Flug (Heraldik)
Ein Flügel (pl.: Flügel, auch Adlerflügel genannt) und ein Flug (pl.: Flüge, auch Adlerflug genannt) - letzgenannter bestehend aus zwei Flügeln beziehungsweise einem Flügelpaar - sind in der Heraldik
- ein aufgesteckter Zieraufsatz für einen Helm (→ Helmkleinod)
- eine → gemeine Figur
Wenn nicht anders beschrieben, sind ein Flügel und ein Flug immer einem Adlerflügel beziehungsweise einem Adlerflug nachempfunden. Je nach Anzahl der Flügel unterscheidet die neuere Heraldik folgende Begriffe:
1 Flügel: | = Halbflug, halber Flug, nur Flügel oder ähnlich | frz.: demi-vol; engl.: wing |
2 Flügel: | = Flug, ein Paar Flügel, Flügelpaar, zwei Flügel oder ähnlich | frz.: vol ou deux demi-vois adossés; engl.: two wings conjoined oder vol |
4 Flügel: | = Doppelflug, doppelter Flug oder ähnlich |
Eine andere Anzahl von Flügeln zur Darstellung der Motive „Flügel“ und „Flug“ ist in der Heraldik nicht gebräuchlich.
Flug als Helmkleinod
Flügel / Halber Flug
Ein Halber Flug ist in der Heraldik ein einzelner „Flügel“. Dieser steht als Helmkleinod gewöhnlich von der Stirn ausgehend in der Mitte („Helmscheitel“) des Wappenhelmes. Ein Halbflug erscheint in der Wappenhelmzier von der Seite („en profil“) oder im Halbprofil. Eine frontale Darstellung eines Helms mit Halbflug ist in der Heraldik nicht gebräuchlich (der Halbflug müßte dann als eine Art „Strich“ erscheinen, was im Gesamtbild eines Wappens irritierend wirken würde).
Geteilter (rechter) Flügel, mit Kleestängel belegt
Flügelpaar / Flug
Das Helmkleinod „Flug“ wird allgemein in Form von zwei zusammengehörenden, mit den Schwungfedern nach oben gekehrten „künstlichen Adlerflügeln“ dargestellt[1].
„(Flüge) sind mehr oder weniger naturgetreu gestaltet, die älteren aus geflochtenen Leisten geformt und mit natürlichen, oft eingefärbten Federn besteckt, die jüngeren aus Leder, Holz oder Blech, in Flügelform zurechtgeschnitten und mit Federn bemalt. Echte Flügel, Adlerschwingen, sind mit wenigen Ausnahmen ein Produkt der Papierheraldik.“
Das Helmkleinod Flug erscheint oft in den Farben des Schildes oder wird mit der Hauptfigur des Schildes bemalt. In vielen Wappen ist der Flug mit Blattstengeln belegt beziehungsweise mit Pfauenspiegeln, Straußenfedern, Sternen, Ringen, Balken oder ähnlichem verziert.
Spezifische Flüge anderer Vögel (Geierflug, Falkenflug, Habichtsflug, Gänseflug, Schwanenflug) sind in der älteren Heraldik nicht gebräuchlich.
Offener und geschlossener Flug
Je nach Stellung und Perspektive unterscheidet die Papierheraldik zwischen einem „offenen Flug“ (Helm von vorne), „geschlossenen Flug“ (Helm im Profil), „halbgeschlossenen Flug“ und so weiter. Diese Unterscheidungen sind in der älteren Heraldik nicht gebräuchlich. In neuerer Zeit setzt sich in der Heraldik die Erkenntnis durch, daß diese Begriffe für das Helmkleinod Flug überflüssig und nicht zu melden sind, da die Stellung des Helmes letztlich vorgibt, wie ein Flug im Wappen erscheinen sollte.
Name | Beschreibung | Beispiel |
---|---|---|
Offener Flug | Sind der Helm und der ausgebreitete Flug frontal zum Beschauer dargestellt, dann spricht man von einem „offenen Flug“. | |
Geschlossener Flug | Bei einem „geschlossenen Flug“ sind der Helm und die beiden Flügel von einer Seite gesehen dargestellt, wobei der hintere Flügel ein wenig sichtbar sein muss. |
Flug belegt mit Schildchen
Flug, davor Büffelhörner
Offener Flug (Wappen Albrecht Dürer)
Helm (heraldisch) rechts: Offener Flug (Wappen von Richthofen)
Vier Flügel / Doppelflug
Der Doppelflug wird mit vier Flügeln (beziehungsweise mit zwei Flügen) dargestellt. Beim Doppelflug erscheinen zwei „Flüge“ hintereinander. Das Motiv ist in der deutschen Heraldik sehr selten oder gar nicht gebräuchlich.
Die Bezeichnung Doppelflug wird von Laien, aber auch in einigen heraldischen Quellen oft fälschlich zur Beschreibung eines Fluges mit nur zwei Flügeln verwendet. Dieser Gebrauch ist mit der heraldischen Terminologie unvereinbar, weil Flug und Doppelflug unterschiedliche Motive sind, die sich durch die Anzahl der Flügel (2 oder 4) unterscheiden und im Wappen anders dargestellt werden müssen.
Siebmacher
„Einzelne Fälle in der ausländischen Heraldik zeigen (Figur 96.) 2 offene Flügel halb hintereinander, in Figur 95. das vordere Flügelpaar „erniedrigt“, dies ist aber ebensowenig heraldisch, wie die Anhäufung mehrerer Kleinode auf einem Helm (..)“
Doppelflug (laut Siebmacher)
Bernhard Peter
„Der doppelte Flug: Eine sehr seltene Variante dieser Helmzier ist der doppelte Flug. Räumlich wird es dabei sehr eng, wenn sich quasi zwei geschlossene Flüge gegenüberstehen. Ein Beispiel ist das Wappen der böhmischen Familie Waldstein (vgl. Wallenstein), nach dem Diplom vom 16.8.1758, welches auf Helm 1 (Mitte) als Helmzier zwei geschlossene Flüge führt, a) ein vorne blauer, hinten goldener Flug, Helmdecken blau-golden. Stammkleinod Waldstein, b) hinten golden, vorne schwarz mit gestürzten goldenen Lindenblättern bestreut, Decken (..)“
Flug als gemeine Figur
Flügel / Halber Flug
Wenn nichts anders gemeldet, sind bei einem Flügel oder drei Flügeln im Schild die Saxen dieser Flügel stets nach heraldisch rechts gekehrt.
Drei Flügel, Saxen aufwärts gekehrt (Wappen derer von Matsch; nach Scheiblers WB)
Flügelpaar / Flug
Wenn der Flug als gemeine Figur ohne einen Helm im Schild erscheint (die Stellung des Fluges also nicht durch der Stellung des Helmes diktiert wird), empfiehlt es sich, in der Wappenbeschreibung zwischen einem „offenen Flug“, einem „geschlossenen Flug“ und „halbgeschlossenen Flug“ zu unterscheiden (allerdings nur, wenn Wappenstifter/-führenden die Stellung zweifelsfrei festlegen wollen).
Wird nichts anderes gemeldet, sind die Saxen bei einem Flug (also bei der Darstellung von zwei Flügeln) stets gegeneinandergekehrt (auch einwärtsgekehrt genannt).
Varianten
Flügel mit Kopf
Um 1460: In Silber ein roter Adlerflügel, die Saxen nach oben gekehrt, rechts in einen gold geschnäbelten Vogelkopf auslaufend (von Ehrenberg nach Berliner Wappenbuch)
Flügel mit Schwerthand
Klauenflügel
Der Klauenflügel erscheint als „halber Flug mit einer Kralle (Fang) am Flügel“. Er ist in vielen Wappen anzutreffen. Erscheint der Klauenflügel als gemeine Figur, hält die Kralle hält bevorzugt ein Schwert.
Bannerflug
Der Bannerflug ist ein stark abstrahierter, mehr oder minder rechteckiger oder geometrischer offener Flug, der wie zwei Banner anmutet, die einen Helm oder ähnliches zieren.
Drachenflügel und Drachenflug
Die Darstellung eines Drachenfluges oder eines Drachenflügels im Wappen ist eine Besonderheit. Hierzu werden nur die Hautflügel mit den Krallen des Drachen als selbständiges Wappenbild gezeigt.
Drachenflug, dazwischen Hund
Wappenfigur zwischen zwei Flügeln
Der Flug wird seit der Frühezeit der Heraldik als Hilfskleinod benutzt, um eine gemeine Schildfigur im Oberwappen zu wiederholen. Neben der Bemalung des Flugs mit der Schildfigur findet man diese auch in Form einer plastischen Figur zwischen den zwei Flügeln des Flugs auf den Helm gesetzt (bei größeren in der Regel wachsend oder in Teilen). Beliebt ist es, an der Stelle der vorderen Gliedmaße einer Schildfigur die Flügel des Flugs zu befestigen („geflügelt“) oder die Figur halb verdeckt durch den vorderen Flügel nur mit Kopf, Brust und vorderen Gliedmaßen darzustellen.
„Zwischen (den Flügeln -- Anm. der Redaktion) steht dann oft noch die gemeine Figur des Schildes als platisches Kleinod.“
Stilfrage
Es gibt eine Reihe von Darstellungsweisen eines Flügels oder eines Flugs in der Helmzier, die in der Heraldik als „schlechter Stil“ gelten. Es handelt sich dabei um Wappen, bei denen die Blickrichtung von Helm und Helmzier nicht übereinstimmen., beispielsweise wenn ein offener Flug (Frontalansicht) auf einen Helm erscheint, der selber nach heraldisch rechts (Seitenansicht) gewendet ist; oder wenn auf einem frontalen Helm (Frontalansicht) ein Flügel oder ein geschlossener Flug erscheinen, die selber nach heraldisch rechts (Seitenansicht) gewendet sind. Für diese evidenten Stilbrüche finden sich viele Beispiele, selbst in den klassischen Wappenbüchern wie dem Scheiblerschen Wappenbuch.
Internationale Beispiele
Polnische Heraldik
In den Wappen (polnisch: Herb) des polnischen Adels ist der Flügel beziehungsweise der Flug vergleichsweise häufig gebräuchlich.
Beispiel Wappen Dolega
In blauem Felde ein silbernes, nach unten geöffnetes Hufeisen, oben besetzt mit einem goldnen Kavalierkreuz, in der Öffnung des Hufeisens ein silberner gestürzter Pfeil, dessen Spitze, hervorragt; Helmschmuck: ein Geierflügel, von links nach rechts von einem silbernen Pfeil durchschossen. Über den Ursprung des Wappens wird angeführt: In dem Kriege des Königs Boleslaw Krzywousty (1102–1139) gegen die Preußen schoss ein Ritter Dolega des Wappens Pobog aus einem Hinterhalte so glücklich, dass er den Führer der Preußen vom Pferde tötete, dessen bestürzte Leute dann von den Polen mit Erfolg überfallen wurden. Als Belohnung erhielt Dolega zu seinem Wappen Pobog den Pfeil, und das neue Wappen wurde nach ihm genannt.
Rumänische Heraldik
Das rumänische Adelsgeschlecht Iancu de Hunedoara führt einen halben Flug im Wappen.
Wappen von Iancu de Hunedoara)
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Flügel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: D. Hauptteile und Seitenteile unter der Nr. -745 aufgenommen.
- Die gemeine Figur Flug wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: D. Hauptteile und Seitenteile unter der Nr. -746 aufgenommen.
- Die gemeine Figur Flügel mit Kopf wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: D. Hauptteile und Seitenteile unter der Nr. -747 aufgenommen.
- Die gemeine Figur Klauflügel wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: D. Hauptteile und Seitenteile unter der Nr. -748 aufgenommen.
Siehe auch
- Sachsen (Heraldik) (Flügelknochen des Adlers)
- Geflügelt
Weblinks
Bernhard Peter: Der Flug als Helmzier und Hilfskleinod
Einzelnachweise und Literatur
- Gert Oswald: Lexikon der Heraldik, Mannheim - Wien - Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7
- ↑ Galbreath, D. L.; Jéquier Léon: Handbuch der Heraldik. Augsburg 1990: „Zwei zusammengehörende Adlerflügeln werden ein Flug genannt.“
- ↑ Leonhard, Walter: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung, Bechtermünz-Verlag 2003. ISBN 3-8289-0768-7
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie ( M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889.
- ↑ Bernhard Peter: Der Flug als Helmzier und Hilfskleinod – Internet: http://www.welt-der-wappen.de. Abgerufen am 19. Dezember 2017.
- ↑ Sacken, Eduard Freiherr von: Katechismus der Heraldik. Leipzig. 1893.
Dieser Artikel basiert auf dem Beitrag „Flug_(Heraldik)“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 23. März 2011 (Permanentlink: [1]). Der Originaltext steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation bzw. unter CC-by-sa 3.0 oder einer adäquaten neueren Lizenz. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Autoren verfügbar.