Vierblatt (Heraldik)

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Vierblatt
 
in der Natur
(Vierblättrige EinbeereW-Logo.png; paris quadrifolia; mit Frucht)
 
in der Heraldik
(zugespitzt und gestielt; nach WBO, Nr. 2603)

Das Vierblatt (‚etwas, das aus Vier Blättern besteht‘ oder ‚etwas, das vier Blätter hat‘;[1] auch vierblättrige Blume [fleur quarte feuille; flos tetraphyllus][2], Kreuzblume oder ähnlich genannt;[3] lateinisch quadrifolium; englisch quartfoil [slipped], quatrefoil, quaterfoil, caterfoil, four leaved grass[4], four-leaf clover, cross-quarter oder ähnlich), teilweise in der Literatur mit einer kleeähnlichen, vierblättrigen Pflanze gleichgesetzt, teilweise davon abgrenzt, ist in der Heraldik eine gemeine Figur, die sich aus vier pflanzenblattartigen Formen zusammensetzt, die gemeinsam eine Einheit bilden.

Vorbemerkung

1338: Vierblatt an geästetem Stiele (Siegel des Wilhalm de Watzmannsdorff; nach Siebmacher, 1904 bzw. nach Adler, 1874)
Drei-, Vier-, Fünf-, Sechs-, Sieben-, Achtblatt ... und so weiter

Die gemeine Figur Vierblatt steht (mit dem Dreiblatt beginnend) in einer Reihe anderer Wappenfiguren, die sich in der Darstellung und im Namen durch die Anzahl der „Blätter“ unterscheiden; die Ausdrücke sind bevorzugt im Kontext mit laub- oder blütenblattförmigen Wappen-/Siegel­motiven gebräuchlich, „welche man nicht zu benennen weiß“:[5]

„Blumen, dreyblätterige, vierblätterige, fünfblätterige. Diese Ausdrücke, die von der Zahl der Blätter hergenommen sind, gebraucht man von Blumen, deren eigentliche Namen man nicht weiß. Sie sind also Zeichen unserer Unwissenheit (..)“

„Blätter und Blumen, welche man nicht zu benennen weiß, werden nach der Zahl der Läppchen angesprochen als Vier- oder Fünfblatt (..)“

Mangels Quellen oder durch die heraldische Stilisierung ist bei vielen frühen Wappen beispielsweise unklar oder unbekannt, ob eine vorhandene Vierblattfigur ursprünglich ...

  • einer realen Pflanzenspezies nachempfunden ist
  • ohne Anlehnung an eine spezielle Naturform frei gestaltet wurde
  • auf die offenen Flächen zwischen Metallteilen zurückgeht, mit denen Kampfschilde band-/kreuzartig verstärkt wurden.

In der Früh-/Hochblüte der Wappenkultur wird zwischen den einzelnen „Blattfiguren“ und deren Gestaltung nicht klar differenziert. Ein und dasselbe Familienwappen kann beispielsweise in einer Quelle mit einer Vierblatt-, in einer anderen mit einer Fünfblattfigur aufgerissen sein. Erst in der neueren heraldischen Literatur versucht man, die einzelnen Blattfiguren möglichst exakt voneinander abzugrenzen.

Darstellung

Gewöhnlich sind bei der Figur Vierblatt vier heraldisch stilisierte, ideale „Pflanzenblätter“ um einen Mittelpunkt konzentrisch angeordnet und miteinander verbunden. Die Erscheinungsform der einzelnen Pflanzenblätter eines Vierblatts ist nicht vorgeschrieben und schwankt von Wappen zu Wappen, von Aufriss zu Aufriss. Mal erscheinen die einzelnen Pflanzenblätter rundlich, mal zugespitzt, elliptisch, linealisch, nierenförmig, herzförmig, pfeilförmig, mandelförmig und so weiter (vergleiche BlattformW-Logo.png). Die Begrenzungslinien der einzelnen Blätter eines Vierblatts können besondere Ränder haben, die dann zu melden sind (zum Beispiel: gezahntes Vierblatt). Oft ähnelt die heraldisch nicht wohlspezifizierte Figur einer kleeähnlichen, vierblättrigen Pflanze, zum Beispiel dem SauerkleeW-Logo.png (oxalis tetraphylla), dem KleefarnW-Logo.png (marsilea quadrifolia) oder aber der EinbeereW-Logo.png (paris quadrifolia):

Die Ausrichtung der vier Blätter der Figur ist nicht fest vorgeschrieben, sondern obliegt der künstlerischen Freiheit des aufreissenden Wappenkünstlers, sollte sich aber nach der Gesamtharmonie eines Wappens richten. Teils erscheint die Gesamtfigur „stehend“, das heißt, die vier einzelnen Blätter sind „kreuzförmig“, je eines nach oben, unten, rechts und links ausgerichtet; teils erscheint sie „liegend“ bzw. „schrägkreuzweise“, das heißt, ein Blatt ist nach schrägrechts-oben, eines nach schrägrechts-unten, eines nach schräglinks-oben und eines nach schräglinks-unten ausgerichtet. Manchmal wird die Vierblattfigur mit, manchmal ohne Stiel dargestellt, was stets gemeldet werden sollte. Das Zentrum der Gesamtfigur ist teils ohne besondere Ausprägung, teils bebutzt und teils rund durchbrochen, so dass die Schild-/Feldfarbe sichtbar ist (die genaue Ausprägung sollte stets in einer Wappenbeschreibung angezeigt werden). Gelegentlich ist eine Vierblattfigur auch als gemeines laubendiges Kreuz oder als gemeiner laubendiger Schragen ausgeführt, wobei die Längs- und Querbalken im Zentrum teils miteinander „verschmolzen“ sind, teil übereinander liegen.

Alle heraldischen Tinkturen sind gebräuchlich; bevorzugt erscheinen die Vierblattfiguren in Grün, manchmal in Gold oder Silber, seltener in einer anderen heraldischen Farbe. Sind der Stiel, Einzelblätter oder ein evtl. vorhandener Butzen anders tingiert als die Gesamtfigur, ist dies zu melden.

Vierblattausprägungen

1655: Vierblatt, Typ 4 (Wappen von Utzingen, nach Siebmacher)

Wie unheitlich eine Vierblattfigur je nach Tradition, Mode, Zeithorizont etc. gestaltet ist, kann man anhand historischer Darstellungen aus unterschiedlichen Quellen von ein und demselben Wappen demonstrieren.

Beispielsweise bestimmen Autoren späterer Jahrhunderte die Wappenfigur im Wappen derer von Utzingen (das ist ein freiherrliches Geschlecht, welches während dem 13. und 14. Jahrhundert mit Besitzungen im OberaargauW-Logo.png blühte) gewöhnlich als „Vierblatt“ -- doch wird die Figur je nach Quelle deutlich unterschiedlich aufgerissen. Auf einem Wappenfries des 14. Jahrnunderts von St. Urban (ehemaliges Zisterzienser-Kloster im Kanton Luzern in der Nähe von Zofingen) erscheinen die Konturen der Wappenfigur weniger wie ein florales MotivW-Logo.png, sondern wie symmetrische Metallbänder, wie sie bei echten Kampfschilden zur Verstärkung angebracht waren, wobei in der Gesamtansicht die vier mandelförmigen Flächen zwischen den Bändern wohl eher beiläufig wie ein vierblättriges Kleeblatt anmuten (Typ 1). In der Spiezer ChronikW-Logo.png von 1484/85 erscheint die Figur dagegen eher wie eine Kugel/Scheibe, aus der vier weitere, gleichartige, um die Zentrumskugel angeordneten Kugeln/Scheiben „ausgezogen“ sind (Typ 2). In einer Chronik von Johannes StumpfW-Logo.png aus dem Jahre 1548 und in einer Handschrift des 18. Jhr. von Erhard Dürsteler ist die Wappenfigur wiederum als echtes, schragenweises BlattwerkW-Logo.png gestaltet; 1548 mit zwei übereinander gekreuzten Stielen (Typ 3a), im 18. Jhr. mit vier Stielen, die schrägkreuzförmig „zusammengewachsen“ zu sein scheinen (Typ 3b). Bei Aegidius Tschudi finden sich im 16. Jahrhundert zwei weitere Varianten: Einerseits wird die Figur wie ein Wolkenschragen dargestellt (Typ 4); diese Form finden wir auch im Alten Siebmacher von 1655. Andererseits wird eine Art liegendes, vierblättriges Kleeblatt dargestellt, das im Zentrum der Figur rund durchbrochen ist (Typ 5). Im 20. Jahrhundert kommen noch zwei Varianten hinzu: Victor Rolland reist die Figur ebenfalls in der Mitte rund durchbrochen auf, gestaltet die Blätter aber nicht kreisrund, sondern gespitzt zulaufend. (Typ 6); und im Berner Wappenbuch erscheint kein liegendes Vierblatt, sondern ein stehendes und die Blattform ist eher zwiebelförmig (Typ 7).

Typ 1 Typ 2 Typ 3a Typ 4
Ströhl Wappen Utzingen 01.jpg
alternative Beschreibung
Sturm Wappen Utzingen.jpg
alternative Beschreibung
14 Jhr.: nach einem Wappenfries (nach Hugo Gerhard Ströhl, Abb. von 1899) etwa 1485: nach Spiezer ChronikW-Logo.png 1548: nach Johannes StumpfW-Logo.png (nachträglich durch die Red. koloriert) 1530-1572: (nach Aegidius Tschudi)
Typ 5 Typ 3b Typ 6 Typ 7
alternative Beschreibung
alternative Beschreibung
Coat of arms family ch utzingen.jpg
alternative Beschreibung
16. Jhr.: (nach Aegidius Tschudi) 1706-1724: (nach Erhard Dürsteler) 1903-1926: nach Victor Rolland 1932: nach Berner Wappenbuch (von Hürzeler u. Bösch)

Nach Richental führte Conrat von Utzingen eine weitere Variante in seinem Wappen: Sein Schild besitzt einen schwarzen Bord und die eigentliche Wappenfigur ist als eine Art Mandelkreuz (vgl. Otelles) gestaltet (Typ 8).

Weitere Varianten

Weitere Varianten der Vierblattfigur sind vor allem in der englisch- und französischsprachig geprägten Wappenkultur zu finden, wo man ein Vierblatt oft stehend und mit vier runden Armen gestaltet, die jeweils am Ende zu einer kleinen Spitze ausgezogen sind.

Vierblatt in Mehrzahl

1846: Besät mit bebutzten Vierblättern (nach Biedenfeld)

Das Vierblatt erscheint in Ein-, Zwei- oder Dreizahl in Wappen (zum Beispiel „2-über-1“ oder ähnlich), kann aber auch in größerer Anzahl eine andere Wappenfigur begleiten oder ein Schild/Feld besäen oder bestreuen.

Abgrenzung

Vierblatt versus Vierpass

Vierblatt versus Vierpass
(in der Architektur)
 
 
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Vierpass

Die Ausdrücke „Vierblatt“ und „Vierpass“ werden in der Umgangssprache und in der allgemeinen Literatur teilweise synonym verwendet, teilweise voneinander abgegrenzt. Beispielsweise unterscheidet Hermann Alexander MüllerW-Logo.png zwischen einem „Vierblatt“ („ein aus vier Spitzbogen zusammengesetztes Maaßwerk“, Figur 1465) und einem „Vierpaß“ („ein aus vier Halb- oder Dreiviertelstreifen zusammengesetztes Maaßwerk“, Figur 1466) -- wohingegen Pierer's Universal-Lexikon die Ausdrücke gleichsetzt („Vierpaß [..] 2) [Vierblatt, Quatrefeuilles], Maßwerk, welches, von Halbkreisen umschlossenes Quadrat bildet“).[7][8]

In der Heraldik kann es dadurch zu Verwechslungen kommen. Grundsätzlich sollte eine Vierpassfigur im Wappenwesen dem gleichnamigen (gotischen) Ornament (beispielsweise aus vier nach außen weisenden Kreisbögen mit gleichen Radien) nachempfunden sein. Beispielspielsweise erscheint im Wappen von Baunatal kein Vierblatt im eigentlichen Sinn (‚etwas das vier Blätter hat‘), sondern ein Vierpass in Ornamentform. Eine Vierblattfigur sollte dagegen eher „laubblätterförmig“ stilisiert sein, das ist, nicht wie MaßwerkW-Logo.png, sondern wie vier Pflanzenblätter mit einem gemeinsamen Zentrum.

Vierblatt versus Tudorblatt

Die Ausdrücke „Vierblatt“ und „Tudorblatt“W-Logo.png (auch Tudorblume genannt; das ist ein Ornament, das für die englischen Spätgotik charakterisch ist) werden in der Literatur gelegentlich und mißverständlich synonym verwendet.

Vierblatt alias Mauscheln

Der Ausdruck „Vierblatt“ bezeichnet überdies das dem TippenW-Logo.png ähnliche Karten-Glücksspiel MauschelnW-Logo.png.

Wappenbilderordnung

Die Figur Vierblatt wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Blumen unter der Nr. 2604 aufgenommen.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Vierblatt in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Blason ville fr Garidech (Haute-Garonne).svg Lemma Vierblatt. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
  2. 2,0 2,1 Johann Christoph Gatterer: Johann Christoph Gatterers der Geschichte ordentl. Lehrers zu Göttingen Abriß der Heraldik oder Wappenkunde zum Nuzen der studierenden Jugend entworfen und zuerst mit acht Kupfertafeln erläutert, bey dieser zweyten Auflage aber mit fünf Kupfertafeln und doppelten Registern vermehrt. Nürnberg, 1774. S. 34, 87. Tafel X. Figur 506. § 72.
  3. Ferdinand von Biedenfeld: Die Heraldik oder populäres Lehrbuch der Wappenkunde für Diplomaten, Genealogen, Archivbeamte und Edelleute, aber auch mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Maler, Zeichner, Kupferstecher, Lithographen, Bildhauer, Bildschnitzer, Stein-, Metall- und Holzschneider, Lackierer, Tapeten-, Teppich- und Kutschenfabrikanten, Sticker, Conditoren etc. als Anhang zu desselben Verfassers Ritterordenswerk. Mit 530 lithographischen Figuren und einer illuminierten Bildertafel. Weimar, Bernh. Friedr. Voigt, 1846. S. 45, Figur 376 (Google)
  4. Hugh Clark: An introduction to heraldry. 1829. S. 26. Tafel VI. Figur 22. (Google)
  5. Ralf von Retberg: Kleine Bemerkungen zur Wappenkunde: 24. Blatt und Damasvierung. In: Heraldisch genealogische Zeitschrift. Organg des heraldisch-genealogischen Vereins Adler. 3. Jhrg. Nr. 10. Wien, 1873. S. 175 (Google)
  6. Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 68.
  7. Hermann Alexander MüllerW-Logo.png; Oskar MothesW-Logo.png: Illustrirtes archäologisches Wörterbuch der Kunst des germanischen Alterthums, des Mittelalters und der Renaissance sowie der mit den bildenden Künsten in Verbindung stehenden Ikonographie, Kostümkunde, Waffenkunde, Baukunde, Geräthkunde, Heraldik und Epigraphik. Für Archäologen, Sammler, Kunsthistoriker, Freunde des Alterthums und der Geschichte. 2 Bände. Otto Spamer, Leipzig 1877 /78 (Digitalisat Band 1, Band 2) S. 965
  8. Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 578. (Digitalisat)
  9. Der Hessische Minister des Inneren: Genehmigung eines Wappens und einer Flagge der Stadt Baunatal, Landkreis Kassel, Regierungsbezirk Kassel vom 27. November 1968. In: Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1968 Nr. 51, S. 1891, Punkt 1467 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 5,1 MB]).