Spiegel (Heraldik)
Spiegel (mhd. spiegel; lateinisch speculum; französisch miroir; englisch mirror) ist in der Heraldik eine Wappenfigur, die in unterschiedlichen Ausprägungen erscheint.
Geschichte
Eine Spiegelfigur ist als Wappenbild nicht erst seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich, wie es die Wikipedia 2019 fälschlicherweise kolportiert,[1] sondern bereits im 14. Jahrhundert (vgl. Wappen von Spiegelberg in der Züricher Wappenrolle), vermutlich aber noch wesentlich früher. Der Heraldiker Ralf von Retberg bestimmte schon im 19. Jahrhundert die Figur bei folgenden Familien:
„Spiegel (..) wird als eine kreisrunde, andersfarbig, meistens g(olden) eingefaßte b(laue) Scheibe mit einem Stifel als Handgriff dargestellt (..), als Wappenbild der uralten Spiegel (de Speculo) zum Dessenberge, zum Irrgang, im Litt, zu Pickelsheim, v(on) Röden, v(on) Rodenberg, vom Ufer u(nd) a(nderen) m(ehr) am Niederrhein und in Westfalen.“
Darstellung
Die Spiegelfigur ist -- heraldisch stilisiert -- dem Idealbild eines mittelalterlichen Spiegels nachempfunden. Sie wird in der heraldischen Literatur unter anderem charakterisiert als:
- Heroldsbild: Wenn ein Spiegel/Handspiegel bis zu den Schildrändern/Feldrändern reicht oder der Spiegel als „geometrische“ (flache, kreisrunde, unkörperliche) Scheibe (gegebenenfalls mit unkörperlichen Stiel) erscheint.
- Gemeine Figur: Wenn ein Spiegel oder Handspiegel (frz. miroir à main; engl. hand-mirror) nicht bis zu den Schild-/Feldrändern reicht beziehungsweise leicht plastisch, leicht räumlich, leicht reliefartig, leicht schattiert oder irgendwie ornamiert erscheint.
- Geometrische Sonderform (Kugel, Ringe, Kurvenschnitte)
- Schwebende Schildteilung
Grundsätzlich sind verschiedene Ausprägungen der Figur voneinander abzugrenzen. Beispielsweise wird eine Spiegelfigur mit Handhabe (Stiel) gewöhnlich als „Handspiegel“ beschrieben, eine Spiegelfigur ohne Griff dagegen als „(gemeiner) Spiegel“.
Handspiegel
„Handspiegel (nennt man zum Unterschied den Spiegel mit Stiel) und hat natürlich anzugeben, von welcher Färbung der Rahmen (den jeder Spiegel haben muß) und der Stiel ist.“
Spiegel (gemein)
„Spiegel (Tafel XXVIII. Figur 70. bis 71.): kommen entweder rund, ohne Stiel (Figur 70.) oder länglich viereckig ohne Stiel (siehe das Wappen der Rheinischen von Weise) oder rund mit Stiel vor (..)“
Spiegel im Wappen der von Spiegel
Viereckiger, schwarzgerahmter Spiegel (Spiegelberg
, altes Wappen)
Spiegel als Nebenfigur
Im Wappen erscheint der Spiegel zuweilen auch als Nebenfigur (wird zum Beispiel von einer anderen Wappenfigur wie einem Meerjungfer, einem Affen oder ähnlichem gehalten).
„(..) Es erscheint aber auch häufig der Spiegel in der Hand einer Meerjungfer als ovaler Spiegel; auch kommt es vor, dass Affen oder Meerkatzen ihn halten, im ersteren Falle deutet er symbolisch die Ebbe des Meeres , im letzeren die Eitelkeit des Affen an.“
Affe mit Spiegel im Oberwappen der Familie von Dahn
Spiegel mit Schlange
„Ein ovaler Spiegel, um dessen Griff sich eine Schlange windet, im rechten blauen Obereck ist das Kennzeichen der Comtes-sénateurs der Napoleonischen Heraldik (Tafel V. Figur 9.).“
(Wappen von François-Marie d’Aboville
)
Wappenbilderordnung
- Der (Hand)Spiegel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Haus- und Küchengeräte unter der Nr. 9085 aufgenommen.
- Der (geometrische) Spiegel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Kugeln, Ringe, Kurvenschnitte unter der Nr. 0921 aufgenommen.
Weblinks
Commons: Spiegel in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Literatur
- Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 373 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 173 Bild 12; S. 221 Bild 4; S. 240 Bild 2 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
Einzelnachweise
- ↑ Seite „Spiegel (Heraldik)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. Juli 2019, 14:20 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Spiegel_(Heraldik)&oldid=190367368 (Abgerufen: 16. Januar 2020, 01:24 UTC)
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 45.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 Maximilian Gritzner: J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 134