Kugel (Heraldik)

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Kugel
 
in der Kunst
(die „Große Rote Kugel“W-Logo.png ist eine Skulptur von Walter De MariaW-Logo.png in München)
 
in der Heraldik
(1509: Rote Kugel im Wappen des Königs von BejaiaW-Logo.png)

Kugel (englisch roundel oder roundle; französisch boule), auch Scheibe, Kreis und anderes mehr genannt, ist in der Heraldik eine Wappenfigur, die unter anderem charakterisiert wird als:

Darstellung

alternative Beschreibung
1305-1315: Drei goldene Kugeln 2-über-1; eine solche, mit Pfauenfedern besteckt, in der Helmzier (nach Codex Manesse: Der WinsbekeW-Logo.png)

Teilweise werden in der Heraldik die Begriffe „Scheibe“ und „Kugel“ nicht synonym verwendet. Man benutzt in diesen Fällen

  • den Ausdruck Scheibe, wenn das Wappenmotiv nur in heraldischer Farbe oder nur in Metall gehalten ist;
  • den Ausdruck Kugel, wenn die „Kugelgestalt“ im Wappenmotiv erkennbar ist.

Kugeln/Scheiben mit einer bestimmten Tingierung besitzen in der Heraldik (vor allem in der englischen) Eigennamen, um das entsprechende Motiv kurz beziehungsweise mit nur einem Wort zu beschreiben. Die Eigennamen werden im Laufe der Jahrhundert in der deutschsprachigen heraldischen Literatur nicht immer einheitlich verwendet. Grob kann man sich an folgendem Schema orientieren:

Name Tinktur Farbe Andere Namen Ursprung
Bezant gold.png bezant Or (Metall) Gelb Goldene/Gelbe Kugel
  • Goldmünze, Besant, Bille, Pfennig, Wappenpfennig, → Byzantiner
  • engl.: coin
Der Ursprung von kugelartigen Wappenmotiven ist nicht geklärt. Sie gehören zu den ältesten über­liefer­ten heraldischen Figuren und er­schei­nen auf Wappen bereits im späten 12. Jahrhundert.
  • Eine Theorie besagt, dass die Form den antiken Diskus­schei­ben nachgeahmt wurde (Johann Ehrenfried Zschackwitz).
  • Historisch abwegig sind Spe­ku­la­tionen, das Motiv würde sich an Kanonenkugeln oder Gewehr­kugeln anlehnen.
  • Die Möglichkeit der Nachbildung von Münzen ist nicht aus­ge­schlossen.
Idee 002.png
Heraldik-Wiki-These
Die Redaktion des Heraldik-Wiki weist erstmalig darauf hin, dass die Motive womöglich dem Ziel beziehungs­weise dem „Zentrums­kreis“ einer → Zielscheibe nach­empfun­den sind.
– Andreas Janka (2020)
Bezant silver.png plate Argent (Metall) Silber Silberne/Weiße Kugel
  • Ball
  • engl.: silver
Bezant gules.png torteau Gules (Farbe) Rot Rote Kugel
  • Pille, Kuchen
  • engl.: cake
  • franz.: häufig als torteaux pluralisiert
Bezant azure.png hurt Azure (Farbe) Blau Blaue Kugel
  • engl.: berry
Bezant sable.png pellet Sable (Farbe) Schwarz Schwarze Kugel
  • engl.: gunshot, ogress
Bezant vert.png pomme Vert (Farbe) Grün Grüne Kugel
  • engl.: apple
  • franz.: häufig als pomeis pluralisiert
Bezant purpure.png golpe Purpure (neutral) Purpur Purpurne Kugel
  • engl.: wound
Bezant fountain.png fountain Azure ir argent (neutral) Silberne Wellen auf blauem Grund Von Silber und Blau (bzw. von Blau und Silber) gewellte Kugel
  • engl.: fountain, sykes
Goldene Kugel / „Besant“ (Wappen von Villar-en-Val, Frankreich)
Medici Leo XI.jpg
Coat of arms of Medici.svg

Nach Georg Philipp Harsdörffer ist der Ausdruck „Kugeln“ für farbige Motive reserviert,

1537: Drei runde Schei­ben, „im Driangel ge­stellt“ (Wappen ScheibbsW-Logo.png)
Wappen derer von Bülow
Friedrichshagen Kirche 6.jpg

„(..) goldene nennt er Billen, silberne Bälle.“

Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[1]

In der französischen Heraldik werden scheiben- bzw. diskussförmige Wappenfiguren („Kugeln“) auch folgendermaßen unterschieden:

  • besant: Immer Metall, wenn nicht anders gemeldet: in Gold. Stellt eine Medaille dar.
  • tourteau: Immer in einer heraldischen Farbe oder in Pelzwerk. Erscheint nie als Metall.
  • boule: Immer schattiert (im Gegensatz zu „besant“ und „tourteau“)

In der englischen Heraldik sind runde Scheiben häufig Beizeichen und werden mit einem Oberbegriff als roundelW-Logo en.png bezeichnet (Roundlets, Roundels).

Kugeln werden in Wappenschildern, Wappenfeldern und im Bord, aber auch auf anderen Heroldsbildern dargestellt. Kugeln erscheinen in Ein- und Vielzahl im Wappen (die genaue Anzahl ist zu melden).

Anordnung und Anzahl von Kugeln und angrenzenden Figuren

Erscheint nur eine einzige Kugel in einem Wappen, wird diese stets in der Mitte des Wappenschildes/Feldes dargestellt, wenn nichts anderes in der Wappenbeschreibung gemeldet ist. Die Anordnung von mehreren Kugeln in Wappen ist sehr unterschiedlich. Sie kann zum Beispiel „eine über eine“ (1:1), „zwei über einer“ (2:1), „eine über zwei“ (1:2), „zwei über zwei“ (2:2) und so weiter erfolgen. Pfahlweise, balkenweise, schräglinke oder schrägrechte Anordnungen sind möglich. Es sind Wappen bekannt, die eine mehrreihige Aufschichtung ohne Berührung nach oben mit abnehmender Anzahl abbilden. Auch die quadratische Anordnung 3x3, 4x4 und mehr sind verbreitet. Wie auch immer die Andordnung der Kugel zu einander erscheint, sie sollte exakt und konsistent im Blason angegeben sein.

„(..) Gut ist es indess, die Anzahl in den diversen Reihen zum Beispiel bei den vielen Kugeln der Bülow. Bentheim. Closen und Anderen näher zu bezeichnen, also zum Beispiel »5:4:3:2:1« oder »3:4:3:2:1«.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[2]

Kugeln als Nebenfigur

Kugeln (Scheiben, Kreise ...) erscheinen in etlichen Wappen nicht als alleinige Haupfigur(en), sondern zusammen mit anderen Wappenfiguren beziehungsweise als Nebenfiguren.

Kugeln versus Münze

Keine Kugeln, sondern drei Münzen, 2:1 gestellt
(nach Siebmacher)
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Münze

Maximilian Gritzner empfiehlt, „Kugeln“ nur dann als „Pfennige“, „Goldmünze“ oder ähnliches zu bezeichnen, wenn sich eine Prägung auf dem Motiv befindet:

Kugeln oder Bälle (Tafel: XXVII. Figur 24. bis 27.): diese werden, wenn sie nicht deutlich als kugelrund gezeichnet sind, vielmehr glatt aussehen, auch als Scheiben oder „Pfennige“ blasoniert. Pfennige aber sollte man sie richtiger Weise nur dann nennen, wenn wirklich, wie es allerdings vorkommt (zum Beispiel im Wappen der von Alopaeus, Rußland und vielen Anderen) irgend welche Prägung sichtbar ist.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[2]

Kreuz mit Kugeln

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Kugelbesetztes Kreuz
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Kugelkreuz (Heraldik)

Wird ein Kreuz mit Kugeln an den Armen besetzt oder laufen die Kreuzarme in Kugelform aus, ist es ein Apfelkreuz. Beim Kugelkreuz bestehen die Arme komplett aus mehreren Kugeln.

Durchbohrt

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Durchbrochen

Wappenfiguren mit runder Kontur sind nicht immer als „Kugel“ oder „Scheibe“ anzusprechen. Erscheint beispielsweise eine Hauptfigur mit einem Kreis, der dieselbe Farbe wie der Schild oder das Feld besitzt, ist die Hauptfigur womöglich durchbohrt (beziehungsweise durchbrochen).

Ringe

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Ring (Heraldik)

Ringe (zwei Kreise mit unterschiedlichen Durchmesser, aber gleichem Mittelpunkt) gleichen dem Wappenmotiv Kugel, sind aber ein eigene Figur.

Kokarde

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Kokarde (Abzeichen)

Kugelartige Motive in Wappen sollte man nicht mit Kokarden verwechseln, die auch als Roundels oder Roundlets bezeichnet werden.

Holzscheibe

Im Wappen von MattW-Logo.png, das seit dem 12. Juni 1941 geführt wird,[3], werden drei „Holzscheiben, jeweils mit einem Kranz aus Flammenzungen“ angesprochen. Sie referenzieren auf den lokalen Fastnachsbrauch des Schybenfleuge, bei dem glühende Holzscheiben in die nächtliche Dunkelheit geschleudert werden. Holzscheibenfiguren sind im Wappenwesen selten, vermutlich sogar ein Unikum.

Wappenbilderordnung

  • Die Kugel wurde zusammen mit den Ausdrücken Ball und Scheibe in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Kugeln, Ringe, Kurvenschnitte unter der Nr. 0901 aufgenommen.

Weblinks

Commons: Kugeln in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Besants nach Anzahl der Kugeln – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Show-handle-HW.png Bernhard Peter: Einführung in die Heraldik: Stellung gleichrangiger Figuren zueinander (u. a. Kugeln)

Einzelnachweise

  1. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 241.
  2. 2,0 2,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 69, 127. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
  3. Tschudi-Schümperlin, I. And Winteler-Marty, J. : Glarner Gemeindewappen. Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus, 1941. Mit 32 Linolschnitten von L. Tschudi. in ngw.nl - Heraldry of the World - Matt (GL)