Gestürztes Wappen
Ein gestürztes Wappen (auch gestürzter Schild genannt) ist ein Wappen, „das um 180° gedreht dargestellt wird“[1], also in gewissem Sinn „auf dem Kopf“ steht.
Darstellung und Deutung
Wappen mit gestürzten Schild als Zeichen der Trauer
Am Beispiel der Rücksiegel des Grafen Albert II. von Orlamünde und Holstein aus den Jahren 1223 bis 1225, die einen gestürzten „normännischen“ Schild zeigen, so dass seine Spitze in die Halsöffnung des Helmes hineinragt, führt Otto Hupp im Jahre 1927 überzeugend aus, dass mit dieser Schildstellung Trauer ausgedrückt wird.
„Wir sehen: im Mittelalter ist der umgekehrte Schild das Zeichen der Trauer! Er entsprach etwa unserer Halbmastflagge.“
Trauerstellung des Schildes ist beim Tod eines wichtigen Herrschers oder Familienmitglieds oder auch zur Erinnerung an vielbeachtete Ereignisse, wie z. B. im Falle des Albert-Rücksiegels die Gefangennahme von König Waldemar und seines Sohns im Jahr 1223, gebräuchlich.
Gestürztes Wappen als Teil des Memorialwesens
Gestürtzte Wappen findet man auf Grabmälern, Epitaphien, Grabsteinen, Todesanzeigen und Grabaltären. Das gestürzte Wappen zeigt an, dass mit dem Verstorbenen auch das Geschlecht erloschen ist, das heißt, dass es keine Nachfahren dieses Geschlechtes im Mannesstamm mehr gibt. Dabei reicht es nicht aus, dass es keine Nachkommen des Verstorbenen gibt, sondern für das Geschlecht als Ganzes keine männlichen Nachfahren hat.[1]
„Gestürzter Schild: kopfstehender Wappenschild. Der hauptsächlich auf Grabsteinen vorkommende gestürzte Schild sollte symbolisieren, daß der Verstorbene der Letzte seines Geschlechts war.“
Gestürzter Helm
Auch ein gestürzter Helm -- mit oder ohne Helmzier -- kann Symbol des Memorialwesens sein. Beispielsweise war Hans von Stadion, als er 1458 starb, kinderlos; in diesem Sinne zeigt sein Epitaph heraldisch rechts hinter seinem Turnierkolbenarm einen gestürzten Helm mit Helmzier (letzere bestehend aus Kissen, Wurfangel, Pfauenstoß), auch wenn die Familie von Stadion bis 1908 in anderen Linien weiter blühte.
Epitaph des Hans von Stadion, †1458
(Werk von Jörg Syrlin dem Jüngeren)
Gestürzte Wappen als Ehrverletzung
In Scheltbriefen (auch: Schandbriefe, Schmähbriefe genannt) und in Schandbildern finden sich zuweilen gestürzte Wappen. Der Sturz eines Wappens dient in diesen Fällen einerseits der zumeist öffentlichen Schmähung/Ehrverletzung, andererseits ermöglicht die gestürzte Wappendarstellung die Identifizierung der noch lebenden Wappenführenden (Geschlecht, Familie, Person), die mit dem Scheltbrief angeklagt oder geschmäht werden sollen.
„Es kommt aber auch vor, daß Wappen dazu dienen, die Ächtung eines Herrn bekanntzumachen. Dann dreht man es um (..) So tat man auch bei entehrenden Verurteilung.“
Neben dem gestürzten Wappen wird eine geschmähte Person in ehrverletzender Pose gezeigt, zum Beispiel mit den Füßen an einem Galgen aufgehängt, auf ein Folterrad gespannt, am Pranger stehend oder beim Ritt mit entehrenden Tieren (Esel, Sau) et cetera.[5]
„Nach altem Aberglauben übertragen sich solche bildlich dargestellten Martern und Demütigungen direkt auf die echte Person. Stellvertretend „geschändet“ wurden meist die Bürgen des Schuldners oder dessen Siegel (beziehungsweise deren Wappen -- Anmerkung der Heraldik-Wiki-Redaktion).“
Gestürztes Wappen als Wappenminderung
Teilweise können gestürzte Wappen auch eine Form der Wappenminderung sein, die zum Beispiel bei Hochverrat durch königliches Dekret, durch eine Wappenbehörde oder ähnlichem erlassen wird. Inwieweit Wappenführende diese Form der Wappenminderung und Entehrung beim Gebrauch ihres Wappens in die Praxis umsetzten, ist noch nicht ausreichend erforscht beziehungsweise nicht hinreichend durch Quellen bestätigt. Es kann angenommen werden, dass Wappenführende darauf verzichteten, durch einen invertierten Schild beziehungsweise durch ein gestürtzes Wappen für ihre „Unehre“ zu werben.
Siehe auch
Weblinks
Bernhard Peter: Gestürzte Wappen
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Bernhard Peter: Gestürzte Wappen. Internet. Erstellt: 2007, 2013. Abgerufen: 05. Februar 2017
- ↑ Hupp, Otto: 3. Rücksiegel des Grafen Albert II. von Orlamünde und Holstein. In: Wappenkunst und Wappenkunde. Beiträge zur Geschichte der Heraldik. München 1927. S. 52
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. S. 159.
- ↑ Galbreath, D. L.; Jéquier Léon: Handbuch der Heraldik. Augsburg 1990. S. 253.
- ↑ Wolfgang Schild – Die Geschichte der Gerichtsbarkeit, München: Verlag Georg D. W. Callwey 1980. Lizenz für Nikol Verlagsgesellschaft mbh, Hamburg 1980 S. 153 ISBN 3-930656-74-4
- ↑ Seite „Schandbild“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 10. März 2013, 10:15 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Schandbild&oldid=115200706 (Abgerufen: 13. August 2013, 16:05 UTC)