Pilz (Heraldik)
Pilz (lateinisch fungus; altgriechisch μύκης mýkēs = „Pilz“; französisch champignon; englisch mushroom) ist in der Heraldik
- eine seltene, unbestimmte gemeine Figur, die in heraldisch stilisierter Form gewöhnlich einem Hutpilz (Agaricomycetidae) nachempfunden ist.
- ein Ober- beziehungsweise Ordnungsbegriff für mehrere seltene gemeine Figuren wie Morchel, Trüffel et cetera, die den gleichnamigen natürlichen Pilzen nachempfunden sind.
Taxonomie
Obwohl sich der heraldische Ausdruck „Pilze“ an die gleichnamige Gruppierung der Biologie anlehnt, stellt er kein biologisch-mykologisches Taxon dar! Eine mykologische Einordnung eines im Wappen geführten Pilzmotivs ist selten eindeutig. Welches spezielle Mitglied aus der Gruppe der Pilze exakt dargestellt wird, ist meist nur sehr schwer oder gar nicht zu unterscheiden, manchmal reine Spekulation (bedingt durch die heraldische Stilisierung). Wenn beispielsweise eine Familie Champignon heißt und im Wappen einen Pilz führt, so muß der im Wappen dargestellte Pilz nicht notwendig der Gattung der Champignons (Agaricus) nachempfunden sein. Es könnte auch ein Dickröhrling (Boletus) oder ein Pilz einer anderen Pilzgattung im Wappen dieser Familie nachgestaltet sein.
Darstellung
In der Frühzeit der Heraldik ist der Pilz als Wappenmotiv nicht gebräuchlich. Erst in der neueren Heraldik werden Pilze mit Fruchtkörpern in Wappen geführt. Pilze oder pilzartige Wappenfiguren erscheinen mit deutlich stilisierten hut-, keulen-, knollen-, kraus-, glocken-, krustenförmig oder ähnlich gestalteten pilzartigen „Fruchtkörpern“ (angelehnt an ihre natürlichen Vorbilder). Die Differenzierung einzelner Pilzarten und ihre Bennenung in der Wappenbeschreibung stehen in der Heraldik noch am Anfang. Es ist wahrscheinlich, daß in Zukunft genauere Angaben/Namen für pilzartige Figuren Einzug in das Wappenwesen und in die Wappenbeschreibungen finden. Die Wappenbilderordnung des Herold führt im Jahre 1996 lediglich folgende Differenzierung an[1]:
WBO | Pilzform | Bezeichnung |
---|---|---|
2551 | Champignonartig / dickröhrlingsartig | (gemeiner, unbestimmter) Pilz / Champignon |
2552 | Morchelartig | Morchel |
2553 | Knollenförmig | Trüffel |
Andere Pilze mit Formen wie zum Beispiel schmierröhrlingsartig, stäublingsartig, bovistartig, blätterpilzartig, erdsternartig oder ähnlich können grundsätzlich ebenfalls in Wappen geführt werden. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls die genaue Pilzart zu melden (beispielsweise wurde beim Wappen der Familie Pilz, Langenbrück in der DWR 9004/88 explizit blasoniert: „... Schirmpilz (Parasol)“).
Normalerweise ist ein Pilz mit seinem Hut im Wappen gerade beziehungsweise nach oben ausgerichtet. Spezielle Positionen oder Stellungen wie beispielsweise gestürzt etc. sollten gemeldet werden. Für die gemeine Figur Pilz sind alle heraldischen Farben gebräuchlich. In einigen Wappen sind ein Pilze Naturfarbe tingiert, obwohl dies, traditionell genommen, schlechter heraldischen Stil ist.
Stiel und Hut (manchmal auch die Hutunterseite mit den Leisten, Lamellen oder Röhren) können unterschiedliche tingiert sein, was entsprechend zu melden ist.
Pilzstiel
Eine besondere Stielform des Pilzes wird in der Heraldik gewöhnlich nicht gemeldet. Gleichwohl sind sämtliche Stielformen des Pilzes gebräuchlich, also zum Beispiel:
(Gemeiner / unbestimmter) Pilz
Für den gemeinen, unbestimmten Pilz beziehungsweise für „pilzartige Wappenfiguren“ bestehen ursprünglich keine eindeutigen stilistisch-darstellerischen heraldischen Empfehlungen. In der Regel erscheint der (gemeine) Pilz in Wappen entweder champignonartig oder dickröhrlingsartig.
Dickröhrlingsartig
Dickröhrlingsartige Wappenmotive finden sich zum Beispiel in einigen amtlichen Wappen.
Pilz (in Naturfarbe
Champignonartig
Champignonartige Pilze erscheinen bevorzugt in Wappendarstellungen im Armorial général de France:
Morchel
Die gemeine Figur Morchel (französisch morille; englisch morel) wird in der Heraldik mit einem wabenartig gegliedertem Kopfteil dargestellt. Das Kopfteil erscheint „flaschenförmig“, mit einem sich nach oben konisch verjüngenden, abgerundeten Ende. Die einzelnen „Waben“ werden durch unregelmäßige, mehr oder weniger sechseckig bis runde Begrenzungslinien oder durch eine Art Punkttextur angedeutet.
Trüffel
Gewöhnlich wird die gemeine Figur Trüffel (französisch truffe; englisch truffle) nicht wie andere Pilzfiguren mit Hut dargestellt, sondern als kugelig-knolliger, haselnuss- bis kopfgroßer Fruchtkörper mit rindenartigen Auswucherungen.
Hallimasch
Rübling
Die Wappenfigur Rübling ist dem Idealbild eines Pilzes aus der gleichnamigen Pilzgattung (Rüblinge; collybia s. l.) nachempfunden. Maximilian Gritzner geht 1889 davon aus, dass diese Figur äußerst selten ist:
„(..) der in einem Wappen vorkommende Rübling (Tafel XXIV. Figur 77.), eine Pilzart (dürfte ein Unica sein).“
Weitere Beispiele
Abgrenzung
Die gemeine Figur Pilz wird manchmal mit „pilzartigen“ Motiven verwechselt. So wird das Wappen der Familie Beismann in den Quellen gelegentlich als Beispiel für ein Wappen angeführt, in dem Pilze erscheinen. Siebmacher gibt jedoch an, daß die betreffenden Motive im Schild des Wappens und in der linken Hand eines Mannes in der Helmzier keine Pilze, sondern Druckerballen sind (vgl. Buchdruckerwappen).
Redende Wappen
Pilze verweisen in Wappen bildlich oft auf den Namen des Wappenführenden. In der deutschsprachig geprägten Wappenkultur erscheinen Pilze zum Beispiel in den Wappen von Familien namens Pilz, Piltz oder ähnlich. Aber auch in anderen Wappenkulturen finden sich redende Wappen: Beispielsweise ist Gribow/Gribov das slawisches Wort für Pilz; tschechisch hrib ist gleich Stein-/Herrenpilz; Lesseps verweist auf les cépes (= Steinpilze); Moreau auf morille (=Morchel) ...
„(..) Moussiére erinnert an Mouseron, und Rabasse soll an die südfranzösische Bezeichnung für die Trüffel erinnern (..) Die Stadt mit dem Pilzwappen heißt Smrzovka, deutsch Morchenstern (..) das tschechische Wort „smrz“ bedeutet „Morchel“ (..)“
Der italienische Familienname Fongarini basiert auf Fungo / funghi = Pilz.
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Pilz wurde zusammen mit der Figur Champignon in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Pflanzen: Knollengewächse unter der Nr. 2551 aufgenommen.
- Die gemeine Figur Morchel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Pflanzen: Knollengewächse unter der Nr. 2552 aufgenommen.
- Die gemeine Figur Trüffel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Pflanzen: Knollengewächse unter der Nr. 2553 aufgenommen.
Weblinks
- Et si on allait aux champignons, c'est la saison! In: herald-dick-magazine. 23. Oktober 2012, abgerufen am 5. April 2022 (französisch).
Einzelnachweise
- ↑ Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo, hrsg. vom Herold - Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin. Bearb. von Jürgen Arndt und Werner Seeger, 2 Bde, 2. ergänzte u. berichtigte Aufl., Neustadt a. d. Aisch 1990-1996 (kurz: WBO). Bd. 1.: Wappenbilder; Bd. 2: General-Index.
Editorische Notiz: Zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner (Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890). - ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 110. Tafel 24. Figur 77. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Kreisel, Hanns; Pilze in der Heraldik. In: Der Tintling 6. 1999. S. 46 f.