Nashorn (Wappentier)

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In der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens ist eine Wappenfigur, die eigens zur Darstellung eines Nashorns verwendet wird, nicht gebräuchlich.
Nashorn
 
Faktisch
(2015, Pilanesberg Nationalpark)
 
in der Heraldik
(Phantasiewappen Indiani insularu maris occiaerrie; nach Vigil Raber, 1548)

Das Wappentier Nashorn (oder auch Rhinozeros; altgriechisch ῥῖς (rhis) bzw. ῥιν- (rhin-) „Nase“, κέρας (kéras) „Horn“; französisch rhinocéros; englisch rhinoceros) ist in der neueren Heraldik eine seltene gemeine Figur.

Geschichte

alternative Beschreibung
1788: Natürliches Nashorn (Wappen Johann Christoph Pantzer; nach AT-OeStA/AVA Adel RAA 306.38)
1882: Schreitendes Nashorn
(im Wappen von Pander; livländische Ritterschaft; russ. Adelsdiplom von 1847; nach dem Baltischen Wappenbuch)

Wann zum ersten Mal ein Nashorn als gemeine Figur in einem Wappen erscheint, ist Stand 2022 nicht vollständig erforscht. Der Heraldiker Maximilian Gritzner geht im 19. Jahrhundert noch davon aus, dass die Nashornfigur nur in zwei Wappen erscheint:

Nashorn (Tafel XVIII. Figur 4.): (das einhörnige) kommt unseres Wissens nur in 2 Wappen vor: z. Lorenz in Kurhessen und von Pander in Livland, in beiden Fällen stehend.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[1]

Sein „Wissen“ greift insofern zu kurz, dass bei Vigil Raber bereits 1548 ein Phantasiewappen (Indiani insularu maris occiaerrie) mit einem Nashorn als Wappenfigur vorkommt und ein Pastor im Lasdohnischen Kirchspiel, der Gutsbesitzer zu Kussen in Livland Johann Christoph Pantzer 1788 den Adelsstand „von” erhielt und ein natürliches Nashorn im Wappen führte.

Darstellung

Nashorn in der Helmzier (Wappen Nigel Jones, Baron Jones of CheltenhamW-Logo en.png)
Nashornkopf in der Natur

Allgemein ist das Wappenmotiv Nashorn dem gleichnamigen großen, pflanzenfressenden Säugetieren (RhinocerotidaeW-Logo.png) nachempfunden. Im Sinne der Heraldik sollte die Figur mit einem übertrieben panzerförmigen Körper, einem großen und wuchtigen Kopf, kurzen Gliedmaßen, kräftigen Beinen, leicht hervorstehenden Augen und mit einem überdimensionalen hauerartigen Horn auf der Nase erscheinen. Weitere Hörner beispielsweise im Genick des Nashorns (nach Dürer) sind anzuzeigen. In der Grundform erscheint die Nashornfigur stehend, alle anderen Stellungen (aufrecht, schreitend, ruhend et cetera) sind zu melden.

Alle heraldischen Farben sind möglich; gleichwohl werden Gold und Schwarz als Farbe für das Wappentier bevorzugt. Sind die Zehen oder das obligatorische Horn (die „Waffe“) wie im Wappen der Familie Pantzer (DWR, Nr. 7684/81) abstechend von der Farbe der Nashornfigur und der des Schildes/Feldes tingiert, sie ist dies zu melden.

Heraldische Anlehnung an das Rhinocerus

Nach dem Ende der letzten Eiszeit verschwanden die Nashörner aus Europa. In dem Zeitraum zwischen dem 3. Jahrhundert und 1515, in den die Früh- und Blütezeit des europäischen Wappenwesens fällt, war die Gestalt und die Existenz von Nashörnern weitgehend unbekannt. Das änderte sich erst, als 1515 ein aus Indien stammendes Panzernashorn nach Lissabon gelangte. Es empfiehlt sich, in Wappendarstellungen die Aggressivität, Gefährlichkeit und Wehrhaftigkeit der natürlichen Tiere in Richtung der Illustrationen zwischen 1515 bis etwa 1610 (Burgkmair, Gebetbuch Kaiser Maximilians I., Emblem Allesandros de' Medici u. a.) und insbsondere in Anlehnung an Dürers Rhinocerus/PanzernashornW-Logo.png zu übertreiben. Dürer hatte ein natürliches Nashorn nie gesehen. Seine grafischen Darstellungen aus dem Jahre 1515 waren anatomisch nicht korrekt, prägten aber bis ins 18. Jahrhundert die mitteleuropäische Vorstellung von einem Nashorn und sind bis in die Gegenwart bekannt. Sie sind als Vorlage für eine heraldische Stilisierung besonders geeignet, da Dürers das Äußere des Nashorns ähnlich wie einen mittelalterlichen Ritterharnisch gestaltete und eine „korrekte Anatomie“ im Wappenwesen nebensächlich ist beziehungsweise vernachlässigt werden kann:

„Rhinocerus“ von Albrecht Dürer aus dem Jahre 1515
Rhinoceron. Zeichnung Dürers. Nürnberg 1515. Feder und Tinte auf Papier. British Museum, London. Die Ankunft des Tieres in Lissabon ist in dem Begleittext mit 1513 datiert.

„Dürer stellt das Panzernashorn dar, als sei es, einem mittelalterlichen Ritter ähnlich, mit einem lose auf dem Körper aufsitzenden Eisenpanzer armiert. Der Übergang der Panzerplatte zur Bauchplatte erinnert entsprechend auch an die Einbuchtungen von in Metall geschlagenen Nieten; die Nähte des Panzers stimmen jedoch weitgehend mit dem Verlauf der dicken Hautfalten eines indischen Panzernashorns überein. Dürer gibt die Oberfläche des Panzers wieder, als sei sie gefleckt, der zugefügte Text weist auf eine Farbe ähnlich einem „gespreckelten“ Schildkrötenpanzer hin. Da die Haut von Panzernashörnern an den Hinterbeinen und in der Schultergegend warzenförmige Erhebungen aufweist, kann es sich jedoch um eine Fehlinterpretation der nicht erhaltenen Skizze aus Lissabon handeln. Die Haut an den Beinen wirkt schuppig und erinnert an Kettenhemden, ebenfalls Bestandteil einer mittelalterlichen Ritterrüstung. Im Genick des Tieres befindet sich ein zweites, kleines und gewundenes Horn.“

Deutschsprachige Wikipedia (2017)[2]

Nashorn in englischen Familienwappen

In der englischen Heraldik erscheint die Nashornfigur bevorzugt in der Crest, beispielsweise im Wappen der Familie „Waad/Wade“ beziehungsweise von William WadeW-Logo en.png (1546–1623) oder bei Sir Robert Gardiner of Breckles, Norfolk († 12. Februar 1619/20).

Nashorn im Zunftwappen der Worshipful Society of Apothecaries

Nashorn als Helmzier (Zunftwappen der Society of Apothecaries of London)
1617-1700: Wappen mit Nashorn auf einer Pillenfließe („pill tile“; darauf wird z. B. eine Arzneimischung zu einer Pille gerollt)

Dem tradionellen Londoner Berufsverband der Apotheker („Worshipful Society of Apothecaries“W-Logo.png) wurde am 12. Dezember 1617 von Clarenceux King of Arms William CamdenW-Logo.png ein Gilden-/ZunftWappen verliehen, welches in der Helmzier ein Nashorn zeigt. Der Grund für die Wahl des Motivs könnte damit zusammenhängen, dass aus den Hörnern der Rhinozerosse durch Pulverisierung angeblich ein Arzneistoff gewonnnen werden kann (dieser wird seit etwa 2000 Jahren durch die chinesische Medizin zur Fiebersenkung und Behandlung diverser Krankheiten eingesetzt). Die Nashorn-Darstellung in der Verleihungsurkunde von 1617 basiert auf Dürers Darstellung eines Rhinocerus von 1515.[4] Weiter erscheinen in dem Wappen:

Wappenschild In Silber Apollo, der „Erfinder der Medizin“, mit strahlendem Kopf, in der Linken einen silbernen Bogen haltend, in der Rechten einen ebensolchen Pfeil, auf einen Wyvern drauftretend Azure, Apollo, the inventor of Physic, proper, his head radiant, holding in his left hand a bow and in his right hand an arrow Or, supplanting a serpent argent
Helmzier/Crest Auf dem gold-blau bewulsteten Helm mit rot-silbernen Decken ein stehendes Nashorn On a wreath Or and azure, A rhinoceros statant proper. Mantled gules, doubled argent.
Schildhalter Auf beiden Seiten ein goldenes Einhorn mit silbernem Horn, Mähne und Hufen On either side a unicor: Or, armed and unguled argent.
Motto „Überall in der Welt werde ich der Hilfebringer genannt“[5] Opiferque per orbem dicor[5]

Nashorn in den Wappen Sudans und Südsudans

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Wappen des Sudan
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Wappen des Südsudan

Das Nashorn findet sich als nationales Emblem beziehungsweise als Schildträger in der neueren Heraldik des Sudans und des Südsudans.

Wappenbilderordnung

Paraheraldik

Auch in der neueren Paraheraldik beziehungsweise im Kontext von Militärinsignien, Unternehmenszeichen, Logos, Reenactorwappen/-abzeichen oder ähnlichem ist die Nashorn-Figur weltweit gebräuchlich (vgl. zum Beispiel die Registrierungen von Suleyman al-Hazar [1994][6], Kendall Tempest [1994/2002][7] und Fedor Turov syn [2016][8]).

Nashorn im Zeichen der Contrada della Selva

Contrada della Selva

Ein Nashorn am Fuße einer Eiche erscheint im Zeichen der Contrada della SelvaMuster-Kreuz-inv.png.

Geflügeltes Nashorn

Rhinoceros-alatus-Logo

„Das Geflügelte Nashorn (auch Dortmunder Nashorn) ist eine Nashornfigur mit Flügeln („Rhinoceros alatus“). Es wurde während der Planungsphase (2000 bis 2002) des Dortmunder KonzerthausesW-Logo.png (..) ausgewählt, wobei es zwei Ideen zum Ausdruck bringen soll: Erstens: Obwohl das Nashorn ein recht bodenständiges Tier ist, hat es doch ein sehr feines Gehör und ist deshalb ein ideales Konzerthaus-Wappentier. Zweitens: Das geflügelte Nashorn soll dem Pegasus gleich beflügeln und zu immer neuen gedanklichen Höhenflügen anregen. So soll der Geist der Konzertbesucher auf den Schwingen des Nashorns immer ungehinderten Zugang zur Kunst haben. In den Jahren 2005 und 2006 wurde (das Motiv -- Anmerkung der Redaktion) für eine Kunstaktion in der Dortmunder Innenstadt gewählt. Sponsoren konnten für 3000 Euro eine Basisversion dieses etwa 2 Meter langen und 1,5 Meter hohen Tieres erwerben und in Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern und Jugendgruppen bemalen und künstlerisch gestalten. Die fertig gestalteten Nashörner wurden dann im Jahr 2006 an markanten Punkten in der Dortmunder Innenstadt aufgestellt. Zum Höhepunkt dieser Kunstaktion befanden sich über 120 lebensgroße Nashornfiguren in der Stadt. Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurden zusätzlich von der Stadt Dortmund Nashörner in den Landesfarben der in Dortmund spielenden Nationen angefertigt und vor dem Stadthaus platziert. Diese Nashörner entwickelten sich zu einem Fotomotiv für die Gäste der Fußball-Weltmeisterschaft. Nach dem Ende der Kunstaktion verblieben die Nashörner im Besitz der Sponsoren. Einige befinden sich bis heute in der Dortmunder Innenstadt. Die Nashörner in den Landesfarben wurden versteigert.“

Deutschsprachige Wikipedia (2017)[9]

Weblinks

Commons: Nashörner in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Nashorn – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Michel Popoff: Le rhinocéros dans l'héraldique (deutsch ‚Das Nashorn in der Heraldik‘), S. 353-386 (französisch; Auszug aus: Anagnorismos: studi in onore di Hermann Walter per i 75 anni, Brüssel, Maison d'Érasme, 2009)

Einzelnachweise

  1. J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 88
  2. Seite „Rhinocerus“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Dezember 2016, 22:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Rhinocerus&oldid=160348860 (Abgerufen: 10. April 2017, 09:38 UTC)
  3. Loggia im zweiten Stock des Palazzo Pontifici, Vatikan
  4. Underwood E. A (Hrsg.): Science, Medicine and History. Vol. 1. 1953. Seite 347
  5. 5,0 5,1 Das volle Zitat aus dem ersten Buch von Ovids Metamorphosen (Daphne und Apollo) lautet:

    Inventum medicina meum est, opiferque per orbem dicor, et herbarum subiecta potentia nobis. Hei mihi, quod nullis amor est medicabilis herbis; nec prosunt domino, quae prosunt omnibus, artes!
    „Medizin ist meine Erfindung, überall in der Welt werde ich der Hilfebringer genannt, und die Kraft der Kräuter ist in meiner Macht. Aber ach! weil es keine heilenden Kräuter gibt für die Liebe; und so helfen nicht dem Herrn, die Fähigkeiten, die allen halfen!“

  6. Outlands College of Heralds. Roll of Arms. Internet. Abgerufen: 11. April 2017. Wappenbeschreibung: „In Grün drei silberne, schreitende Nashörner übereinander. (engl.: vert, in pale three rhinoceroses passant argent)
  7. a roll of arms for the great kingdom of an tir. Internet. Abgerufen: 11. April 2017. Wappenbeschreibung: „In Silber ein rotes, aufrechtes Nashorn.“ (engl.: Argent, a rhinoceros rampant gules.)
  8. SCA Laurel Sovereign of Arms. Internet. Abgerufen: 11. April 2017. Wappenbeschreibung: „In Blau eine stehendes goldenens Nashorn.“ (engl.: Azure, a rhinoceros statant Or.)
  9. Seite „Geflügeltes Nashorn“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. März 2017, 14:12 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gefl%C3%BCgeltes_Nashorn&oldid=163873905 (Abgerufen: 11. April 2017, 12:04 UTC)