Calygreyhound
„Calygreyhounds“ als Helm-/Schildhalter | |
15. Jhr.: „Calygreyhound“ (Siegel des John de Vere)[1] |
Der Ausdruck Calygreyhound (auch Caleygreyhound genannt) bezeichnet eine seltene gemeine Figur, die vorwiegend im Zusammenhang mit der Heraldik der Britischen Inseln
als eine imaginäres Mischwesen erscheint, dessen genaue Ausprägung in der Literatur nicht einheitlich bestimmt ist.
Außerhalb der Wappenkultur der Britischen Inseln ist die Figur bis heute (Stand 2021) eher die Ausnahme beziehungsweise unüblich.
Geschichte
In der Frühzeit des Wappenwesens In der Frühzeit (11. bis 13. Jahrhundert) sind Calygreyhoundfiguren nicht gebräuchlich. Nach Volborth erscheint der Calygreyhound weder in einem heraldischen Lexikon noch in einem Bestiarium.[2] Im 15. und 16. Jahrhundert führte die Familie de Vere, die Earls of Oxford
, den vorgeblichen „Calygreyhound“ als Helm-/Schildhalter in ihrem Siegel/Wappen beziehungsweise als Bilddevise.[3]
Begriffsbedeutung
Das englische Wort Calygreyhound (beziehungsweie Caleygreyhound) ist eine Zusammensetzung aus den Ausdrücken caly/caley und greyhound. Letzterer Ausdruck bedeutet wörtlich ‚grauer Hund‘; er wird allgemein mit ‚Jagd-/Windhund‘ übersetzt. Die genaue Bedeutung von caly/caley ist unklar:
„(..) In seinem Buch über die Familie de Vere geht Severne A. Ashurst Majendie davon aus, daß John de Vere das Wort „cale“ meinte, das „caley“ ausgesprochen wurde. „Cale“ bedeutet etwa „herumtollen wie ein junger Bock“ (..) „Caley“ und „Colley“ sind auch alte Bezeichnungen für „Hirsch“ und „Antilope“ (..) Die Bedeutung des Wortes „caley“ und seiner Synonyme scheint umfassend genug gewesen zu sein, um eine Vielzahl von Tieren und selbst Pflanzen zu bezeichnen, die ähnliche Bewegungsmerkmale aufwiesen: Ziegen, Hirschbock, Schafe ...“
Darstellung
Die überlieferten Darstellungen und Beschreibungen eines Calygreyhounds sind in der heraldischen Literatur nicht einheitlich. Sie folgen zum Beispiel einem Zeitgeist beziehungsweise der Phantasie des aufreissenden Wappenkünstlers oder des beschreibenden Autors. „Den“ heraldischen Calygreyhound oder „die“ heraldischen Merkmale der Calygreyhoundfigur gibt es nicht.
Nach Volborth haben die heraldischen Darstellungen der Wappenfigur Calygreyhound mit einem Windhund (englisch greyhound) nur „sehr wenig gemein“.[2] Nach Bird haben Heraldiker angeblich nachgewiesen, dass der seltsame Name nicht einfach nur auf einen „Windhund/Hund“ referenziert, sondern das Wappentier der Familie de Veres eine politisch inspirierte chimärische Verschmelzung aus drei Motiven darstellt:[4]
Motiv-1: Die heraldische Antilopenfigur des Hauses Lancaster; Veres-Familienmitglieder waren Vasallen des Könighauses Lancaster![]() (Beispiel: Antilopen-Badge von Heinrich IV. ![]() ![]() ![]() | |
Motiv-2: Die Vogelklauen, die auf den Falken (Adler, Habicht) mit Engelskopf des Hauses York anspielen (Beispiel: Badge von Richard III. ![]() | |
Motiv-3: Der weiße Windhund des Hauses Tudor, bekanntes Erkennungstier der Grafen von Richmond (Beispiel: Windhund-Badge von Heinrich VII. ![]() ![]() |
„Calygreyhound“ | |
1539: Deckplatte eines schwarzen Marmorgrabs in der Castle Hedingham Church; Grab von John de Vere, 15. Earl von Oxford und seiner Ehefrau, Elisabeth, 1539, mit seinem Wappen |
Dem steht entgegen, dass die bekannten Darstellungen einer Calygreyhoundfigur gewöhnlich einen anthropomorphisierten, katzenähnlichen Kopf zeigen (viele Autoren interpretieren diesen als „Kopf einer Wildkatze“), der zu keiner der genannten drei Motive passt. Nach Volborth ist zudem unklar, was „der pflanzenähnliche Wuchs auf dem Kopf“ der Figur bedeutet,[2] den Autoren als knotige (Widder-)Hörner[5], Geweih, Blütenstengel oder ähnliches deuten:
„Es könnte sich hier um Blütenstengel mit Blütenkelchen (calyxes
) handeln oder ein normales Geweih darstellen mit dem Bast, den ein Hirsch durch Reiben an Baumstämmen abfegt.“
Keine Übereinstimmung erzielen Autoren darüber, welchem Tier der zentrale Teil des Mischwesenkörpers nachempfunden ist (teils ist von einem Hirschrumpf, teils von einem Antilopen-, Windhund- oder Katzenrumpf die Rede). Nach den meisten Autoren erscheint die Chimäre an den Vorderbeinen mit den Krallen eines Adlers, manchmal werden die Krallen aber auch als „Katzenkrallen“[5] gedeutet oder mit den Krallen der „yorkistischen Harpyie“[4] verglichen. Manche halten es für denkbar, dass die Hinterbeine einem Löwen nachempfunden sind, anderer sprechen von Ochsenbeinen/-hufen.[6] Auch beim Schwanz ist man sich nicht einig: Einerseits wird er als Löwenschwanz gedeutet, andererseits als „Pudelschwanz“[7] oder einem anderen Tier zugesprochen. Nach der englischen Wikipedia erscheint die Calygreyhoundfigur in einigen seltenen Fällen auch mit den Flügeln eines Adlers.[7]
Heraldische Vorgaben
Da der Calygreyhound selten ist, gibt es keine expliziten heraldischen Vorgaben für ihn, außer jene, die für phantastische Wappentiere allgemein gelten. Die Farbgebung des Motivs, die Bewehrung, die Körperstellung und so weiter erfolgen nach den heraldischen Regeln. Beispielsweise wird der Calygreyhound in der Grundform nach heraldisch rechts sehend dargestellt; besondere Calygreyhounddarstellungen (aufrecht, oberhalb, schreitend et cetera) sind möglich und sollten stets in einer Wappenbeschreibung gemeldet werden. Die Calygreyhoundfigur ist häufig silbern tingiert; andere Farben sind möglich. Alle Bewehrungen können in einer abstechenden Tinktur zum übrigen Körper gezeigt werden, was bei der Blasonierung angesprochen werden sollte.
Weblinks
- Calygreyhound. Internet: mistholme.com. Erstellt: 11. Dezember 2013. Abgerufen: 11. Juni 2021 (englisch)
Literatur
- Robert Sean Brazil: Oxford's heraldry explained. In: Shakespeare Matters. Vol. 5, Nr. 3. 2006. Seiten 1, 15-25. (Digitalisat auf shakespeareoxfordfellowship.org;
PDF- 2,9 MB; englisch)
Einzelnachweise
- ↑ John Gough Nichols: The Descent of the Earldom of Oxford. In: The Archaeological Journal 9. 1852. Seiten 17-29. (doi:10.5284/1066954; Wikisource-Digitalisat)
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 Carl Alexander von Volborth: Fabelwesen der Heraldik. in Familien- und Städtwappen. Belser AG für Verlagsgeschäfte & Co. KG, Stuttgart, Zürich 1996, ISBN 3-7630-2329-1, S. 116.
- ↑ Fabulous Beasts in Tudor Heraldry. In: Dragonlore - The Journal of The College of Dracology. Nr. 31, 1. April 2003, S. 4 (dragonlore.co.uk [PDF; abgerufen am 11. Juni 2021]).
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Charles Bird: Shakespeare und der „Caleygreyhound“. In: Neues Shakespeare Journal. Bd. 5. April 2000, abgerufen am 11. Juni 2021.
- ↑ 5,0 5,1 Theresa Bane: Encyclopedia of Beasts and Monsters in Myth, Legend and Folklore. Jeffersen, North Carolina, USA, 2016. ISBN 978-0-7864-9505-4. S. 74
- ↑ Modar Neznanich: Heraldic terms. (Calygreyhound). www.modaruniversity.org, abgerufen am 12. Juni 2021 (englisch, 1998-2006).
- ↑ 7,0 7,1 Lemma Calygreyhound
. Wikipedia, The Free Encyclopedia. Wikipedia, The Free Encyclopedia. Erstellt: 7. Mai 2021. Abgerufen 12 Juni 2021. (Permanent Link, englisch)