Beizeichen
Beizeichen (auch Bruch genannt; französisch brisure; englisch cadency) sind Zeichen in den Wappen, welche zur Unterscheidung abgeteilter Linien oder zur Kennzeichnung jüngerer Geburt und unechter Abkunft (letzteres nur bei den westlichen Nationen) dienen.
„Beizeichen (..): spezielle Darstellung zur Kennzeichnung der Wappen von Nebenlinien, jüngeren Mitgliedern der Familie oder sonstiger Personen, die an sich gemeinsam mit dem Hauptstamm das gleiche Wappenbild führen.“
Grundlagen
Das Charakteristische des Beizeichens ist, dass der Wegfall desselben das Wappen nicht ändert, sondern vielmehr die ursprüngliche Gestalt wiederherstellt. Tritt die betreffende Figur selbständig auf (wie z. B. nicht selten der Turnierkragen), so ist sie kein Beizeichen, sondern Hauptbild.
Nationales
Deutschland
„In Deutschland wurden die Beizeichen in sehr vielfältiger Art geschaffen, z. B. durch Veränderung des Helmkleinodes oder der Tinktur, durch Vermehrung, Verminderung oder Stümmelung der Figuren. Die wichtigsten figürlichen Beizeichen, die in Deutschland vorkommen, sind der Stern und der Turnierkragen (..) Man hat auch sphragistische Beizeichen, die den Zweck haben, zwei dem Bild und der Größe nach ähnliche Siegeltypen durch ein in die Augen fallendes Merkmal unterscheiden zu können.“
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Turnierkragen | Erster Sohn | Der Turnierkragen wird auch als Bank, Steg, Rechen oder Brücke bezeichnet. Generell wird er verwendet, wenn der älteste Sohn sein Wappen von dem seines Vaters differenzieren will (Wappenbrecher). |
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liegender Mond | Zweiter Sohn | |
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Stern | Dritter Sohn | Der fünfzackige Stern war ursprünglich ein Spornrädchen und wird in Frankreich oft mit sechs Zacken dargestellt. |
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Merlette | Vierter Sohn | Die Merlette ist ein heraldisch gestutzter kleiner, entenartiger Vogel ohne Schnabel und Füße. |
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Ring (Annulet) | Fünfter Sohn | |
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Lilie (fleur-de-lis) | Sechster Sohn | |
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Rose | Siebter Sohn | |
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Kreuz | Achter Sohn |
Für weibliche Nachkommen gibt es in der deutschen Heraldik keine Beizeichen.[3]
England
In England unterscheiden sich die Wappen in den Familien durch sogenannte „Brisuren“ (=Beizeichen). Es sind der Turnierkragen, Schrägfäden oder Borde. Sie zeigen die Zugehörigkeit in Art und Stellung zum Familienzweig. Auch der Einbruch gehört dazu. In England ist die Belegung des Turnierkragens mit gemeinen Figuren zur weiteren Unterscheidung/Wappenbesserung verbreitet. Für die Differenzierung der einzelnen Familienlinien werden kleine gleichartige Figuren (Herzen, Rauten, kleine Schragen) im Schild platziert. Sie werden in diesem Fall als Beizeichen gewertet.[3]
Ehefrau | Erster Sohn |
Zweiter Sohn | Dritter Sohn | Vierter Sohn | Fünfter Sohn | Sechster Sohn | Siebenter Sohn | Achter Sohn | Neunter Sohn | |
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Familienmitglied | ![]() |
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Raute | Turnierkragen mit drei Lätzen | Mond (crescent), liegend | Stern (mullet) | Merlette | Ring (annulet) | Lilie | Rose | Kreuz | Achtblatt |
Britische Königsfamilie
Wappen der Königin Elisabeth II. | Wappen des Charles Mountbatten-Windsor, Prince of Wales | Wappen von William Mountbatten-Windsor, Prince | Wappen von Henry Mountbatten-Windsor, Prince Harry | Wappen von Andrew Mountbatten-Windsor, Duke of York | Wappen von Princess Beatrice Mountbatten-Windsor, Princess of York |
Wappen von Eugenie Mountbatten-Windsor, Princess of York | Wappen von Edward Mountbatten-Windsor, Earl of Wessex | Wappen von Anne Mountbatten-Windsor, Princess Royal | Wappen von Richard, Duke of Gloucester | Wappen von Eduard Georg Windsor, 2. Duke of Kent | Wappen von Michael, Prince of Kent |
Kanada
Das kanadische Beizeichensystematik folgt im Allgemeinen dem englischen System. Allerdings muss in der kanadischen Heraldik ein Wappen, unabhängig vom Geschlecht des Wappenführenden, stets eindeutig sein; daher entwickelten die kanadischen Heraldiker eine Reihe von einzigartigen Beizeichen für Töchter, die ausschließlich im kanadischen Wappenkulturraum gebräuchlich sind:
Männliche Linie |
Weibliche Linie | |
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für den ersten Sohn: ein Turnierkragen |
für die erste Tochter: ein Herz | |
für den zweiten Sohn: ein liegender Mond |
für die zweite Tochter: ein Hermelinschwänzchen | |
für den dritten Sohn: ein Stern |
für die dritte Tochter: eine Schneeflocke | |
für den vierten Sohn: eine Merlette |
für die vierte Tochter: ein Tannenzweig | |
für den fünften Sohn: ein Ring (Annulet) |
für die fünfte Tochter: ein Roch | |
für den sechsten Sohn: eine Lilie |
für die sechste Tochter: eine Muschelschale | |
für den siebten Sohn: eine Rose |
für die siebte Tochter: eine Harfe | |
für den achten Sohn: ein Kreuz |
für die achte Tochter: eine Schnalle | |
für den neunten Sohn: ein Achtblatt |
für die neunte Tochter: ein Clarichord |
Die heraldische Praxis in Kanada ist weit davon entfernt, sich starr an die Bezeichensystematik halten, wie sie die obige Liste vorgibt. Statt dessen etablieren sich bei den Wappenführenden eigene Gestaltungsunterschiede, die man am besten in öffentlichen Wappenregister begutachten kann (siehe zum Beispiel die verschiedenen Familienwappen Armstrong, Ravignat und Bradford).
Frankreich
Französische Königsfamilie
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Wappen des Monarchen | Wappen des Dauphin von Frankreich | Wappen des Herzog von Orléans | Wappen des Herzog von Anjou | Wappen des Herzog von Berry | Wappen des Fürst von Condé]] | Wappen des François de Bourbon, prince de Conti/Fürst von Conti | Wappen des Herzog von Vendôme]][4] |
Bulgarien
Der Fürst von Bulgarien führte als Sohn des Prinzen Alexander von Hessen aus nicht ebenbürtiger Ehe den hessischen Löwen mit dem Turnierkragen als Beizeichen.
Italien
Haus Savoyen
Wappen des Monarchen | Wappen des Fürst von Piemont | Wappen des Herzog von Genua | Wappen des Herzog von Aosta | Wappen des Fürst von Carignan[5][6] |
Portugal
Königsfamilie
Wappen des Monarchen | Wappen des Fürsten von Beira (Ältester Sohn des Thronfolgers) |
Wappen des Kronprinzen | Wappen des Ersten Infanten | Wappen des Zweiten Infanten | Wappen des Dritten Infanten |
Spanien
Erster Sohn | Zweiter Sohn | Zweiter Sohn | Dritter Sohn | Vierter Sohn | Fünfter Sohn | Sechster Sohn |
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– | TURNIERKRAGEN | MOND | STERN | MERLETTE | RING-ANNULET | LILIE (Fleur-de-lis)[7] |
Königsfamilie
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Wappen des Monarchen | Wappen des Fürsten von Asturien]] | Wappen von Elena von Spanien (Infantin) | Wappen von Cristina von Spanien (Infantin) | Wappen von María del Pilar von Spanien (Infantin) | Wappen von Margarita María de Borbón (Infantin) |
Literatur
- Herold, Verein für Heraldik (Hrsg.): Wappen. Handbuch der Heraldik. Als „Wappenfibel“ begründet von Adolf Matthias Hildebrandt, zuletzt weitergeführt von Jürgen Arndt, bearbeitet von Ludwig Biewer und Eckart Henning. Aktualisierte und neugestaltete Auflage. 20. Auflage. Böhlau Verlag GmbH & Cie., Köln, Weimar, Wien 2017, ISBN 978-3-412-50372-7, S. 238–243 (deutsch: Wappenfibel.).
- Leemans-Prins, E.: Les brisures de la haute noblesse de Pays-Bas septentriounaux. Bern. 1968.
Einzelnachweise
- ↑ Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 58 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 577. Permalink
- ↑ 3,0 3,1 Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
- ↑ Ottfried Neubecker, Roger Harmingues, Le Grand livre de l'héraldique, Bordas, 1976 (réimpr. 1982), 288 p. ISBN 2-04-012582-5.
- ↑ Heraldique Europeenne Accessed 18. April 2009.
- ↑ Jiri Louda, Michael Maclagan, Les Dynasties d'Europe, Bordas, 1981 (réimpr. 1993), p. 242-243. ISBN 2-04-027013-2 .
- ↑ Avilés, José de Avilés, Marqués de, Ciencia heroyca, reducida a las leyes heráldicas del blasón, Madrid: J. Ibarra, 1780 (Madrid: Bitácora, 1992). T. 2, pp. 234-242. ISBN 84-465-0006-X.
Weblinks
Bernhard Peter: Einführung in die Heraldik: Motive und Schildbild
Bernhard Peter: Einführung in die Heraldik: Der Turnierkragen
Siehe auch
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Beizeichen“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 25. April 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.