Sperling (Wappentier)
Trivialnamen Im deutschen Sprachraum gibt es zahlreiche lokale Bezeichnungen beziehungsweise Trivialnamen für den Sperling, darunter zum Beispiel:[1][2][3][4]
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Der Sperling (mit der Endsilbe -ling
abgeleitet von ahd. sparo; mhd. spar für ‚zappeln‘; Koseform Spatz; französisch moineau; englisch sparrow) ist in der Heraldik ein seltenes Wappentier beziehungsweise eine gemeine Figur.
Geschichte
Wann genau eine Sperlingsfigur zum ersten Mal in einem Wappen erscheint, ist unklar beziehungsweise nicht ausreichend erforscht. Ralf von Retberg datiert ein erstes Auftreten auf das 14. Jahrhundert und führt als Referenz das Wappen derer von Lüninck an (auch Lüning, Lünig, Lenick, Luninck oder ähnlich genannt); er gibt aber weder eine zeitnahe Quelle, noch einen überlieferten Epitaph-, Siegel- oder Wappenfund an, der seine These stützen würde.[5] Kneschke und Anton Fahne lassen zwar die Lüninck-Stammreihe mit einem Deutsch-Ordenskomtur zu Köln namens Menfried von Lüninck beginnen (der um 1315 gelebt haben soll)[6][7], erstmals urkundlich erwähnt wird das Geschlecht aber erst 1444 bis 1489 mit dem herzoglich jülich-bergischen Kanzler Dietrich Lunynck († 1494).[8] Fassbar wird ein ‚Lenick‘-Wappen spätestens im Alten Siebmacher von 1605, wo von einem „schwarzen Sperling“ die Rede ist (nicht von einem „Sperling in Naturfarbe“, wie Anton Fahne kolportiert)[9].
„Lüning in den Rheinlanden, desgleichen Lenick in Westfalen führen einen (schwarzen) Sperling, welcher Vogel schon im einem glossarium des XIV. Jahrhunderts ‚luninck‘ genannt wird und in den Rheingegenden noch heutzutage ‚Lüning‘ heisst (..)“
Cave: Es gibt nicht nur ‚ein‘ Lüning-Wappen, sondern diverse, die teilweise von Nachfahren-Linien der adligen Familie geführt wurden, teilweise aber auch von Familien gleichen Namens, die nicht mit dem Adelsgeschlecht verwandt sind. Das Sperlingsmotiv kann in den Wappenvarianten an Bedeutung verlieren. Beispielsweise sind nach einer Wappenbesserung, die der fürstlich holsteinische Rat und Kanzler Johann Luening 1621 erhielt, Sperlingsfiguren nicht das zentrale Motiv seines Wappens, sondern nur Nebenfiguren, die einen Sparren als Hauptfigur allseits begleiten.
Renaissanceschild, darin Sperling auf Sichelmond (Wappen Lüning, nach ADW-Nr. 86096)
Darstellung
Die Darstellung eines Sperlings in einem Wappen sollte sich - heraldisch stilisiert - an das Idealbild der gleichnamigen natürlichen Singvögel (Sperlinge, Passeridae) anlehnen, wobei die typischen Merkmale der Vögel (kompakt gebaute Gestalt mit kurzem Hals und dünnen Füßen, einem verhältnismäßig zur Körpergröße großem Kopf mit einem kurzem, kräftigen, vorne spitz auslaufendem Schnabel, kurzem Schwanz mit zwölf Steuerfedern etc.) in der heraldischen Gestaltung besonders zu betonen sind.
In der Normalform erscheint die Sperlingsfigur in Wappen mit angelegten Flügeln in einer sitzenden/stehenden Körperhaltung und ist nach heraldisch rechts gewendet; andere Stellungen (wie zum Beispiel „fliegend“) sollten in der Wappenbeschreibung gemeldet werden.
Zur besseren Unterscheidung von vergleichbaren Vogelfiguren sollte man einer Sperlingsfigur zusätzlich ein typisierendes Attribut beigeben, zum Beispiel ein gitterförmig ins Quadrat gelegtes Spalier, auf dem die Sperlingsfigur ansitzt, ein Frauenarm (vgl. weiter unten den Abschnitt Symbolik außerhalb der Heraldik) oder etwas Ähnliches.
Tingierung der Sperlingsfigur
In Wappenwesen kommt der Sperling bevorzugt natürlich (das heißt in Naturfarbe respektive in Naturform) vor:
„Sperlinge (..) erscheinen in bekannter natürlicher Figur und Farbe (..)“
Zuweilen wird die Sperlingsfigur auch heraldisch eingefärbt, also mit nur einer einzigen heraldischen Tinktur (zum Beispiel erscheinen im Wappen derer von Sperling im blauem Schild drei silberne Spatzen zwei-über-eins). Wird die Bewehrung einer Sperlingsfigur in einer anderen beziehungsweise in einer hervorgehobenen heraldischen Farbe dargestellt, ist dies anzuzeigen (wie zum Beispiel im Wappen du Chesne „drei schwarze Sperlinge, rot bewehrt“). In der neueren Heraldik wird die Einfärbung einer Sperlingsfigur manchmal auch eher unheraldisch blasoniert. Gewöhnlich werden beispielsweise die Farben der Konturlinien von Wappenfiguren nicht gemeldet; trotzdem genehmigte das Regierungspräsidium Magdeburg am 28. Juni 2000 das Wappen Ackendorf mit der exzeptionellen (eher unheraldischen) Formulierung: „silbern konturierter schwarzer Sperling“ (im Landesarchiv Sachsen-Anhalt unter der Nr. 28/2000 registriert).
Linkssehender, stehender, silbern konturierter schwarzer Sperling (Ackendorf (Hohe Börde))
Referenzwappen
Einige heraldische Autoren führen als Referenzwappen, in denen mindestens eine Sperlingsfigur erscheint, die Wappen der Familien von Sperling, von Lüninck und von Spatzreiter[12][13][14] an:
„Sperlinge (Tafel XX. Figur 16.): im Wappen der von Sperling, von Lüninck und von Spatzenreither.“
1909-1920: Drei Sperlinge (Wappen derer von Sperling; nach Hildebrandt)
Sperling im Wappen derer von Sperl
Neben den besagten Familienwappen zählt Otto Titan von Hefner als Referenzwappen mit Sperlingsfigur auch das Wappen der Familie von Sperl auf:
„Sperling: Schwarz in Silber: Lüningk, Preußen; item auf einer goldenen Stütze sitzend in Blau: Sperl, Bayern, Sachsen.- Drei: silber in Blau: Sperling, Mecklenburg (..)“
Allerdings wird die Sperl-Wappenfigur in der heraldischen Literatur nicht einheitlich beschrieben. Im Neuen Siebmacher finden sich beispielsweise bei den Sperl-Wappen auch Figurenbeschreibungen wie Sperber, Falke oder Rabe.
Sperling im Wappen derer von Sperling
Im Wappen derer von Sperling erscheinen drei Sperlinge zwei-über-eins, die auch in Wappenderivaten zu finden sind. Beispielsweise wurde das Sperlingsmotiv aus dem Wappen derer von Sperling in die kommunalen Wappen von Retgendorf und Rubow übernommen.
Wappen der schwedischen Sperling
seit 1673: Wappen derer Conrad Graf von Reventlow (1644–1708)
Vorn zwei linksgewendete Sperlinge übereinander (Retgendorf)
Oben zwei zugewendete Sperlinge (Rubow, Dobin am See)
Wappenbilderordnung
- Die Wappenfigur Sperling wurde in der Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Wildvögel unter der Nr. 4807 aufgenommen.
Symbolik
Innerhalb der Heraldik kann die Figur ‚Sperling/Spatz‘ für den Namen eines Wappenführenden stehen. Sie eignet sich als redende Wappenfigur für Familien, die Sperling, Sperl, Spatz, Spatzenreiter, Lüning oder ähnlich heißen. Beispielsweise führte die Regensburger Familie Spatz einen Spatzen als redende Figur im Wappen.
„Sperling: gemeine Figur, die oft als redendes Wappen verwendet wurde, zum Beispiel drei Sperlinge im Wappen der mecklenburgischen Familie von Sperling (..) Meist kann nur durch den Namen erkannt werden, daß es sich bei dem entsprechenden Vogel im Wappen um einen Sperling handelt.“
Symbolik außerhalb der Heraldik
Der Sperling/Spatz ist außerhalb der Heraldik unter anderem ein Symbol für die ‚Göttin der Liebe‘ (Aphrodite), für die Prostitution (bzw. für Hetären, Mätressen, Kurtisanen etc.) sowie für Unkeuschheit im allgemeinen. Der Ausdruck Sperling/Spatz wird bis heute teilweise als Kosewort, teilweise als Schimpfname verwendet:
„Sperling (..) war in der Antike wie heute massenweise verbreitet, galt weithin als Schädling und wurde nur im Tempelbereich geschont. (Er) gehörte (..) wegen seiner Paarungsfreudigkeit zu den Symboltieren der Aphrodite. Im griech. Bereich empfahl ihn dieselbe Eigenschaft als männl. Schimpfwort und Hetärennamen, im lat. als Kosewort. Gebraten und gekocht wurde er häufig genossen; bisweilen verordnete man ihn oder auch seine Eier als Aphrodisiacum.“
Nach dem Literaturhistoriker Wolfgang Menzel ist der Sperling/Spatz ein Symbol für das „Proletariat“, außerdem ein Heiligenattribut von Remigius von Reims sowie von Dominikus.
„Sperling, der geringste unter den Vögeln und von denen doch keiner ohne Willen Gottes auf die Erde fällt. Matth. 10, 29. Luc. 12, 6. Also Sinnbild des Proletariats, der geringsten und elendesten Menschen, die dennoch unter Gottes Schutz stehen und einen Vater an ihm haben. – Sperlinge sind Attribut des heiligen Remigius, weil sie sich zahm um ihn sammelten. Ein Sperling ist auch Attribut des heiligen Dominicus, weil der Teufel ihn in der Gestalt dieses Vogels zu ärgern suchte.“
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hans-Jürgen Martin, Tier und Natur, Sperlinge (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)
- ↑ „sperling, m.“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=S33985>, abgerufen am 04.07.2021.
- ↑ „Spêrling“, Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/Adelung?lemid=S04944>, abgerufen am 05.07.2021.
- ↑ Kurt Floericke: Deutsches Vogelbuch für Forst- und Landwirte, Jäger, Naturfreunde und Vogelliebhaber. Stuttgart, 1907. S. 264.
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 53.
- ↑ Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines deutsches Adels-Lexicon. Band 6, Seite 43 (Google)
- ↑ Anton Fahne: Geschichte der kölnischen, jülichschen und bergischen Geschlechter in Stammtafeln, Wappen, Siegeln und Urkunden. Erster Teil. Stammfolge und Wappenbuch: A-Z. Köln, Bonn. 1848. S. 263 (Digitalisat; urn:nbn:de:hbz:061:1-77430)
- ↑ Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Jülich-Berg 1, 1374; Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 57, Seite 174.
- ↑ Anton Fahne: Geschichte der westphälischen Geschlechter unter besonderer Berücksichtigung ihrer Uebersiedelung nach Preussen, Curland und Liefland]. J. M. Heberle (H. Lempertz), Köln 1858, S. 287. (Google)
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 116.
- ↑ 11,0 11,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 93. Tafel 20. Figur 16. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
- ↑ Maximilian Gritzner: Standes-Erhebungen und Gnaden-Acte deutscher Landesfürsten während der letzten drei Jahrhunderte Band 1: Anhalt bis Bayern. Verlag C. A. Starke, Görlitz 1880, S. 155. Google-Buch [1]
- ↑ Das Wappen von Adam Franz Xaver Leopold Spatzenreither, auch Spatzenreiter, (* 1712; † 13. Dezember 1781 in München) nach seinem Grabstein war ein
- Gevierter Schild. Im ersten und vierten Feld ein fliegender Spatz/Sperling mit ausgebreiteten Flügeln und angezogenen Beinen. Die Felder zwei und drei mit einem aufbäumenden schwarzen Ross mit goldenem Sattel und Zaumzeug. Ein geharnischter Reiter mit schwarzer Feder auf dem Helm und ein Schwert haltend.Auf dem Schild zwei gekrönte Helme. Auf dem ersten Helm ein wachsendes schwarzes Ross mit goldenem Sattel und Zaumzeug zwischen zwei goldenen Büffelhörnern aus deren Mündung ein silberner Spatz hervorfliegt. Auf dem zweiten Helm ein Ritter mit Schwert wachsend zwischen einem offenen gold-schwarzen Flug. Die Helmdecken blau-silber und schwarz-gold. Wegen ‚Reiter‘ und ‚Spatz‘ ist das Wappen redend.
- ↑ Seite „Adam Spatzenreither“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 4. Juli 2021, 07:38 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Adam_Spatzenreither&oldid=213537088 (Abgerufen: 4. Juli 2021, 09:45 UTC)
- ↑ Otto Titan von Hefner: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik: unter steter Bezugnahme auf die übrigen historischen Hilfswissenschaften. Heraldisches Institut, München 1861, S. 79. (Google)
- ↑ Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 372 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Johannes Irmscher (Hrsg.); Renate Johne (Mitarbeit): Lexikon der Antike. 1971/1990. S. 5394 (vgl. LDA, S. 555)
- ↑ Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Teil. Regensburg, 1856. S. 400 (Google)