Vierberg
Der Vierberg (englisch quadruple mountain oder mount[ain] of four coupeaux; französisch mountain de quatre coupeaux oder tertre de quatre coupeaux) ist in der Heraldik eine seltene Wappenfigur. Sie erscheint als Farbfläche mit vier nebeneinander bogenförmig nach oben gewölpten Kreisteilen mit gleicher Höhe (1:1:1:1) oder mit zwei in der Mitte höher angeordneten Kreisteilen (1:2:1) und kann eine gemeine Figur oder ein Heroldsbild im Wappen sein.
Geschichte
Eine Vierbergfigur ist im Wappenwesen eine von mehreren Möglichkeiten, sinnbildlich beziehungsweise heraldisch stilisiert das Idealbild eines Berges (Landform, die sich über die Umgebung erhebt) darzustellen. Bildlich erscheint das Motiv im Wappenwesen spätestens seit dem 13. Jahrhundert (vermutlich schon früher), wobei es in älteren Quellen gewöhnlich nicht mit dem Fachausdruck „Vierberg“ beschrieben wird, sondern als „Berg mit vier Kuppen (Hügeln, Bühlen)“[1] oder einfach nur als „Berg“. Der Heraldiker Gustav Adelbert Seyler führt folgende Familien an, die im 13. Jahrhundert das Motiv in ihrem Siegel oder als Wappenmotiv geführt haben sollen:[2]
„Das (normännisch-) schildförmige Siegel eines Grafen von Vaihingen vom J(ahr) 1230 enthält einen auf ledigem Vierberg stehenden Löwen[3] (..) Das Wappen der Grafen von Calw (erloschen 1262) (..) Dieses Wappen ist identisch mit demjenigen der Grafen von Löwenstein, welches die Züricher Rolle (..) abbildet (..) Siegel (..) des Friedrich von Wildenstein an einer Urkunde von 1262[4] (Hirsch auf Vierberg). Hainricus miles dictus de Hundesberc (Altbayern) führt in seinem Siegel von 1269 im Schilde auf ledigem Vierberg einen Hund (..) Conrad Fürst von Hirschberg führt in seinem schildförmigen Siegel vom Jahre 1239 einen schrägen Vierberg, welchen ein Hirsch erklimmt.[5]“
1591: Wolkenförmiger Vierberg (Wappen der Grafen von Vaihingen und Calw; nach Wolleber)
Darstellung
Gewöhnlich ist eine Vierbergfigur in der unteren Schildpartie bzw. im Schildfuß untergebracht. Dort stellt sie ein Heroldsbild dar, wenn sie als Wappenschnitt von Schildrand zu Schildrand verläuft; erscheint sie dagegen „frei“ oder schwebend im Wappen, wird sie als gemeine Figur aufgefasst. Dieser Fall sollte bei der Wappenbeschreibung gemeldet werden.
In der Normalform wird der Vierberg grün und ohne Konturlinien zwischen den vier Kreisteilen tingiert. Andere heraldische Tingierungen sind möglich, wobei darauf zu achten ist, dass die Farbkombination von Vierberg und Wappenschild oder Feld nach den heraldischen Farbregeln gebildet sein sollte. Alle Besonderheiten einer Vierbergfigur (Spitzen statt Kuppen, abgeflachte Kuppen, Belegungen, Säume et cetera) sind stets zu melden.
Der Vierberg dient als Nebenfigur oft einem vierbeinigen Wappentier, das die primäre gemeine Figur im Wappen darstellt (Hauptfigur), als Standfläche (Postament). Manchmal benutzen auch Pflanzen, Gebäude o. ä. den Vierberg als Postament.
„Berg (..) wird entweder aus dem Schildesfuße empor (..) wachsend oder frei als Freiberg (..) dargestellt, und zwar mit (..) zwei, drei oder -- zur Unterstützung stehender Vierfüßer -- vier Hügeln oder Bühlen (..)“
Abgrenzung
Auffällig ist die Ähnlichkeit zwischen einem heraldischen Vierberg und einem Zwei-/Dreiberg sowie Heroldsbildern, die mit bogenförmigen Begrenzungslinien erscheinen, insbesondere wenn ein Schildfuß mit Wolken- oder Wellenschnitt beziehungsweise mit mehreren Bögen dargestellt wird. In historischen Wappendarstellungen und -aufrissen verwischen mögliche Unterschiede vollends oder sind irrelevant. Versuche der neuzeitlichen Heraldik, in der Blasonierung zwischen beispielsweise einerseits einem „Schildfuß im Wolkenschnitt“, einem „Schildfuß im Bogenschnitt“, einem Zweiberg, einem Dreiberg und so weiter -- und einem „Vierberg“ andererseits zu differenzieren, stehen im Widerspruch zum klassischen Wappenwesen, das die genaue Gestaltung eines „Bergs mit (zwei, drei, vier ...) Kuppen“ der Freiheit des Wappenkünstlers und jeweiligen Gesamtharmonie eines Wappenaufrissen anvertraute:
„Berg (..) und zwar mit (..) zwei, drei oder (..) vier Hügeln oder Bühlen (..), welche keineswegs peinlich abgezählt wurden, wie denn die alten Wappenkünstler überhaupt noch nicht so genau wie neuere Silbenstecher mit Zählerei und Zirkelei sich befaßten, sondern künstlerisch frei ihre »Visierung«, d. h. Eintheilung und Zeichnung, gestatten.“
Das die Anzahl der Hügel eines Bergs für das ältere Wappenwesen unherblich ist, kann man an vielen Beispielen zeigen, beispielsweise erscheint im Wappen derer von Helfenstein teils ein Dreiberg, teils ein Vierberg, teils ein Schildfuss, auf dem sich ein Dreiberg befindet et cetera.
ca. 1340: Vierberg; nach Zürcher Wappenrolle
1356: Schildfuss und Dreiberg; Epitaph der Adelheid von Helfenstein im Kloster Blaubeuren
15. Jahrh.: Dreiberg; nach dem Wappenbuch des Abtes Ulrich Rösch
1578/1579: Boden; nach Georg Rüxner, hier: Abschrift 17. Jhr.
Wappen der Gemeinde Kuchen, Deutschland[6]
Wappen von Altendorf, Deutschland[7]
Wappen von Vaihingen an der Enz, Deutschland[8]
Wappen von Laugna, Deutschland[9]
Wappen von Ochsenburg (Zaberfeld), Deutschland[10]
Wappen von Niederviehbach, Deutschland[11]
Symbolik
Im Wappenwesen ist der Dreiberg teilweise eine Wappenfigur, die symbolisch bzw. redend für einen Familiennamen steht, der ein Morphem wie {-Stein-}, {-Fels/en-}, {-Berg-} oder ähnliches besitzt (beispielsweise erscheint im Wappen derer von Ramensperg eine „Ramm/Widder“ auf einem „Berg/Vierberg“). Deutungen, die in den Vierberg-Figuren bestimmter Wappen Nachbildungen von natürlichen Bergen sehen (beispielsweise der Four Peaks), sind gewöhnlich nachträglich konstruiert und bei der Stiftung/Annahme/Verleihung des entsprechenden Wappens zumeist nicht belegbar oder unbekannt.
Siehe auch
Weblinks
Literatur
- Muster für die Vierbergfigur: Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 85, 87, 221 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 65.
- ↑ 2,0 2,1 Seyler, Gustav Adelbert: Geschichte der Heraldik. Wappenwesen, Wappenkunst, Wappenwissenschaft. In: J. Siebmachers großes Wappenbuch. Band A. Repgrografischer Nachdruck der Ausgabe Nürnberg 1885-1889 (1890). Neustadt an der Aisch. 1970. S. 177 f.
- ↑ Fußnote bei Seyler: „Siegel-Abguss aus von Retberg's Nachlass. Die Umschrift ist nur teilweise lesbar. Alle Buchstaben sind verkehrt graviert.“
- ↑ Fußnote bei Seyler: „Cliché aus dem Fürstenbergischen Urkundenbuch V. No. 9“
- ↑ Fußnote bei Seyler: „Siegeltafeln zum Codex Salemitanus von v. Weech No. 25.“
- ↑ Blason: In geteiltem Schild oben in Rot auf goldenem Vierberg ein stehender silberner Elefant, unten in Silber eine fünfblättrige goldene besamte rote Rose mit grünen Kelchblättern. Während der Elefant im oberen Teil an die Grafen von Helfenstein erinnert, stammt die Rose aus dem Stadtwappen von Geislingen. Die weiß-rote Flagge des Ortes wurde am 16. Februar 1959 durch das Innenministerium verliehen.
- ↑ Blason: Geteilt. oben dreimal geteilt von Schwarz und Gold; unten in Rot über goldenem Vierberg ein schwebendes, waagrechtes, silbernes Jagdhorn. Das Wappen ist durch Ministerentscheidung vom 12. November 1968 vergeben. Es nimmt Bezug auf den Sitz verschiedener Adelsgeschlechter im Ort.
- ↑ Blason: In Gold unter einer (heraldisch) rechts liegenden schwarzen Hirschstange ein auf blauem Vierberg stehender blau gekrönter und blau bezungter roter Löwe. Der Löwe stammt aus dem Wappen der Grafen von Calw-Vaihingen, die die Stadt gründeten. Die Hirschstange symbolisiert die Grafen von Württemberg, die 1339 Vaihingen erwarben. Das Wappen wurde 1530 von Kaiser Karl V. verliehen und die älteste farbige Darstellung datiert von 1535.
- ↑ Blason: Über goldenem Schildfuß, darin drei schräglinks gestellte und schräg abgeschnittene grüne Balken, gespalten von Blau und Gold; vorne ein goldenes Lilienkreuz, hinten ein schreitender schwarzer Bock auf ledigem grünen Vierberg.
- ↑ Blason: In Gold auf blauem Vierberg ein stehender roten Ochse.
- ↑ Blason: In Grün ein auf silbernem Seitenvierberg emporsteigender silberner Löwe; hinten ein von der Mitte des oberen Schildrands ausgehender goldener Schrägwellenbalken. Der Vierberg und der Löwe stammen aus dem Wappen der Grafen von Leonberg.