Steinhaufen (Heraldik)
Ausdrücke wie → Berg, → Fels/Felsen, → Schroffen, → Stein, → Steinhaufen, → Vulkan und so weiter werden in der heraldischen Literatur der Vergangenheit teilweise synonym verwendet, teilweise voneinander abgegrenzt. In der Früh-/Hochblüte der Wappenkultur ist die Gestaltung dieser Wappenfiguren keineswegs in jedem Fall eindeutig. Erst in der neueren heraldischen Literatur versucht man, die Ausdrücke und entsprechende Wappenfiguren möglichst exakt zu bestimmen.
Steinhaufen | |
Steinhaufen (auch „ein Haufen Steine“, Steinstapel, Steinhügel, mißverständlich Steinturm, Steinberg oder ähnlich genannt; französisch tas de pierres; englisch heap of stones) ist im Wappenwesen ein vager, mehrdeutiger und uneinheitlich verwendeter Ausdruck für mehrere Wappenfiguren, deren Darstellungen sich voneinander unterscheiden. Sie kommen als eher geometrisch gestaltete Heroldsbilder und als gemeine Figuren vor, wobei letztere sich gewöhnlich an das Idealbild einer „Anhäufung von Steinen“[1][2] anlehnen.
Darstellung
In der Heraldik gibt es keine Vorgaben, mit welcher Anzahl von einzelnen Steinen eine Figur expressis verbis als „Steinhaufen“ beschrieben werden soll. Allgemein kann ein Steinhaufen-Motiv in einem Wappen in Form einer einzigen Fläche gestaltet sein, wobei Konturlinien im Motiv und/oder eine bogenförmig, gezackt oder unregelmäßig gezeichnete Begrenzungslinie den Eindruck eines Steinhaufens vermitteln; sie kann darstellerisch aber auch in Form von zwei, drei oder mehr eigenständigen, oft in mehreren Lagen auf- beziehungsweise zueinander gestapelter Steinfiguren erscheinen.
Die Ausprägung und Art einer Wappenfigur sollte mit Angaben hinsichtlich der Stellung und der Anzahl äußerst sorgfältig gemeldet werden, damit nachvollziehende Wappenkünstler diese zu allen Zeiten einheitlich aufreissen. Bei einer exakten Blasonierung ist es zweitrangig, ob die jeweilige Figur als ein „Steinhaufen“ oder als eine bestimmte/unbestimmte Anzahl „Steine“, die in einer bestimmten Form zueinander gestellt sind, angesprochen wird.
Steinhaufenfiguren unterscheiden sich dahingehend, welcher Anhäufung von Steinen sie nachempfunden sind beziehungsweise welche Steinhaufenform sie symbolisieren.
Steinmännchen (auch Steinmann, Steinmandl, Steinmanderl, Steinmannli, Steindaube oder ähnlich genannt; frz.: cairn, montjoie; engl.: cairn)
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Steinmandl, Kaisergebirge, Österreich |
(neueres digitales Muster; nach Andreas Janka) |
Steinpyramide (engl.: cairn)
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Moderne „Steinpyramide“ an der Grenze der Grafschaften Durham und Northumberland, England | Wappen Opotschka |
(Natürlicher/gemeiner) Steinhaufen
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Natürlicher Steinhaufen Saldurkamm, Ötztal |
Muster: WBO, Nr. 1111 |
Steinmännchen
Gewöhnlich sind Steinhaufenfiguren mittelalterlichen Steinmännchen beziehungsweise Wegzeichen nachempfunden, die Pfade von Dorf zu Dorf oder Passwege über Gebirgskämme kennzeichneten, als es in unzugängigeren Regionen kaum Straßen und nur Fuhrwerke gab. Diese waren bei Nebel oder dichter Bewölkung, wenn das umliegende Gelände verhüllt war und wenig Orientierung bot, und bei Schneebedeckung, oft lebenswichtig.[4]
In einem Wappen sollten Steinmännchen mit mehr oder weniger kegel-, keil-, zylinder- oder pyramidenförmig aufgeschichteten größeren Steinen mit mindestens drei Lagen erscheinen, da eine drei- oder mehrlagige Anordnung als Zufallsergebnis von Naturkräften unwahrscheinlich ist. Gewöhnlich werden nur ein, zwei, maximal drei Steine pro Lage nebeneinander dargestellt.
Steinmännchen im Wappen Kommuneqarfik Sermersooq, Grönland
Steinhaufen beziehungsweise steinhaufenartige Gebilde sind in vielen Kulturen und Gebieten der Erde in unterschiedlichen Funktionen in Gebrauch (als Weg-, Gedächtnis-, Vermessungs-, See-, Markierungs-, Stellvertreter-, Religions-, Opfer-, Grab-, Sprach-/Schriftzeichen, als Kultbild/-stätte, Wohnsitz für Schutzgeister). Das Wappenwesen trägt den unterschiedlichen lokalen respektive zeitgenössischen Steingebilden insofern Rechnung, dass sie bei der Blasonierung optional unter ihrem Eigennamen gemeldet werden können, auch wenn sie durch der heraldischen Stilisierung darstellerisch nur schwer oder gar nicht von anderen Steinhaufenfiguren abgrenzbar sind (die Inuksuit der Eskimos finden sich beispielsweise im Wappen von Nunavut, die finnischen Kummeli im redenden Wappen von Kumlinge).
Inuksuk
1924: Inuksuk (Enukso Lake, Nunavut)
Emblem von Peter Irniq
Kummeli
Kummeli als Nebenfigur (unter dem Reiter; Wappen Raahen)
Steinpyramide
Nicht immer sind heraldische Steinpyramiden oder Anhäufungen von Steinen einem „Steinmann“ nachempfunden; manchmal weisen sie auf ein besonderes Gesteinsvorkommen, auf eine spezielle Gesteinsformation, auf einen Steinbruch oder ähnliches hin oder sind ein redender Hinweis auf den Wappenführenden. Beispielsweise ist der pyramidenförmig geschichtete „Opokasteinhaufen“ (= „Kieselkalktonsteinhaufen“) im Wappen von Opotschka (Герб Опочки, Герб Опочецкого района) als Referenz auf den Ortsnamen zu deuten.[5]
1781: Opokasteinhaufen (Wappen von Opotschka)
2001: Sich verjüngender Opokasteinhaufen in Naturfarbe aus sechs Reihen (Opotschka)
(Natürlicher/gemeiner) Steinhaufen
Die Figur (natürlicher/gemeiner) Steinhaufen ist einer Steinanhäufung nachempfunden, bei der eine unbestimmte Anzahl Steine, ungeachtet ihrer Größe, ohne menschliches Zutun beieinander verfrachtet liegen und eine Art Einheit bilden. Eine Steinhaufenfigur liegt in der Heraldik auch vor, wenn das heradische Motiv nur einem einzigen Stein beziehungsweise einem erratischen Block nachempfunden ist, der durch geophysikalische Prozesse und bei flüchtiger Betrachung als „Steinhaufen“ wirkt. Beispielsweise verdankt die Gemeinde Pierrafortscha ihren Namen einem erratischen Block, dem „pierrafortscha“ (in Schweizer Patois „la pierre fourchue“, „der gegabelte Stein“); im Wappen der Gemeinde erscheint der Block durch die heraldische Stilisierung wie ein Steinhaufen aus zwei, direkt nebeneinander liegenden Steinen.
Steinblock, der wie ein Steinhaufen wirkt (Steinblock, gegabelt, links höher und breiter, mit zwei Spitzen Pierrafortscha)
Wappenbilderordnung
- Die Figur Steinhaufen wurde zusammen mit der Figur natürlicher Berg in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Erde unter der Nr. 1111 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Lemma Steinhaufen. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Duden online „Steinhaufen“
- ↑ Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo, hrsg. vom Herold - Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin. Bearb. von Jürgen Arndt und Werner Seeger, 2 Bde, 2. ergänzte u. berichtigte Aufl., Neustadt a. d. Aisch 1990-1996 (kurz: WBO). Bd. 1.: Wappenbilder; Bd. 2: General-Index.
Editorische Notiz: Zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner (Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890). Band 2: S. 315 - ↑ Seite „Steinmännchen“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. September 2017, 22:26 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Steinm%C3%A4nnchen&oldid=168883475 (Abgerufen: 5. November 2017, 14:04 UTC)
- ↑ Das historische Wappen von Opotschka wurde am 28. Mai 1781 von Kaiserin Katharina II genehmigt (ПСЗРИ, 1781, Закон № 15162; Digitalisat).