Tintenfisch (Wappentier)
Der Oberbegriff Tintenfisch[1] (auch Krake, Oktopus/Octopus, Polyp, Kopffüßer oder ähnlich genannt; französisch pieuvre englisch cuttle-fish; ink-fish; squid)[2] bezeichnet in der Heraldik ein seltenes Wappentier beziehungsweise eine gemeine Figur.
Darstellung
Die Darstellung der heraldischen Figur lehnt sich nicht an eine bestimmte der über 800 bekannten natürlichen Tintenfischarten an (im Fossilbericht sind weitere etwa 2000 Arten identifiziert); vielmehr ist die Figur dem Idealbild eines Tintenfisches (Coleoidea oder Dibranchiata) nachgebildet, wie es im kollektiven Gedächtnis
und beispielweise als mythische Riesenkrake
über Jahrtausende tradiert ist und sich von empirisch durchschnittlich gegebenen Realtypen abgrenzt. Im einem vagen Sinn ähnelt die Figur -- heraldisch stilisiert -- eher einer achtarmigen Krake
(mit vier Armpaaren), weniger den Sepien
oder Kalmaren
.
- Tradierte Tintenfisch-Darstellungen
1810: Riesenkalmar (Architeuthis) attackiert ein Schiff. Zeichnung von Pierre Denys de Montfort
Eine spezielle Tintenfischart, mehr oder weniger Arme/Armepaare oder ähnliche Besonderheiten sollten gemeldet werden. Da die Wappenfigur selten ist, gibt es grundsätzlich keine expliziten heraldischen Vorgaben für sie (außer jene, die für die gemeinen Figuren allgemein gelten). Die Farbgebung, die Bewehrung, bei mehreren Figuren die Stellung zueinander und so weiter erfolgen nach den heraldischen Regeln. Erscheinen Arme oder Armpaare in einer anderen Tingierung als der Rest von der Figur, ist dies anzuzeigen.
Geschichte
Eine Tintenfischfigur erscheint spätestens Anfang des 17. Jahrhunderts im Wappenwesen. Beispielsweise verlieh Kaiser Rudolf II. dem Christoph Fodor ze Špinerbachu (Christoph Fodor von Spinnerbach) ein Wappen mit einem entsprechenden Motiv (früher manchmal in der Literatur als „Spinne“ beschrieben):
„Císař Rudolf II. dal Kryštofovi Fodorovi, sekretáři při apoštolské nunciatuře na císařském dvoře (1607, 26. února) rytířský stav, aby se spal ze Špinerbachu a přidal mu tento erb: Modrý štít a na něm v moři plovoucí polyp o 8 chapadlech. Otevř. helm pod korunou s přikr. modrými červenými dvě křidla zavřená, zpodní černé a vrchní modré a mezi nimi týž polyp.“
-- August Sedláček (1925)[3]
„Kaiser Rudolf II. erhob Christoph Fodor, Sekretär der apostolischen Nuntiatur am Kaiserhof (1607, 26. Februar) in den Ritterstand, und erlaubte ihm sich „von Spinnerbach“ zu schreiben und dieses Wappen zu führen: Im blauen Schild ein im Meer schwimmender Krake mit 8 Tentakeln. Turnierhelm mit Krone und blau-roten Decken, darauf ein geschlossener Flug, hinten schwarz und vorn blau, dazwischen der Krake.“
-- Übersetzung von Gerd Hruška (2017)
Ammoniten
Ammoniten, die in der Biologe eine ausgestorbene Teilgruppe der Kopffüßer darstellen, erscheinen in der Heraldik stets als → Fossilfigur.
Paraheraldik
Die Tintenfischfigur ist ein gebräuchliches Motiv bei Phantasiewappen. Beispielsweise erscheint im Wappen des Hauses Graufreud in der Fantasiewelt „Figuren im Lied von Eis und Feuer“
(Game of Thrones
) ein goldener Kraken auf schwarzem Feld (Motto: Wir säen nicht) und im Wappen von „County of Kraikån Itomels“ in Silber ein roter Oktopus („Argent, an octopus gules; on top of the shield the shire coronet; behind the shield two gonfallons of the shire“)[4][5].
- Krake im Phantasiewappen Haus Graufreud
Tintenfischmotive erscheinen auch in Abzeichen, bei Logos, in der Militärheraldik oder in anderen paraheraldischen Zusammenhängen.
Geflügelte Krake als Armatur (Insignie der kroatischen Luftwaffe)
Krake im NRO-Missionspatch
aus dem Jahr 2013 mit dem Slogan: Nothing is beyond our reach
Logo gegen ACTA: Stopp Anti-Piraterie-Abkommen
, Piratenpartei Schweiz
Anti-Counterfeiting Trade Agreement
versus Wikipedia
Logo der Fondation Octopus
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Tintenfisch wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) von 1990-1960 nicht aufgenommen.[6]
Weblinks
- Kraken o calamar. 15. Oktober 2014, abgerufen am 16. Februar 2025 (spanisch).
Einzelnachweise
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 222
- ↑ 2,0 2,1 Thomas Robson: The British herald, or Cabinet of armorial bearings of the Nobility & Gentry of Great Britain & Ireland. From the earliest to the present time; Glossary of Heraldic Terms. To which is prefixed a history of heraldry. Collected and armanged in three Volumes. Band 3. Turner & Marwood, Sunderland. 1830. (Cuttle-Fish; Ink-Fish) Tafel 11 Figur 52
- ↑ Sedláček, August: Českomoravská heraldika, část zvláštní. Prag. 1925.
- ↑ Octopuswapppen auf Pinterest. The County of Kraikaan Itomels. Abgerufen am 16. Februar 2025 (aib-alex.deviantart.com).
- ↑ The County of Kraikaan Itomels. Abgerufen am 16. Februar 2025 (englisch, aib-alex.deviantart.com).
- ↑
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).