Gestürztes Wappen

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Ein gestürztes Wappen als Hinweis auf das Aussterben des Geschlechts derer von HailfingenW-Logo.png in der Klosterkirche Bebenhausen
1224/1225: Gestürzter Schild als Zeichen der Trauer (Rücksiegel Graf Albert II. von Orlamünde nach Otto Hupp)
 
Matthäus Paris notierte den Tod von Baldwin de Redvers, 6. Earl of Devon, in seiner Historia Anglorum mit einer Darstellung seines auf den Kopf gestellten Wappens, 13. Jahrhundert.
 
Das umgedrehte Wappen mit der Armbrust symbolisiert den Tod von Richard Löwenherz (Buchmalerei in der Historia Anglorum des Matthew Paris. London, British Library, Royal MS 14 C VII, fol. 85v (1250–1259))
1242: Gestürzte Wappen (Darstellung aus der Chronica Majora des Matthäus Paris, 13. Jhr.)

Ein gestürztes Wappen (auch gestürzter Schild genannt) ist ein Wappen, „das um 180° gedreht dargestellt wird“[1], also in gewissem Sinn „auf dem Kopf“ steht.

Darstellung und Deutung

Wappen mit gestürzten Schild als Zeichen der Trauer

Am Beispiel der Rücksiegel des Grafen Albert II. von Orlamünde und HolsteinW-Logo.png aus den Jahren 1223 bis 1225, die einen gestürzten „normännischen“ Schild zeigen, so dass seine Spitze in die Halsöffnung des Helmes hineinragt, führt Otto Hupp im Jahre 1927 überzeugend aus, dass mit dieser Schildstellung TrauerW-Logo.png ausgedrückt wird.

„Wir sehen: im Mittelalter ist der umgekehrte Schild das Zeichen der Trauer! Er entsprach etwa unserer HalbmastflaggeW-Logo.png.“

Otto Hupp (1927)[2]

Trauerstellung des Schildes ist beim Tod eines wichtigen Herrschers oder Familienmitglieds oder auch zur Erinnerung an vielbeachtete Ereignisse, wie z. B. im Falle des Albert-Rücksiegels die Gefangennahme von König WaldemarW-Logo.png und seines Sohns im Jahr 1223, gebräuchlich.

Gestürztes Wappen als Teil des Memorialwesens

Gestürtzte Wappen findet man auf Grabmälern, EpitaphienW-Logo.png, Grabsteinen, Todesanzeigen und Grabaltären. Das gestürzte Wappen zeigt an, dass mit dem Verstorbenen auch das Geschlecht erloschen ist, das heißt, dass es keine Nachfahren dieses Geschlechtes im MannesstammW-Logo.png mehr gibt. Dabei reicht es nicht aus, dass es keine Nachkommen des Verstorbenen gibt, sondern für das Geschlecht als Ganzes keine männlichen Nachfahren hat.[1]

Gestürzter Schild: kopfstehender Wappenschild. Der hauptsächlich auf Grabsteinen vorkommende gestürzte Schild sollte symbolisieren, daß der Verstorbene der Letzte seines Geschlechts war.“

Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[3]

Gestürzter Helm

Auch ein gestürzter Helm -- mit oder ohne Helmzier -- kann Symbol des Memorialwesens sein. Beispielsweise war Hans von Stadion, als er 1458 starb, kinderlos; in diesem Sinne zeigt sein Epitaph heraldisch rechts hinter seinem Turnierkolbenarm einen gestürzten Helm mit Helmzier (letzere bestehend aus Kissen, Wurfangel, Pfauenstoß), auch wenn die Familie von Stadion bis 1908 in anderen Linien weiter blühte.

Gestürzte Wappen als Ehrverletzung

Gestürzte Wappen im Schandbrief der Grafen von Schaumburg (1541/42)

In Scheltbriefen (auch: Schandbriefe, Schmähbriefe genannt) und in SchandbildernW-Logo.png finden sich zuweilen gestürzte Wappen. Der Sturz eines Wappens dient in diesen Fällen einerseits der zumeist öffentlichen Schmähung/Ehrverletzung, andererseits ermöglicht die gestürzte Wappendarstellung die Identifizierung der noch lebenden Wappenführenden (Geschlecht, Familie, Person), die mit dem Scheltbrief angeklagt oder geschmäht werden sollen.

„Es kommt aber auch vor, daß Wappen dazu dienen, die Ächtung eines Herrn bekanntzumachen. Dann dreht man es um (..) So tat man auch bei entehrenden Verurteilung.“

D. L. Galbreath; Léon Jéquier: 1942/1990[4]

Neben dem gestürzten Wappen wird eine geschmähte Person in ehrverletzender Pose gezeigt, zum Beispiel mit den Füßen an einem Galgen aufgehängt, auf ein Folterrad gespannt, am Pranger stehend oder beim Ritt mit entehrenden Tieren (Esel, Sau) et cetera.[5]

„Nach altem Aberglauben übertragen sich solche bildlich dargestellten Martern und Demütigungen direkt auf die echte Person. Stellvertretend „geschändet“ wurden meist die Bürgen des Schuldners oder dessen Siegel (beziehungsweise deren Wappen -- Anmerkung der Heraldik-Wiki-Redaktion).“

Wikipedia (2013)[6]

Gestürztes Wappen als Wappenminderung

Das Wappen der portugiesischen Stadt Castello Rodrigo, gestürzt, um den Verrat der Stadt während der Portugiesischen RevolutionW-Logo.png von 1383 bis 1385 anzuzeigen.

Teilweise können gestürzte Wappen auch eine Form der Wappenminderung sein, die zum Beispiel bei Hochverrat durch königliches Dekret, durch eine Wappenbehörde oder ähnlichem erlassen wird. Inwieweit Wappenführende diese Form der Wappenminderung und Entehrung beim Gebrauch ihres Wappens in die Praxis umsetzten, ist noch nicht ausreichend erforscht beziehungsweise nicht hinreichend durch Quellen bestätigt. Es kann angenommen werden, dass Wappenführende darauf verzichteten, durch einen invertierten Schild beziehungsweise durch ein gestürtzes Wappen für ihre „Unehre“ zu werben.

Siehe auch

Weblinks

Show-handle-HW.png Bernhard Peter: Gestürzte Wappen

Commons: Gestürztes Wappen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Scheltbriefe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Show-handle-HW.png Bernhard Peter: Gestürzte Wappen. Internet. Erstellt: 2007, 2013. Abgerufen: 05. Februar 2017
  2. Hupp, Otto: 3. Rücksiegel des Grafen Albert II. von Orlamünde und Holstein. In: Wappenkunst und Wappenkunde. Beiträge zur Geschichte der Heraldik. München 1927. S. 52
  3. Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 159.
  4. Galbreath, D. L.; Jéquier Léon: Handbuch der Heraldik. Augsburg 1990. S. 253.
  5. Wolfgang Schild – Die Geschichte der Gerichtsbarkeit, München: Verlag Georg D. W. Callwey 1980. Lizenz für Nikol Verlagsgesellschaft mbh, Hamburg 1980 S. 153 ISBN 3-930656-74-4
  6. Seite „Schandbild“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 10. März 2013, 10:15 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schandbild&oldid=115200706 (Abgerufen: 13. August 2013, 16:05 UTC)