Zwiebel (Heraldik)
Zwiebel (auch „gemeine Zwiebel“, „Zwiebellauch“, „Bolle“ „Zipolle“, „Speisezwiebel“, „Küchenzwiebel“, „Gartenzwiebel“, „Sommerzwiebel“, „Hauszwiebel“ oder ähnlich genannt; althochdeutsch zwibolla ; mittelhochdeutsch zwibolle/zibolle; lateinisch cēpula ‚kleine Zwiebel‘, Deminutivum zu cēpa ‚Zwiebel‘; französisch oignon; englisch onion oder bulb)[1] sowie alle Wappenmotive, die Teilen der Pflanzenart Zwiebel (allium cepa) nachempfunden sind, erscheinen in der Heraldik als Wappenfiguren.
Geschichte
„Siegel IV A. 2. des Nicolaus von Güstebiese vom J. 1378 (..) Das Wappenbild ist eine Zwiebel.“
„Zwiebel, zum Beispiel im Wappen der † Märkischen von Güstebiese bereits 1348.“
Schon Seyler weist darauf hin, dass das Wappen-/Siegelbild von anderen Autoren dagegen redend gedeutet wird und vorgeblich fünf oder sieben Binsen auf einem Hügel zeigen soll:
„Das Wappen von Güstebiese (S. 162) ist keine Zwiebel, sondern ein ausgerissener Binsenwriet (Binsenhulst). Es ist ein durchaus (plattdeutsch) redendes Wappen: Güst, Göst = unfruchtbar, gelte; bise, beese = Binse.“
Wappen Certaldo | |
Wappen Sabadell | |
Neben unklaren Deutungen von Zwiebelfiguren gibt es einige Wappen, bei denen wenig Zweifel daran besteht, sie eine Zwiebel zeigen. Beispielsweise erscheint heutzutage (2020) im Kommunalwappen der italienischen Gemeinde Certaldo eine Zwiebelfigur; Renato Niccoli hält es für wahrscheinlich, dass diese Figur seit dem Jahre 1198 im Wappen/Siegel von Certaldo erscheint, als die Verantwortlichen des Ortes der Kommune Florenz die Treue schwören (1198 halten einige für das „Gründungsjahr“ von Certaldo).[5] Es ist offen, ob diese frühe Datierung plausibel ist. Immerhin findet sich ein alter Wappenaufriss an einer Wand im Palazzo Pretorio, der in seinen Ursprüngen aus dem 12. Jahrhundert stammt und im 15. und 16. Jahrhundert erweitert wurde;[6] und der Gebrauch des Wappens ist durch manche Ausgaben des Dekamerons von Giovanni Boccaccio überliefert, dessen Urabfassung wahrscheinlich zwischen 1349 und 1353 erfolgte. Dort heißt es (sechster Tag, zehnte Geschichte):
„Certaldo ist eyn kleyne stat auf eyner kleynen höhe glegen ale eüer yegklichem wol mag wissend sein in vnderm gebiete vnd herrschafte vnnd wie wol sy eyn kleyne stat ist doch von gůten edelen (..) erbern leüten vor zeiten beseczt (..) dann das ertrich vmb die selben stat machet die schönsten vnd die grösten zwifell aller welt auch der stat wapen eyn zwifell ist vnnd die in irem schilt füren.“
Das Wappen mit der Zwiebelfigur wurde 1633 durch ein anderes mit einer Löwen ersetzt, vorgeblich weil eine Zwiebeldarstellung in einem Wappen zu „unedel“ sei. Nach Anderen erfolgte der Austausch aus demselben Grund erst im Jahre 1858. Am 4. November 1867 beschloss der Stadtrat von Certaldo, das alte Wappen mit der Zwiebelfigur wieder zu führen, da die Zwiebel nicht nur ein Symbol der „Stärke“, sondern der gesamten Schöpfung sei (die entsprechende Resolution trat erst 1890 in Kraft).[5]
Zwiebelfiguren erscheinen nicht nur in der vom Heiliges Römisches Reich geprägten Wappenkultur, sondern auch in anderen Teilen Europas. Beispielsweise zeigt das redende Wappen der katalonischen Stadt Sabadell eine Ceba (katalanisch für ‚Zwiebel‘), womit auf den Beginn des Namens der Stadt angespielt wird, da die Aussprache ähnlich klingt.[8] Vorgeblich ist die Zwiebel seit dem Jahre 1560 das traditionelle Zeichen von Sabadell.[9] Grob kann man datieren, dass Zwiebelfiguren spätestens ab der Renaissancezeit (15./16. Jahrhundert, wahrscheinlich aber schon früher) im Wappenwesen etabliert sind und als solche von Betrachtern erkannt werden konnten.
Darstellung
Trivialnamen Weitere zum Teil nur regional gebräuchliche Bezeichnungen für die Zwiebel sind oder waren nach Carl Jessen:[10]
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Die Zwiebelfigur ist heraldisch stilisiert der gleichnamigen Pflanzenart (allium cepa) aus der Gattung der Lauchgewächse (allium) nachempfunden; zur besseren Unterscheidung von ähnlichen Wappenfiguren (Knoblauchzwiebel, Lauchzwiebel, Blumenzwiebel et cetera) sollte die Zwiebelfigur nicht knollenartig, sondern kugelig rund mit eher geometrischen Konturlinien und Proportionen gestaltet sein. Teilweise wird die Figur mit angedeuteten unverzweigten sprossbürtigen Wurzeln aufgerissen, teilweise ohne. Gewöhnlich wird die Entwurzelung der Figur in Wappenbeschreibungen nicht angezeigt und obliegt der künstlerischen Freiheit, es sei denn, die Wurzeln bilden ein darstellerisch hervorgehobenes Merkmal. Die Figur erscheint bevorzugt in den heraldischen Farben Grün, Silber und Gold oder in Naturfarbe tingiert. Zwiebelfiguren werden vorwiegend in Ein-, Zwei- oder Dreizahl in einem Wappen dargestellt (im letztgenannten Fall bevorzugt 2-über-1), können aber auch in einer anderen Anzahl vorkommen.
1961: Silberne Zwiebel (Wappen Martin Loock, DWR, Nr. 5887/61; Aufriss 2020)
1964: Zwiebel in verwechselten Farben (Wappen Josef Loock, DWR, Nr. 5998/64; Aufriss 2020)
Drei gestürzte Zwiebeln 2-über-1 (Saint-Jean-de-Valériscle)
Zwiebel im sozialistischen Wappen von Makó (zwischen 1974 und 1989)
Zwiebel mit Kraut
Erscheint die Zwiebelfigur mit Laubblättern („Kraut“) sollte dies gemeldet werden, insbesondere wenn diese eine andere Farbe als der Rest die Figur haben (wobei, falls relevant, auch die Blattanzahl angezeigt werden kann).
Zwiebel mit sechs Blättern (Montréal)
Zwei schräggekreuzte naturfarbene Zwiebeln mit grünen „Röhren“ (Zeiskam)
Zwiebel als Nebenfigur
Zwiebel-Motive erscheinen im Wappenwesen teils als Nebenfiguren, zum Beispiel als ausgerisse Zwiebel, die von einem Löwen in den Pranken oder von einem Kranich im Schnabel gehalten wird, teils begleiten sie als solche eine Hauptfigur.
Zwiebel in einem Schildchen, eine Hauptfigur begleitend (Neuenhagen)
Unten: Kreuz, über Eck bewinkelt von zwei grünen Zwiebeln (Groß-Gerau)
Zwiebelzopf
Der Zwiebelzopf (auch Zwiebelkette, Zwiebelgeflecht oder ähnlich genannt; ) erscheint in der Heraldik als eine seltene gemeine Figur, die - heraldisch stilisiert -- dem Idealbild eines „Zopfes“ nachempfunden ist, der aus zusammengeflochtenen Zwiebeln besteht (vgl. „Zwiebelzopf“). Beispielsweise erscheint im Wappen von Sant Climent Sescebes ein Bündel von drei zusammengebundenen Zwiebeln (vgl. Escut de Sant Climent Sescebes).
Zwiebelblüte
Zwiebelblütenfiguren kommen in der Heraldik gar nicht oder nur selten vor.
„Bei den Druckersigneten können wir fünf bzw. sechs verschiedene Entwicklungsstadien nachweisen. Alle Signete aber sind Symbole für den Namen Tzwyvel: Sie zeigen in einem Wappenschild eine vierblättrige Zwiebelblüte(..), umrahmt von einem Spruchband mit dem Namen Theodoricus Tzwyvel und mit den darunterstehenden Initialen TZ (..)“
„Dietrich Tzwyvel (..) Im Wappen führte er eine Zwiebel, die nur phonetisch, nicht sinnhaft mit dem Namen in Verbindung steht.“
Tatsachlich erscheint in dem Signet über den Initialen T. Z. ein Wappenschild mit einer vierblättrigen Rose („Vierblatt“), die sich augenfällig von einer Zwiebelblüte/Zwiebel unterscheidet und nicht mit diesen Figuren verwechselt werden sollte.
Abgrenzung
Grundsätzlich ist die Zwiebelfigur nur schwer oder gar nicht von anderen zwiebel-/knollenartigen Figuren wie zum Beispiel einer Knoblauchfigur zu unterscheiden. Im Einzelfall sind die Wappenbeschreibung, Wappenstifter oder Wappenführender beziehungsweise die jeweilige Wappengeschichte hinzuzuziehen, um ein Motiv in einem gegebenen Wappenaufriss näher zu bestimmen.
Wappenbilderordnung
- Die Figur Zwiebel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Knollengewächse unter der Nr. 2596 aufgenommen.
Weblinks
Literatur
- Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 258 Abb. 4 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
Einzelnachweise
- ↑ Lemma Zwiebel. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 162 Abbildung 150
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 325. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Jahresberichte der Geschichtswissenschaft. Band 9. 1889. S. 137
- ↑ 5,0 5,1 Renato Niccoli: Le armi dei Municipi della Valdelsa. In: Miscellanea storica della Valdelsa. Anno LVII-LVIII. Nr. 156-157. 1951-1952. S. 86-87. (italienisch; PDF- 6,07 MB)
- ↑ History of Certaldo. The story of the town of Certaldo and the Certaldo onion. In: www.certaldo-info.com. 2006, abgerufen am 23. September 2020 (englisch, 2006-2020).
- ↑ Giovanni Boccaccio: Decameron. Hie hebt sich an das puch von seinem meister In greckisch genant decameron (Übersetzung von Arigos), Ulm ca. 1476 (Digitalisat in der BSB), Neudruck Stuttgart 1860 (hier noch irrtümlich Heinrich Steinhöwel zugeschrieben; Digitalisat (S. 400 «229») in der Google-Buchsuche)
- ↑ Escudo de Sabadell. In: Dibujo Heráldico. dibujoheraldico.blogspot.com, 7. Juli 2012, abgerufen am 23. September 2020 (spanisch).
- ↑ Sabadell. In: www.heraldry-wiki.com. 22. September 2018, abgerufen am 23. September 2020 (englisch).
- ↑ Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Verlag von Philipp Cohen Hannover 1882, S. 18.
- ↑ Wilfried Kaiser: Dietrich Tzwyvel und sein Musiktraktat "Introductorium musicae practicae. Münster 1513"; Marburg (Phil. Diss.) 1968; (Marburger Beiträge zur Musikforschung, Bd. 2). S. 34
- ↑ Seite „Zweifall“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. September 2020, 10:42 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zweifall&oldid=203474012 (Abgerufen: 21. September 2020, 19:04 UTC)