Tatzelwurm (Wappentier)

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In der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens ist eine spezielle Wappenfigur, die eigens zur Darstellung eines Tatzelwurms verwendet wird, nicht gebräuchlich.
Tatzelwurm
alternative Beschreibung
in einer Populärzeitschrift
(nach Karl Wilhelm von Dalla TorreW-Logo.png, 1887)
alternative Beschreibung
in der Heraldik
(im Oberwappen der Familie Ludwigs; nach WMH, Nr. 091/12906 von 2021)

Der Tatzelwurm oder Tatzlwurm ist ein alpenländisches Fabeltier, das in die Heraldik als gemeine Figur Eingang fand. Er wird auch Dazzelwurm, Praatzelwurm, Springwurm, Steinkatze, Stollenwurm, Beißwurm, Bergstutzen und anderes mehr genannt.

Geschichte

Es ist unklar beziehungsweise nicht ausreichend erforscht, wann genau zum ersten Mal ein Tatzelwurm als gemeine Figur in einem Wappen dargestellt wurde. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts geht der Heraldiker Oskar Göschen davon aus, dass es keine Tatzelwurmfigur in der Heraldik gibt:

„Minder fabelhaft erscheint dem Zoologen der flügellose Tatzelwurm, bekannt aus Erzählungen von den Alpen, aber nicht aus der Heraldik.“

Eduard Gaston Pöttickh von Pettenegg ergänzt in einer Fußnote dagegen, dass die „Edlen von St. Michael im Pustertal“ einen Tatzelwurm im Wappen führen würden, lässt aber offen, welche Familie dies sein soll.[1]

Darstellung

Die heraldische Darstellung des „Wurms mit Tatzen“ (Tatzelwurm) orientiert sich zwanglos an den überlieferten kryptozoologischen und mythologischen Abbildungen und an die schriftlich-mündlichen Äußerungen über das Wesen. Dies ist insofern problematisch, als es „den“ Tatzelwurm nicht gibt. Vielmehr sind eine Vielzahl verschiedener Vorstellungen über das Aussehen eines „Tatzelwurmes“ überliefert. Eine gängige historische Bestimmung aus dem frühen 20. Jahrhundert lautet:

„Tazzelwurm (Stollwurm, Bergstutz), ein fabelhaftes, 2 m langes, sehr dickes, hinten abgestutztes, graues, giftiges Reptil mit zwei sehr kurzen Vorderbeinen und zwei spitzen Ohren, lebt nach dem Volksglauben in den Bayrischen Alpen, im Berner Oberland und im Schweizer Jura.“

Meyers Großes Konversations-Lexikon (1909)[2]

Heraldische Stilisierung

Vermutlich ein Tatzelwurm in Form eines „Schwanzverzehrers“ (Ouroboros)
Wappen von Herongen (nicht ganz passend als „zweibeinige Schlange“ beschrieben)

In der Heraldik erscheint das Wesen mit einem schlangenartigen, flügellosen Unterleib mit zwei (selten mit vier oder gar sechs) prankenbesetzten Beinen, wobei die Übergänge zu anderen echsenartigen gemeinen Figuren (Schlange, Lindwurm, Nesselwurm, Eidechse, Krokodil, Drachen und so weiter) fließend sind.

Irreführende Tatzelwurmfigur

In der Wappenbilderordnung des Herold (Verein) wird der Tatzelwurm irreführend als „Drache mit den Vorderbeinen eines Bullen-/Büffels“ beschrieben (Code 6151). Diese Art der Darstellung entspricht nur entfernt dem tradierten Bild des Fabelwesens. Sie lehnt sich vermutlich an die Bezeichnung „Büffel“ an, wie der Tatzelwurm im Ennstal heißt oder an Darstellungen aus Conrad Grünenbergs Wappenbuch. Bei andern Heraldikern ist der „Drache mit den Vorderbeinen eines Bullen-/Büffels“ kein Tatzelwurm, sondern ein Lindwurm:

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Lindwurm (Wappentier)

Literatur

  • Stefan Wolf (geschrieben von Corinna Harder): TKKG - Das Biest aus den Alpen. cbj avanti, München 2011, ISBN 978-3-570-17034-2
  • Corinna Harder, Jens Schumacher, Bernhard Speh: Nessie, Yeti und Co. - Geheimnisvollen Wesen auf der Spur. Patmos Verlag, Düsseldorf 2006, ISBN 3-491-42045-8

Weblinks

Commons: Tatzelwurm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Oskar Göschen (alias Pusikan): Entstehung und Bedeutung der Wappenbilder. In: Jahrbuch der K. K. Heraldischen Gesellschaft „Adler“. Neue Folge. Band 16. Wien, 1906. S. 90.
  2. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, [S. 363-364.]
  3. Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo, hrsg. vom Herold - Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin. Bearb. von Jürgen Arndt und Werner Seeger, 2 Bde, 2. ergänzte u. berichtigte Aufl., Neustadt a. d. Aisch 1990-1996 (kurz: WBO). Bd. 1.: Wappenbilder; Bd. 2: General-Index.
    Editorische Notiz: Zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner (Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).