Tannenzapfen (Heraldik)
Im Mittelalter und im älteren Wappenwesen wurde der Ausdruck „Tanne“ als großzügiger Sammelname für viele Nadelbäume benutzt (was in ähnlicher Weise für abgeleitete Begriffe wie „Tannenzweig“, „Tannenzapfen“ und so weiter gilt); daher sind heraldische Fichtenfiguren, Kiefernfiguren etc. von Tannenfiguren nicht immer klar zu unterscheiden, was gleichermaßen für alle Figuren gilt, die Teilen von Nadelbäumen nachempfunden sind (so ist beispielsweise eine Kieferzapfenfigur nicht immer von einer Tannenzapfenfigur zu unterscheiden). Erst in der neueren Heraldik grenzt man die entsprechende Wappenfiguren voneinander ab.
Der Tannenzapfen (auch Tannzapfen, Tannzapf, Tann[en]apfel; regional Tange, Schurke, Puselke, Putzelkühe, Zutsche oder ähnlich genannt; lateinisch nux pinea; französisch pomme de pin, cône; englisch fir-cone, pine apple; italienisch pine, pigna; niederländisch pijnappel)[1] ist in der Heraldik eine gemeine Figur.
Darstellung




Die Figur Tannenzapfen ist -- heraldisch stilisiert -- dem Idealbild des gleichnamigen, länglichen, ähren- oder lanzettförmigen Fruchtzapfen der Tanne nachempfunden. Das Motiv erscheint gewöhnlich unten mit einer etwas voluminöseren Zapfenbasis mit kurzem Stiel, oben mit einer schmaleren Zapfenspitze und geschuppt beziehungsweise mit Konturlinien für die „Zapfenschuppen“, die in der Natur um die Spindel herum angeordnet sind.
Geschichte und Verbreitung
Ralf von Retberg geht davon aus, dass die Tannenzapfenfigur bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Wappenwesen erscheint und nennt als Referenz das Wappen derer von Tanne (Haus Waldburg).
„Endlich der schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorkommende Tannzapfen der Truchseß von Waldburg zu 2,1 (..), nicht mit den Biberschwänzen zu verwechseln, wie im Wappen der Biberau.“
Gewöhnlich wird das Stammwappen derer von Tanne (Haus Waldburg) in der heraldischen Literatur folgendermaßen beschrieben: „In Blau drei (2,1) goldene Tannenzapfen“.[3] Warum Otto Titan von Hefner 1861 dieses Wappen mit schwarzem Schild beschrieb, ist unklar; unterdessen führte er weitere Referenzwappen mit Tannenzapfen an, nämlich:
„Tannenzapfen: drei gold in schwarz: Waldburg und Stadion-Tannhausen (..); ebenso in Blau: Varennes, Frankreich, Bayern, und über schwarzem Dreiberg: Thanberger, Österreich.“
Maximilian Gritzer nennt als weiteres Beispiel das Wappen der Schenk von Winterstetten:
„(..) Die Tannenzapfen (Tafel XXIII. Figur 41.): führen die Waldburg-Truchsess, Stadion, Schenk von Winterstetten und Andere (..)“
Drei Tannenzapfen 2:1 (Wappen Varennes-Mondasse; nach Rolland)
Lage, Ausrichtung, Position
Botanische versus heraldische Terminologie
Ausdrücke der heraldischen Kunstsprache wie „hängend“, „aufrecht“ et cetera, mit denen unter Umständen die spezielle Exposition einer Tannenzapfenfigur im Wappen bestimmt wird, lassen keine (oder nur ausnahmsweise) Rückschlüsse zu, welche spezielle botanische Zapfenart (Tannenzapfen, Kieferzapfen et cetera) dargestellt wird. Eine „aufrechte“ Zapfenfigur kann in der Heraldik beispielsweise einen Tannenzapfen versinnbildlichen, der in der Natur „aufrecht“ steht, sie kann aber auch einen Fichtenzapfen symbolisieren, der in der Natur an einem Zweig „hängt“. |
Die „normale“ Ausrichtung oder Lage einer Tannenzapfenfigur ist in der heraldischen Literatur nicht wohldefiniert beziehungsweise nicht einheitlich festgelegt. Allgemein, das heißt ohne besondere Meldung, richtet sich die Lage von Zapfenstiel und Zapfenspitze der Tannenzapfenfigur nach der zur Verfügung stehenden räumlichen Gegebenheit beziehungsweise nach der schild-/feldfüllenden Gesamtharmonie im jeweiligen Wappen und obliegt den aufreißenden Wappenkünstlern. Die unterschiedlichen botanischen Weisen, wie Zapfen in der Natur an den Zweigen von Nadelbaumarten sitzen (bei der Tanne stehen die weiblichen Zapfen aufrecht, bei der Fichte hängen sie, bei der Schwarzkiefer stehen sie waagerecht von den Zweigen ab)[6], haben im Wappenwesen gewöhnlich keine botanische Bedeutung.
Um Mißverständnisse zu vermeiden, kann die Lage der Tannenzapfenfigur in einer Wappenbeschreibung angezeigt werden:
- „aufrecht“, „steigend“, „mit abwärts gekehrtem Stiel“ oder ähnlich bedeutet, dass der Tannzapfenstiel nach unten gerichtet ist und die Zapfenspitze zum oberen Schild-/Feldrand zeigt.
- „hängend“, „gestürzt“ oder ähnlich bedeutet, dass der Tannzapfenstiel nach oben gerichtet ist und die Zapfenspitze zum unteren Schild-/Feldrand zeigt.
In Rot ein (gestürzter) silberner Tannenzapfen (Zellhausen
)
In Silber grüner (gestürzter) Tannenzapfen (Sarrant
)
Links unten in Rot ein silberner (gestürzter) Tannenzapfen (Mainhausen
)
Tingierung
Die Tannenzapfenfigur wird bevorzugt in Silber oder Gold, manchmal in Schwarz, Grün oder Rot, selten oder gar nicht Blau tingiert. Teile der Tannenzsapfenfigur können unterschiedliche gefärbt sein. Unterschiedliche Tinkturen sind zwingend zu melden (zum Beispiel: „goldener Tannenzapfen an grünem Stiel“).
Anzahl und Stellung zueinander
Tannenzapfenfiguren erscheinen in Wappen meist in Ein-, Zwei- oder Dreizahl, seltener in Vier- oder Mehrzahl. Tannenzapfen in Dreizahl werden gewöhnlich 2-über-1 gestellt, erscheinen aber auch in anderen Stellungen (zum Beispiel als Dreipass, 1-über-2, pfahlweise oder balkenweise und so weiter).
- Zwei Tannenzapfen
Begleitet von zwei mit der Spitze nach rechts liegenden Tannenzapfen (Röt
)
Zwei (gestürzte) Tannenzapfen in verwechselten Farben (Thanheim
)
Oben zwei Tannenzapfen nebeneinander (Oberlengenhardt
)
- Drei Tannenzapfen
In Silber drei (2:1) grüne (gestürzte) Tannenzapfen (Bad Griesbach
)
Sparren, begleitet von drei (2:1) Tannenzapfen (Gründelhardt
)
Im Schildhaupt drei Tannenzapfen (Hartenholm
)
Oben drei (gestürzte) Tannenzapfen nebeneinander (historisches Wappen von Schmieh
)
Schrägbalken. belegt mit 3 mit der Spitze nach rechts oben weisenden Tannenzapfen (Unterlengenhardt
)
Tannenzapfen als Nebenfigur
Das Tannenzapfenmotiv ist als Nebenfigur eine verbreitete Beigabe zu einer Hauptfigur, beispielsweise
- zu einer Tannenfigur, an der Tannenzapfen hängen oder aufrecht stehen
- zu einem Tannenzweig mit einem odere mehreren Tannenzapfen
- zu einer Eichhörnchenfigur, die einen Tannenzapfen mit den Vorderpfoten hält
- Tanne mit Tannenzapfen
Entwurzelte Tanne mit drei Tannenzapfen (Wappen Kuusankoski
)
Grüne Tanne mit sechs roten Tannenzapfen (Walchwil
)
- Tannenzweige mit Tannenzapfen
In Gold am grünen Zweig ein roter Tannenzapfen (Neusatz
)
Unten Tannenzweig mit Tannenzapfen (Schwedelbach
)
- Eichhörnchen mit Tannenzapfen
(Pfaffing
)
Eichhörnchen, mit den Pfoten Tannenzapfen haltend (historisches Wappen von Göttelfingen
)
Tannenzapfen versus Zirbelnuss
Maximilian Gritzner verfolgt im 19. Jahrhundert die Frage nicht weiter, ob der „Zapfen“ beziehungsweise die „Zirbelnussfigur“ im Wappen von Augsburg die spezielle heraldische Umsetzung einer Tannen- oder Zirbelkieferfrucht ist:
„(..) Ob das Wappen von Augsburg die Zirbelnuss (Tafel XXIII. Figur 42.) ursprünglich nicht auch ein Tannenzapfen war, lassen wir dahingestellt.“
1889: Zirbelnuss oder Tannenzapfen? (nach Siebmacher)
Zirbelnuss oder Tannenzapfen?
(Wappen Augsburg)[7]
Symbolik
Außerhalb der Heraldik stehen Tannenzapfen manchmal für Fruchtbarkeit, Lebenskraft und Wachstum.
Wappenbilderordnung
- Die Tannenzapfenfigur wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: F. Früchte: 1. Pflanzen unter der Nr. (2031)-767 aufgenommen.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 530. (Digitalisat)
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 6.
- ↑ Vgl. zum Beispiel:
- J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, IV. Band, 10. Abteilung; Der Mährische Adel; Verfasser: H. von Kadich, C. Blazek; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1899. S. 280. Tafel 199.
- J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch: in einer neuen vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historisch-geneaolgischen Erläuterungen, Band 1, Ausgabe 3, Teil 1. Seite 65. ff. Tafel 143. Nr. 1. (Google)
- ↑ Hefner, Otto Titan von: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Unter steter Bezugnahme auf die übrigen historischen Hilfswissenschaften. München, Heraldisches Institut. 1861. S. 85 (Google)
- ↑ 5,0 5,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 104. Tafel 23. Figur 41. und 42.
- ↑ Seite „Zapfen (Botanik)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. April 2019, 08:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zapfen_(Botanik)&oldid=187492418 (Abgerufen: 10. März 2020, 13:48 UTC)
- ↑ Siehe auch: Artikel zur Geschichte der sogenannten Zirbelnuss im Stadtwappen Augsburgs mit Quellenangaben im Portal Haus der Bayerischen Geschichte, abgerufen am 26. August 2011