Glocke (Heraldik)

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Glocke
 
Mit (roter) Glocke:
(goldener Hahnekopf rot gelappt; nach WBO, Nr. -810)
 
In Blau drei (2:1) goldene Glocken (Wappen derer von Klocke; nach Otto Hupp, 1934)
 
1221: Elfuhrglocke (Pfarrkirche Ober-Mockstadt; in Zuckerhutform)
 
1578: An einem Glockenjoch hängende Glocke
(Wappen an einem ehemaligen Glockengießerhaus)

Die Glocke (frz.: cloche; engl. bell) ist in der Heraldik

Geschichte

Nach Ralf von Retberg kommen Glockenfiguren seit dem 12. Jahrhundert im Wappenwesen vor. Als Referenzwappen nennt Retberg das Wappen der Ritter von Lüdinghausen.[2] Die Glocke aus dem Wappen der Ritter von Lüdinghausen findet sich auch in neueren Wappenderivaten (zum Beispiel im Wappen der Stadt LüdinghausenW-Logo.png).

Darstellung

 
Schema: Umriss einer Glocke
 
Teile einer Glocke:
1. Joch (gehört nicht zur Glocke)
2. Krone
3. Haupt
4. Schulter
5. Flanke
6. Lippe
7. Schärfe
3. bis 7. Mantel
4. bis 7. Rippe
8. Mund
9. Klöppel
10. Ringwulst

Die gemeine Wappenfigur Glocke ist dem IdealbildW-Logo.png des gleichnamigen, selbsttönenden Musikinstruments nachempfunden. Sie erscheint gewöhnlich als kelch-/halbkugelförmige oder zylindrische KirchenglockeW-Logo.png und ist bevorzugt als BienenkorbglockeW-Logo.png, ZuckerhutglockeW-Logo.png oder mit Gotischer RippeW-Logo.png aufzureissen. Andere Glockenformen, die vor beziehungsweise nach der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens gebräuchlich waren/sind, gelten als unheraldisch.

Die Figur wird in Wappen in allen heraldischen Farben dargestellt, bevorzugt in Gold oder Silber. Die Wappenfigur kann mit oder ohne Klöppel dargestellt sein. Ist der Klöppel andersfarbig als die Glocke, so wird dies mit einer Farbangabe ([Farbe]) und dem Ausdruck beklöppelt beschrieben (beispielsweise „silberne Glocke, golden beklöppelt“).

Die Glocke erscheint hauptsächlich in Ein-, Zwei oder Dreizahl im Wappen. Eine größere Anzahl ist selten. Zuweilen werden Schildborde mit mehreren Glocken belegt. Bei Mehrzahl sollte die Stellung der einzelnen Glockenfiguren im Schild/Feld zueinander gemeldet werden (zum Beispiel: „zwei über eins“, 2:1). Auch die Ausrichtung der Glocke ist zu melden, wenn sie vom Standard -- Glockenklöppel senkrecht in Richtung unterer Schildrand, Glockenkrone senkrecht zum oberen Schildrand -- abweicht.

Nachbildung einer realen Glocke

In Wappen ist das Motiv Glocke manchmal die vereinfachte Wiedergabe einer ehemaligen oder noch bestehenden Glocke im Einzugs- oder Herrschergebiet der Wappenführenden. Nachbildungen einer realen Glocke im Wappen müssen in der Wappenbeschreibung nicht explizit erwähnt sein. Es reicht gewöhnlich aus, die Nachbildung in der klassischen Kunstsprache der Heraldik genau so zu umschreiben, dass das Motiv in einem Wappen entsprechend stilisiert wiedergegeben werden kann.

Glockenfigur, deren Darstellung sich an eine reale Glocke anleht Vorbild Wappen
IggensbachW-Logo.png Die Glocke im Wappen von Iggensbach ist der zweitältesten datierten Kirchenglocke Deutschlands nachempfunden (Standort: Pfarrkirche Maria Namen; eine sogenannte Bienenkorbglocke, trägt das Datum 1144; die LullusglockeW-Logo.png trägt dagegen die Jahreszahl 1038).
  • Blasonierung: „Gespalten; vorne wieder dreimal gespalten von Blau und Silber, hinten in Rot über einem erniedrigten silbernen Wellenbalken eine goldene Kirchenglocke.“[4]
Iggensbachglocke.jpg
Wappen Iggensbach.svg

Schwebende Glocke

Wenn eine Glockenfigur freistehend im Schild/Feld erscheint (Normalform), kann dies mit einem Ausdruck wie schwebend in der Wappenbeschreibung angezeigt werden, muss es aber nicht.

Hängende Glocke

Glockenfiguren erscheinen nicht nur freistehend oder schwebend im Schild/Feld, sondern auch hängend, das heißt in Kombination mit einem anderen Motiv. Wenn eine Glocken „hängt“, kann sie Teil eines komplexen Ganzen sein (zum Beispiel kennzeichnet eine Glocke in einem Turm diesen als Glockenturmfigur); oder aber sie ist Teil eines einfacheren Gebildes, beispielsweise eines Glockenjochs, eines Glockenstuhls oder dergleichen. Die Art und Weise, wie die Glocke mit einem anderen Motiv kombiniert ist, sollte gemeldet werden. Beispielsweise macht es für die Gestaltung eines Wappens einen Unterschied, ob eine Glockenfigur im Schallfenster einer Turmfigur „hängt“ oder ober eine Turmfigur mit einer Glocke „belegt“ ist.

CoA of Uhřice (okres Blansko).svg Miroslavas COA.gif Wappen Muenchehofe.png DE-ST 15-0-82-377 Maasdorf COA.png Glockenturm, belegt mit Glocke
DEU Nenndorf COA.svg DEU Baltrum COA.svg Erfde-Wappen.png Radikovice CZ CoA.jpg

Glockeninschriften und Glockenverzierungen

Gewöhnlich erscheinen auf einer Glockenfigur keine Inschriften, Verzierungen, Sinnsprüche, Devisen, Jahreszahlen, Glockengießerzeichen oder ähnliches. Wenn dergleichen für eine Wappen relevant ist, sollte dies in der Wappenbeschreibung gemeldet werden. Zum Beispiel erscheint auf der Glockenfigur im Wappen der Stadt LautaW-Logo.png ein Abbild des Heiligen Laurentius mit Rost; die Glocke im Wappen von Amt HaddebyW-Logo.png trägt in Runenzeichen die Aufschrift ᚼᛁᚦᛅ᛬ᛒᚢ ‚HAITHABU‘; und die Friedensglocke von Sankt MartinW-Logo.png, die im Wappen der Gemeinde Sankt Martin-Karlsbach in Österreich erscheint, trägt als Aufschrift die Jahreszahl 1200.

Glocke im Oberwappen

ca. 1340: Glocken im Oberwappen der SchnewlinW-Logo.png (nach Zürcher Wappenrolle)

Glockenfiguren werden früh im Oberwappen als Helmzier verwendet. Beispielswiese führte das süddeutsches Patriziergeschlecht SchnewlinW-Logo.png (auch Snewlin, Snewelin oder ähnlich genannt) aus Freiburg im Breisgau nach der Zürcher Wappenrolle aus dem 14. Jahrhundert im Oberwappen zwei gestürzte Glocken.

Glocke als Nebenfigur

Oft ist die Glockenfigur nicht das Hauptmotiv eines Wappens, sondern eine kleinere Nebenfigur, die sich beispielsweise im Schildhaupt, im Obereck oder in einer Vierung befindet oder andere Hauptfiguren begleitet.

Tier-/Viehglocke

Kuhglocke
 
Fleckvieh mit gehämmerter Trychel
 
in der Heraldik
(drei Kuhglocken 2-über-1; Wappen von PuolankaCoat of arms of Finland.svg)

Kleine, landwirtschaftliche Tier-/Viehglocken, die dazu dienen entlaufene Herdentiere auffindbar zu machen, kommen im Wappenwesen als gemeine Figuren vor, insbesondere die Schaf- und Kuhglocke (auch Kuhschelle, Rinderglocke, Trychle/Treichle oder ähnlich genannt; französisch cloche à vache; englisch cow bell oder zusammengeschrieben cowbell). Einerseits erscheinen Tier-/Viehglcoken freistehend beziehungsweise schwebend in Wappen; andererseits hängen sie als Nebenfigur Wappentieren (Rind, Ziege, Schaf, selten Pferd, Esel, Kamel, Rentier, Lama oder Elefant) an einem Halsband um den Hals. Gewöhnlich wird jener Teil, der die Tierglocke an einer anderen gemeinen Figur fixiert (Band, Leder oder ähnliches) in der gleichen heraldischen Farbe tingiert wie die Glocke. Weichen die Band- oder die Halsbandfarbe von der Farbe der Glocke ab, ist die Abweichung in der Wappenbeschreibung zu melden.

Glöckchen / Glöcklein

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Schelle (Heraldik)

Kleinere Glocken („Schellen“) sind oft in größerer Anzahl im Wappen. Auch Personen können solche Schellen an der Bekleidung haben, insbesondere an Hüten.

Schiffsglocke

Schiffsglocken (englisch ship bell) im Wappen sind selten.

Zersprungene Glocke

Zerbrochene Glocke (Wappen der Scharfrichterfamilie SansonW-Logo.png)

Auch „zersprungene“ oder „zerbrochene“ Glocken erscheinen gelegentlich in Wappen. Beispielsweise führte die Pariser Scharfrichterfamilie SansonWp France moderne.png (Amtszeit von 1688 bis 1847) redend beziehungsweise onomatopoetischen ein zersprungene Glocke im Schild (französisch san son ‚ohne Klang‘.[6] Die Beschädigung deutet man gewöhnlich durch einen oder mehrere Risse in der Rippe einer Glockenfigur an.

Wappenbilderordnung

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Glocke in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Kuhglocke in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Bell. Internet: mistholme.com. Erstellt: 29. Januar 2014. Abgerufen: 14. November 2020 (englisch)

Literatur

  1. Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 55.
  2. Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 9.
  3. Kreis Coesfeld: „Gespalten von Gold und Rot; vorn im oberen Drittel ein roter Balken, darunter eine rote Glocke, hinten ein stehender, gold gekleideter segnender Bischof, zu seinen Füßen eine goldene Gans.“
  4. Eintrag zum Wappen von Iggensbach in der Datenbank des Hauses der Bayerischen GeschichteW-Logo.png
  5. Hozier (1717), Tome III, Béarn, p. 21 (Handschrift, in französischer Sprache)
  6. Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 162 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).