Eisenbahn (Heraldik)
Eisenbahn (auch kurz Bahn genannt; über mhd. bane, möglicherweise aus got. banja, ‚Schlag‘, ‚Wunde‘, ‚Schneise im Wald‘; englisch railway oder kurz rail; französisch chemin de fer) ist unspezifischer Ober-/Sammelbegriff, der im Zusammenhang mit dem Wappenwesen zur Beschreibung unterschiedlicher gemeiner Figuren („Bahn-/Eisenbahnfiguren“) gebräuchlich ist.
Darstellung
Lokomotive, Eisenbahngleis, Puffer und ähnliche Motive, die sich direkt an das moderne Eisenbahnwesen anlehnen, fanden nach Stephen Slater bald nach dem Entstehen der Eisenbahn zu Anfang des 19. Jahrhunderts Eingang in die Heraldik;[2] gleichwohl werden diese Figuren nur selten im Wappenwesen verwendet. In der klassischen Wappenkunde gelten sie als unheraldisch, weil sie einen Wappen-Anachronismus darstellen.
„Wenn Amerikaner oder Russen in ihren Wappen Verstöße gegen den heraldischen Takt begehen, wenn sie (..) Eisenbahnzüge (..) in ihre Schilde setzen, so könnte man ihnen noch eher zu Gute anführen, dass sie in der Vergangenheit keine Anhaltspunkte und Verständnis der Heraldik haben (..)“
Dennoch werden sie in der „neueren Heraldik“ bzw. in der „Verfallszeit der Heraldik“ teilweise als gemeine Figuren geduldet, wobei die Darstellungsformen der Bahn-Wappenmotive je nach Wappen sehr unterschiedlich ausfallen.
Wenn ein Bahn-Motiv (Lokomotive, Eisenbahnpuffer oder ähnliches) in einem Wappen verwendet wird, wird es in der Regel sehr stark heraldisch stilisiert, so dass die im Wappen gezeigte Form nicht wirklich zum Gebrauch geeignet ist.
Räder und Eisenbahn
Flügelrad
Manchmal symbolisiert das „Flügelrad“ in einem Wappen den Bezug zur „Eisenbahn“. Da die Symboldeutung außerhalb der Heraldik liegt und „geflügelte Räder“ schon vor und während der Blütezeit der Heraldik bekannt waren, stellt die Verwendung dieses Motive in der Heraldik in gewisser Weise kein Anachronismus dar.
Eisenbahnrad
In neueren Heraldik ist -- heraldisch stilisiert -- das Eisenbahnrad einer Dampflokomotive eine gemeine Figur. In der Normalform erscheint die Eisenbahnradfigur als Speichenrad (eine Vollradfigur oder ein besonderes Eisenbahnrad sind zu melden). Die Eisenbahnradfigur sollte sich deutlich von anderen heraldischen Radformen durch ein hervorgehobenes Ausgleichwicht, einen Ring für einen Kurbelzapfen oder ähnliche Elemente unterscheiden. Eisenbahnradfiguren erscheinen zuweilen auch in der Helmzier (vgl. zum Beispiel das Wappen von Whitehorse, Yukon).
Rad einer Dampflokomotive (Wappen Berlin-Borsigwalde)
Unten: Lokomotivrad in verwechselten Farben (Wappen Jübek)
(Wappen Šeštokai)
Speichenrad (symbolisch für ein Lokomotivtreibrad bzw. die Eisenbahnerwohnort Neuseddin)
Eisenbahnrad, aus dem außen Flammen schlagen (Wappen Lahden)
Lokomotive
Da eine Lokomotivenfigur (französisch locomotive; englisch locomotive; von lateinisch loco motivus ‚sich von der Stelle bewegend‘) selten in Wappen erscheint, gibt es keine expliziten heraldischen Vorgaben für sie, außer jene, die allgemein für gemeine Figuren gelten. Wurde nichts Besonderes gemeldet, sollte beispielsweise eine historische Lokomotive im Wappen erscheinen, wie sie zu Beginn des modernen Eisenbahnwesens gebräuchlich war (etwa eine heraldisch stilisierte LEG-Lokomotive wie der „Adler“). Die Farbgebung (Tingierung), die Anordnung, Lage und so weiter des Motivs im Wappen erfolgen grundsätzlich nach den heraldische Regeln für Fahrzeuge. In der Wappenbeschreibung sind alle Besonderheiten der Lokomotivenfigur festzuhalten, selbst wenn dafür wie im Fall der Eisenbahnstadt Swindon ein ausführliche Korrespondenz notwendig war:
„(Swindon) has a conventional locomotive of the late 19th century (there was much correspondence between the town council and the College of Arms in London over the exakt make of the locomotive) (..)“
Frühe Dampflokomotive (Sotteville-lès-Rouen FR)
Goldene Lokomotive einer Zahnradbahn (Baranawitschy BL)
Diesellok en face
(Chwoinaja RUS)
Eisenbahnvorläufer
Der Hunt (auch Hund, Grubenhunt oder ähnlich genannt) ist in der neueren Heraldik eine gemeine Figur, die dem gleichnamigen schienengebundenen, offenen, kastenförmigen Förderwagen des Bergbaus nachempfunden ist, wie er ab dem 16. Jahrhundert in Erscheinung tritt. Aus dem Prinzip eines schienengebundene Förderwagens entwickelte sich in gewisser Weise das Eisenbahnwesen.
1556: Deutscher Spurnagelhunt (aus: Georgius Agricola: De re metallica libri XII)
Zwei Grubenhunte (Evje og Hornnes N)
Gleis/Schiene
Teilweise symbolisieren mehr oder weniger abstrahiert dargestellte „Schienen“ (auch Eisenbahngleise genannt; französisch voie ferroviaire; englisch rail, track) in einem Wappen den Bezug zur „Eisenbahn“. Da die Symboldeutung außerhalb der Heraldik liegt und die „Vorläufer eines Schienensystems“ schon vor und während der Blütezeit der Heraldik bekannt waren, stellt die Verwendung dieser Motive in der Heraldik in gewisser Weise kein Anachronismus dar.
Pferdebahnschienen im Wappen von Pasching, Österreich
Schienenkreuz im Wappen des Eisenbahnknotens Bebra
Eisenbahnpuffer
Eisenbahnpuffer im Wappen von Studénka, Tschechien
Signalscheibe
Im Wappen des Eisenbahnknotenpunkts Entroncamento erscheint neben zwei goldenen Eisenbahnschienenprofilen eine Signalscheibe (Stoppschild für den Schienenverkehr).
Signalscheibe im Schienenverkehr
(Hippsche Wendescheibe)Signalscheibe des Schienenverkehrs zwischen zwei Eisenbahnschienenprofilen
(Wappen Entroncamento)
Tunnelportal, Tunnelmund, Tunneleingang (Eisenbahn)
Portal des Schwarzkopftunnels in Heigenbrücken
Tunnelportal mit schwarzem Tunneleingang (im Wappen von Heigenbrücken DE)[6]
Nordportal Tauern-Eisenbahntunnel
Zweimal gestufter Felsen mit -Tunneportal (Mallnitz AT) [7]
Viadukt (Eisenbahn)
Altenbekener Viadukt, (stilisiert)
Brücke (nach einem Viadukt der Pferdeeisenbahn von 1830/32; Waldburg)
Fünfbogiges Viadukt mit gemauerter Brüstung (Strickscheid)[8]
Eisenbahnbrücke
Grünentaler Hochbrücke (im Wappen von Beldorf DE)
Eisenbahnhochbrücke (im Wappen von Hochdonn DE)
Andere „Bahn“-Stilisierungen
Stilisierte Pferde, die Züge symbolisieren, die in verschiedene Richtungen fahren (vgl. Kaišiadoriu herbas; Kaišiadorys, Litauen)
Wappen der Eisenbahngesellschaften
Die frühen Eisenbahngesellschaften, besonders in Großbritannien, hatten eine große Affinität zur Heraldik. Wappen wurden von diesen sehr gerne als Erkennungszeichen im Sinne eines Logos oder zum Schmücken der Eisenbahnwaggons verwendet.
Parawappen der Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung (K.P.E.V.).
1881: Wappen der k.k. priv. Eisenbahn Wien–Aspang (Aspangbahn)
Wappenbilderordnung
- Eisenbahngleise wurden in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Fahrzeuge, Schiffe und deren Zubehör unter der Nr. 8692 aufgenommen.[1]
- Die Figur Lokomotive wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Fahrzeuge, Schiffe und deren Zubehör unter der Nr. 8691 aufgenommen.[1]
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- George Dow: Railway Heraldry and Other Insignia. Verlag David & Charles, 1973, ISBN 9780715358962.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X, S. 176, Tafel 56 (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- ↑ 2,0 2,1 Stephen Slater: The Complete Book of Heraldry. Anness Publishing, London 2002, Inanimate charges: transport, S. 95.
- ↑ Hefner, Otto Titan von: Grundsätze der Wappenkunst. Nürnberg. Bauer und Raspe. 1854/1855. S. 31
- ↑ Arthur Charles Fox-Davies: A Complete Guide to Heraldry. Avenel, NJ: Gramercy Books. 1909/1978. Tafel 6. ISBN 0-517-26643-1
- ↑ Ulla Kremsmayer: Gemeindewappen für Raasdorf verliehen, NÖN.at, 10. November 2017
- ↑ Wappenbeschreibung: „Über einem grünen Einberg, darin ein silbernes gemauertes, silbern gefasstes und schwarzgefugtes Tunnelportal mit schwarzem Tunneleingang, in Silber ein roter Kutterolf mit geradem Hals, beseitet von je einem grünen Eichenblatt“
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Blau ein goldener, zweimal gestufter Felsen, im Schildfuß von einem schwarz-blau geöffneten ummauerten Tunnelmund durchbrochen, rechts oben von einem silbernen dreifachen Bergkristall beseitet.“
Zitiert nach Wilhelm Deuer: Die Kärntner Gemeindewappen. Verlag des Kärntner Landesarchivs, Klagenfurt 2006, ISBN 3-900531-64-1, S. 180 - ↑ Gemeindewappen. Ortsgemeinde Strickscheid, abgerufen am 12. März 2022.