevêques de l'Empire français.svg

Graf-Erzbischof (Tafel V. Figur 13.): blaue rechte Vierung, darin ein goldenes durchgehendes Tatzenkreuz.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
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Ecu vide Comtes Militaires de l'Empire français.svg

Graf-Militär (Tafel V. Figur 14.): blaue rechte Vierung, darin ein aufrechtes, goldbegrifftes, silbernes Schwert.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
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Ecu vide Comtes Officiers de la Maison de l'Empereur français.svg

Graf-Hausoffizier des Kaisers (Tafel V. Figur 15.): blaue rechte Vierung, darin ein auf zwei Postament stehenden goldenen Säulen ruhendes Spitzdach, rechts von den Säulen ein goldenes D, links ein goldenes A.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Officiers de la Maison des Princes de l'Empire français.svg

Graf-Hausoffizier der Kaiserlichen Prinzen (Tafel V. Figur 17.): ebenso, aber statt D. A. die Buchstaben D. J. innerhalb der Säulen.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Ministres employés à l'extérieur de l'Empire français.svg

Graf-Minister im auswärtigen Dienst (Tafel V. Figur 16.): blaue rechte Vierung mit silbernen Löwenkopf.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Préfets de l'Empire français.svg

Graf-Präfekt (Tafel V. Figur 18.): goldene Mauer, überhöht von liegenden desgleichen Eichzweig.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Maires de l'Empire français.svg

Graf-Maire (Tafel V. Figur 19.): ebenso, ohne Letzeren.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Présidents de Collège Electoral de l'Empire français.svg

Graf-Präsident des Wahl-Collegiums (Tafel V. Figur 20.): 3 seitlich aneinanderhängende goldene aufrechte Wecken (Wahlzettel).“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
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Ecu vide Comtes Membres de Collège Electoral de l'Empire français.svg

Graf-Mitglied des Wahl-Collegiums (Tafel V. Figur 21.): schrägrechts gestellter goldener Eichzweig.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]
Ornements extérieurs Comtes de l'Empire français.svg
Ecu vide Comtes Propriétaires de l'Empire français.svg

Graf-Grundbesitzer (Tafel V. Figur 22.): eine aufrechts goldene Ähre -- alles in Blau.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[4]



Galerie

Wappenbilderordnung

Siehe auch

Weblinks

Commons: Freiviertel, Vierung und Obereck in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 136.
  2. Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 184/185.
  3. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 279 ff.
  4. 4,00 4,01 4,02 4,03 4,04 4,05 4,06 4,07 4,08 4,09 4,10 4,11 4,12 4,13 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.