Rabe (Wappentier)
Das Wappentier Rabe (französisch corbeau; englisch raven) ist in der Heraldik eine seit dem Mittelalter bekannte gemeine Figur.
Darstellung
Seine Darstellung orientiert sich am natürlichen Vorbild, erfolgt aber gemäß der heraldischen Regeln stilisiert. Im Wappen erscheint er teilweise als von einen Dreiberg auffliegender Vogel (Scherbvogel) mit breit ausgestreckten Flügeln.
Wird nichts anderes gemeldet, wird der Rabe komplett in Schwarz dargestellt. Jede andere heraldische Tinktur des Raben ist möglich, sollte aber gemeldet werden. Um Verwechslungen zu vermeiden oder eine schwarze Tingierung zweifelsfrei festzulegen, kann man im Blason auch den tautologische Ausdruck „schwarzer Rabe“ verwenden. Manchmal wird in der neueren heraldischen Literatur auch die Meinung vertreten, daß der Rabe „immer“ in Schwarz im Wappen erscheinen soll:
„Der Rabe, ob flug- oder kampfbereit, ob streitend oder stehend, erscheint stets in schwarzer Farbe einschließlich der Bewehrung, dem kräftigen Schnabel und den überdimensionalen Füßen.“
Dem steht entgegen, daß ausnahmsweise, aber nachweislich einige Raben mit anderer, nicht schwarzer Tingierung gemeldet und im Wappen geführt wurden und werden. Beispielsweise erscheint ein silberner Rabe im Familienwappen Cimenti (Deutsche Wappenrolle, Nr. 6242/68) und im Wappen der Familie Wehlen (nach Ledebur und Konrad Blažek/Siebmacher)[2][3] sowie im Gemeindewappen von Rödern[4]; einen goldenen und einen blauen Raben führt die schwedische Gemeinde Tolkskolan.
Ungewöhnliche Rabentinktur, hinten: Silberner Rabe (Rödern)
Blauer und goldnener Rabe
(Wappen Tolkskolan)
Das Motiv kann mit anderfarbigen Beinen oder Zunge (Bewehrung) dargestellt werden, was zu melden ist. Ring, Zweige, Eichel oder andere Beigaben hält der Rabe zuweilen im Schnabel. Außerdem wird er auch bekrönt im Wappen geführt.
Siebmacher
„Rabe: sowohl „stehend“ (Tafel XVIII. Figur 37, 38) wie „flugbereit“ (Figur 36.) „kampfbereit“ (Tafel XVIII. Figur 39., 40.) und „streitend“ (Tafel XVIII. Figur 41.) (Göler v. Ravensburg) vorkommend. In Grünenbergs Wappenbuch, welches als massgebend angesehen werden muss, ist übrigens der Vogel im Wappen der letztgenannten Familie ursprünglich mehr als höherer Raubvogel, das heißt mit Adlersschnabel abgebildet. Gewöhnlich wird der Rabe mit Ring, Siegelring (Tafel XVIII. Figur 38.) — von Trotha — auch wohl mit einem Käse (von Rahenau) im Schnabel dargestellt. Drei schreiende hintereinander stehende Raben führten Tafel XVIII. Figur 42. die † Burggrafen von Stromberg. Den Wappenvogel dieser Familie als „Dohle" anzusprechen, will uns nicht richtig scheinen, die Familie ist zu alt, um einen solchen gewöhnlichen Vogel als Wappenbild zu führen. Die „Dohle" kommt auch unseres Wissen sonst nirgends in Wappen vor.“
Stehender Rabe
(beide Krallen zum unteren Schildrand, auf Dreiberg oder anderem Grund; hier: mit Ring)[6]
Wappen mit Raben
Abgrenzung
Der Rabe ist leicht mit anderen Wappentieren, insbesondere mit anderen Rabenvögeln zu verwechseln.
- Wird er als stehender Vogel mit angelegten Flügeln dargestellt, ist die Verwechslung mit dem Wappentier Elster möglich.
- Die Darstellung im Wappen gleicht jenen von Dohle und Krähe. Bei nicht eindeutigen Wappenaufrissen muss die Wappenbeschreibung oder der Wappenstifter/-führender das Wappentier klären.
Verbreitung
- Die schottischen Grafen Corbet führten den Raben bereits 1170 im Wappen. [7]
- Rabenau (Sachsen) ist ein typisches Beispiel für einen Ort, in dem das Wappen nach dem Ortsnamen gewählt wurde, auch wenn dort heute eine slawische Toponomastik nachgewiesen ist. Das Wappen ist somit ein redendes Wappen.
- Die Familie Rabe von Canstein ist ein freiherrliches westfälisches Adelsgeschlecht, das seinen Namen von der Burg Canstein im östlichen Sauerland herleitet, führte einen gekrönten Raben mit goldenen Fängen im Wappen.
- Die Wettiner und auch die Adelsfamilien der Biron hatten im Wappen diesen schwarzen Vogel.
- Die Adelsfamilie Schwarzenberg führt im Wappen einen Raben, welcher einem Türkenkopf die Augen aushackt.
Rabe/Krähe (1909, gemäß Arthur Charles Fox-Davies, in Anlehung an Grünenbergs Wappenbuch)
Wappen der Corbet Baronets of Moreton Corbet [8]
Symbolik
Obwohl nicht eindeutig geklärt ist, ob der Rabe Gutes oder Schlechtes symbolisiert, gibt es viele Wappen mit dem Raben. „In der Wappenkunst ist der Rabe seit dem Mittelalter vertreten, etwa im Wappen der Familie Corbet, des Gutes Ravenstein, der sächsischen Stadt Rabenau, der Familie Biron (Kurland) und des Klosters Einsiedeln (Schwyz, dort als Attribut von St. Meinrad)“.[9] Außerhalb der Heraldik spielt das Motiv Rabe durch die Jahrtausende und weltweit eine widersprüchliche Rolle, die je nach Kultur und Zeitgeist variiert. Das Lexikon der Symbole zählt Ende des 20. Jahrhunderts folgende Deutungen auf:
„Rabe, in Mythik und Symbolik Sammelbezeichnung für den Kolkraben, die Rabenkrähe und die Saat- und Nebelkrähe; sie wird vorwiegend negativ gedeutet, seltener wegen ihrer Gelehrigkeit geschätzt.
- In der Bibel wird der Rabe von Noah aus der Arche gesandt, um Land zu suchen, und er bringt dem Propheten Elias Brot und Fleisch in die Wüste (später ebenso den Einsiedlern Antonius und Paulus). Negativ ist seine Bedeutung im babylonischen Kalender, wo er den 13. (Schalt-)Monat regiert.
- In der antiken Mythik ist er negativ gedeutet, entweder als indiskreter Schwätzer, der wegen dieser Eigenschaft nicht Gefährte der Göttin Athene bleiben konnte, weshalb sie an seine Stelle die Eule wählte. Auch wird erzählt, daß sein Gefieder anfangs weiß war, jedoch von Apollon zur Strafe für seine Schwatzhaftigkeit geschwärzt wurde, oder daß er von Apollon um Wasser geschickt wurde, dabei jedoch einen Baum mit unreifen Feigen sah und unter ihm wartete, bis die Früchte reiften, ehe er den Auftrag ausführte. Der Gott versetzte ihn als Sternbild Corvus (griech. Korax) unter die Sterne, wo ihn die Hydra (Sternbild Wasserschlange) vom Trinken aus der Schale (Krater, Sternbild) abhält. Dennoch galt der Rabe als Begleiter des Sonnengottes Apollon (ähnlich wie in China, wo ein – dreibeiniger – Rabe in der Sonne imaginiert wurde). Kurios ist der antike Volksglaube, demzufolge Raben ihre Eier aus dem Schnabel legen, weshalb sie von Gebärenden ferngehalten wurden, damit diese nicht unter schweren Wehen leiden sollten. Plinius erwähnt die wie »gewürgt« wirkende Stimme des Unglücksboten und meint, er allein unter allen Vögeln scheine seine Vorbedeutung zu verstehen. Positiv tritt er auf, wenn in seiner Gestalt die Einwohner von Thera (Santorin) von Apollon nach Kyrene geleitet werden, wenn ein weißer Rabe die auswandernden Böoter führt und zwei Raben Alexander d. Gr. den Weg zum Ammon-Heiligtum (vgl. Horn) zeigen. Auch auf Plastiken des Mithras-Kults sind oft Raben dargestellt.
- Im frühen Christentum wurde dem Raben vorgeworfen, daß er den Noah nicht über das Ende der Sintflut informierte, und er wurde zum Symbol des in der Weltlust Verhafteten, der seine Bekehrung aufschiebt – wie der Rabe »cras, cras« (morgen, morgen) ruft. Auch daß er von Aas (»Rabenaas«) lebt und angeblich seine Jungen vernachlässigt (»Rabeneltern«), macht ihn zum »Unglücksraben«, der Krankheit, Krieg und Tod ankündigt und sich von »Galgenfleisch« nährt.
- Bei den Nordgermanen hingegen sind zwei Raben, Hugin und Munin (»Gedanke« und »Erinnerung«), Begleiter des Gottes Odin, den sie über alles auf Erden Vorgefallene informieren.
- In zahlreichen Märchen spielen Raben die Rolle von verwünschten Menschen, in nordamerikanischen Indianermythen der Nordwestküstenstämme sogar die eines schöpferischen Übernatürlichen.
- Einige christliche Heilige werden mit Raben zusammen dargestellt (Benedikt, Bonifatius, Oswald und vor allem Meinrad – seine beiden zahmen Raben halfen, seine Leiche aufzufinden, und Raben verteidigten auch jene des hl. Vinzenz gegen Raubtiere).
- In der alchemistischen Symbolik stellt der Rabe die geschwärzte »Materia prima« auf dem Weg zum Stein der Weisen dar, wobei er oft mit einem weißen Kopf dargestellt wird – Anzeichen der erwarteten Aufhellung im Zuge der Umwandlung.
- Altchina sah, wie erwähnt, den dreibeinigen Raben als Sonnentier, und es wird erzählt, daß einst zehn solcher Vögel unerträgliche Hitze verbreiteten, bis ein Bogenschütze neun von ihnen erlegte. Ein roter Rabe symbolisierte die Könige der Chou-Dynastie (bis 256 v. Chr.), die sich mit der Sonne gleichsetzten. Raben sind Boten der Feengöttin Hsi-wang-mu und bringen ihr Speise, und bei himmlischen Turnieren fürchten sie nur die Einhörner (..)
- Im Volksmund gilt der Rabe wie die Elster als »diebisch« (»stehlen wie die Raben«), und in Island heißt es, daß Kinder keinen Rabenfederkiel als Trinkhalm benützen dürfen, weil sie sonst ebenfalls Diebe würden.
- Poetisch-symbolhaft wirkt eine von S. Golowin mitgeteilte ukrainische Legende. Danach besaßen die Raben im Paradies vielfarbige Federn, doch nach dem Sündenfall von Adam und Eva begannen sie Aas zu fressen und wurden schwarz. Erst am Ende der Zeiten im neuen Paradies wird ihre einstige Schönheit wiederhergestellt, und ihr Gekrächz wird zur wohltönenden Musik, die den Schöpfer preist.
- Evident ist nach alldem die große Bedeutung des Raben als Symbol im Sinne der Tiefenpsychologie. Er ist der dunklen Seite der Psyche nahe, kann aber auch positiv wirksam werden, wenn der Mensch die Fähigkeit hat, sich mit ihr bewußt und zielführend auseinanderzusetzen.“
Lexikon der Symbole (1989/1994/1998)[9]
Wappenbilderordnung
- Die Rabenvögel (Saatkrähe, Nebelkrähe, Kolkrabe, Dohle) wurden in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Wildvögel unter der Nr. 4891 aufgenommen.
Weblinks
Literatur
- ↑ Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 233 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
- ↑ Leopold von Ledebur: Adelslexikon der preussischen Monarchie. Dritter Band. T-Z. Nachtrag A-Z. Berlin. Ludwig Rauh. 1855. S. 90.
- ↑ Konrad Blažek: J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch: in einer neuen vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historisch-geneaolgischen Erläuterungen. Abgestorb. Preuss. Adel Provinz Schlesien. Band 6. Ausgabe 8. Teile 2-9. 1890. S. 141 Tafel 84
- ↑ Blasonierung: „In Blau eine eingebogene goldene Spitze, darin ein schwarzes Mühlrad. Vorn gestürzt und schräg gekreuzt ein silberner Spaten und eine silberne Rodehacke. Hinten ein silberner Rabe.“
Ortsgemeinde Rödern. Wappenbeschreibung und -begründung. Abgerufen am 30. September 2017.
In Anlehnung an das Wappen der Junker von Koppenstein, die allerdings einen „schwarzen“ Raben im Wappen führten. - ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie ( M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
- ↑ Im Text „stehend“, bei den Erklärungen zur Tafel XVIII. steht dagegen: „38. kampfbereiter Rabe (..)“. Vermutlich liegt hier ein Versehen vor. Ein Rabe, der einen Ring im Schnabel trägt und auf grünem Boden steht, wirkt grundsätzlich weniger „kampfbereit“, allenfalls „bereit, seinen Schatz zu verteidigen“.
- ↑ Lexikon Heraldik, Gert Oswald, VEB Bibliographische Institut Leipzig, 1984
- ↑ cr. 1808: Or, a raven sable; Debrett's Peerage, 1968, p. 204
- ↑ 9,0 9,1 Knaurs Lexikon der Symbole: Rabe. (vgl. LdS, S. 351 ff.). 1989/1994/1998. S. 873 ff.
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Rabe_(Wappentier)“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 13. August 2010 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.