Tannenzapfen (Heraldik)

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Nadelbäume im Wappenwesen   
Siebmacher Tanne.jpg

Im Mittelalter und im älteren Wappenwesen wurde der Ausdruck „Tanne“ als großzügiger Sammelname für viele Nadelbäume benutzt (was in ähnlicher Weise für abgeleitete Begriffe wie „Tannenzweig“, „Tannenzapfen“ und so weiter gilt); daher sind heraldische Fichtenfiguren, Kiefernfiguren etc. von Tannenfiguren nicht immer klar zu unterscheiden, was gleichermaßen für alle Figuren gilt, die Teilen von Nadelbäumen nachempfunden sind (so ist beispielsweise eine Kieferzapfenfigur nicht immer von einer Tannenzapfenfigur zu unterscheiden). Erst in der neueren Heraldik grenzt man die entsprechende Wappenfiguren voneinander ab.

Tannenzapfen
 
in der Natur
(aufrechter junger Tannenzapfen der Edel-TanneW-Logo.png, Abies procera)
 
in der Heraldik
(drei [steigende] Tannen­zap­fen 2:1; nach Sieb­macher, 1889)

Der Tannenzapfen (auch Tannzapfen, Tannzapf, Tann[en]apfel; regional Tange, Schurke, Puselke, Putzelkühe, Zutsche oder ähnlich genannt; lateinisch nux pinea; französisch pomme de pin, cône; englisch fir-cone, pine apple; italienisch pine, pigna; niederländisch pijnappel)[1] ist in der Heraldik eine gemeine Figur.

Darstellung

Wappen derer von Tanne Haus WaldburgW-Logo.png
 
1483: (nach Grünenbergs Wappenbuch, Berlin)
 
um 1480 (nach Grünenbergs Wappenbuch, München)
(In der Regel: In Blau drei goldene Tannenzapfen; in der Berliner Ausgabe von Grünenbergs Wappenbuch ist die Feldfarbe jedoch ein damasziertes und unheraldisches Grau- bis Dunkelorange.)
(Wappen derer von Tanne Haus WaldburgW-Logo.png)
Herr Gebhart der erst Truchses zue Walltpurg (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Babo Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Manngollt Truchseß (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr hessen graue zue Than (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Friderich Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Wernnherr Graue zue Thann (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr hainnrich Truchses / Herr Eberhart truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Gebhart graue zu Thann (mit Wappen der Gemahlin Ella Gräfin von Ravensburg; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Cono graue zu Thann (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Connrat Truchses (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Otto Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Sebastion Truchses (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Berchtold Truchsess (mit Wappen der Ehefrau aus dem Hause Justingen; [falsch tingiert?]; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Schweickart truchses (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr hainnrich truchses (abgebildet als Deutschordensritter, was wohl auf einen Irrtum Pappenheims zurückgeht; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Billgerin Truchses (Domherr in Konstanz; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Eberhart Truchses (mit Wappen der Ehefrau „Fraw Anna vom Rittzins freiin“ [Anna von Rhäzuns]; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr hainnrich Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Berchtold Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Euerhardus Truchses (Eberhard von Tanne; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Vlrich Truchses (Propst des Klosters Weißenau; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Albrecht Truchseß (Conventherr in der Weißenau; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Anndres Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr fromo Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr hainnrich truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Friderich truchsess (mit Wappen seiner Ehefrau Anna von Roggenbach; nicht mit dem Haus RoggenbachW-Logo.png identisch; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Connrat Truchsess (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Berchtold Truchses (mit Wappen der Ehefrau Ytta von Talhofen [Talheim?]; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Vlrich Truchses (mit Wappen der Ehefrau Veronika von Tegernau [Degernau?]; nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)
Herr Eberhart truchses der Kostfrei (nach Hans Burgkmair d. Ä.; 1530)

Die Figur Tannenzapfen ist -- heraldisch stilisiert -- dem Idealbild des gleichnamigen, länglichen, ähren- oder lanzettförmigen Fruchtzapfen der Tanne nachempfunden. Das Motiv erscheint gewöhnlich unten mit einer etwas voluminöseren Zapfenbasis mit kurzem Stiel, oben mit einer schmaleren Zapfenspitze und geschuppt beziehungsweise mit Konturlinien für die „Zapfen­schuppen“, die in der Natur um die Spindel herum angeordnet sind.

Geschichte und Verbreitung

alternative Beschreibung
1701: Drei Tannenzapfen über Dreiberg (Wappen Thannenberger; nach Siebmacher)

Ralf von Retberg geht davon aus, dass die Tannen­zapfen­figur bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Wappenwesen erscheint und nennt als Referenz das Wappen derer von Tanne (Haus WaldburgW-Logo.png).

„Endlich der schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vorkommende Tannzapfen der Truchseß von Waldburg zu 2,1 (..), nicht mit den Biberschwänzen zu verwechseln, wie im Wappen der Biberau.“

Gewöhnlich wird das Stammwappen derer von Tanne (Haus Waldburg) in der heraldischen Literatur folgendermaßen beschrieben: „In Blau ! drei (2,1) goldene ! Tannenzapfen“.[3] Warum Otto Titan von Hefner 1861 dieses Wappen mit schwarzem ! Schild beschrieb, ist unklar; unterdessen führte er weitere Referenzwappen mit Tannenzapfen an, nämlich:

Tannenzapfen: drei gold in schwarz: Waldburg und Stadion-Tannhausen (..); ebenso in Blau: Varennes, Frankreich, Bayern, und über schwarzem Dreiberg: Thanberger, Österreich.“

Maximilian Gritzer nennt als weiteres Beispiel das Wappen der Schenk von Winterstetten:

„(..) Die Tannenzapfen (Tafel XXIII. Figur 41.): führen die Waldburg-Truchsess, Stadion, Schenk von Winterstetten und Andere (..)“

Siebmacher/Gritzner (1889)[5]

Lage, Ausrichtung, Position

Botanische versus heraldische Terminologie    
Ausdrücke der heraldischen Kunstsprache wie „hängend“, „aufrecht“ et cetera, mit denen unter Umständen die spezielle Exposition einer Tannenzapfenfigur im Wappen bestimmt wird, lassen keine (oder nur ausnahmsweise) Rückschlüsse zu, welche spezielle botanische Zapfenart (Tannenzapfen, Kieferzapfen et cetera) dargestellt wird. Eine „aufrechte“ Zapfenfigur kann in der Heraldik beispielsweise einen Tannenzapfen versinnbildlichen, der in der Natur „aufrecht“ steht, sie kann aber auch einen Fichtenzapfen symbolisieren, der in der Natur an einem Zweig „hängt“.

Die „normale“ Ausrichtung oder Lage einer Tannen­zapfen­figur ist in der heraldischen Literatur nicht wohldefiniert beziehungsweise nicht einheitlich festgelegt. Allgemein, das heißt ohne besondere Meldung, richtet sich die Lage von Zapfenstiel und Zapfenspitze der Tannenzapfenfigur nach der zur Verfügung stehenden räumlichen Gegebenheit beziehungsweise nach der schild-/feldfüllenden Gesamtharmonie im jeweiligen Wappen und obliegt den aufreißenden Wappenkünstlern. Die unterschiedlichen botanischen Weisen, wie Zapfen in der Natur an den Zweigen von Nadelbaumarten sitzen (bei der Tanne stehen die weiblichen Zapfen aufrecht, bei der Fichte hängen sie, bei der Schwarzkiefer stehen sie waagerecht von den Zweigen ab)[6], haben im Wappenwesen gewöhnlich keine botanische Bedeutung.

 
mit aufrechten Tannen­zapfen (Stiel unten)
 
mit hängenden Tannenzapfen
(Stiel oben)
(Wappen derer von Tanne [Haus Waldburg]: Je nach Neigung des aufreissenden Wappenkünstlers mit steigenden oder fallenden Tannenzapfenfiguren.)

Um Mißverständnisse zu vermeiden, kann die Lage der Tannenzapfenfigur in einer Wappenbeschreibung angezeigt werden:

  • „aufrecht“, „steigend“, „mit abwärts gekehrtem Stiel“ oder ähnlich bedeutet, dass der Tannzapfenstiel nach unten gerichtet ist und die Zapfenspitze zum oberen Schild-/Feldrand zeigt.
  • „hängend“, „gestürzt“ oder ähnlich bedeutet, dass der Tannzapfenstiel nach oben gerichtet ist und die Zapfenspitze zum unteren Schild-/Feldrand zeigt.

Tingierung

Die Tannenzapfenfigur wird bevorzugt in Silber oder Gold, manchmal in Schwarz, Grün oder Rot, selten oder gar nicht Blau tingiert. Teile der Tannenzsapfenfigur können unterschiedliche gefärbt sein. Unterschiedliche Tinkturen sind zwingend zu melden (zum Beispiel: „goldener Tannenzapfen an grünem Stiel“).

Anzahl und Stellung zueinander

Tannenzapfenfiguren erscheinen in Wappen meist in Ein-, Zwei- oder Dreizahl, seltener in Vier- oder Mehrzahl. Tannenzapfen in Dreizahl werden gewöhnlich 2-über-1 gestellt, erscheinen aber auch in anderen Stellungen (zum Beispiel als Dreipass, 1-über-2, pfahlweise oder balkenweise und so weiter).

Tannenzapfen als Nebenfigur

alternative Beschreibung
1571: Tanne mit Tannenzapfen (Familienwappen Tschudi; Standort: Kloster WettingenW-Logo.png)
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Eichhörnchen
HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Tanne

Das Tannenzapfenmotiv ist als Nebenfigur eine verbreitete Beigabe zu einer Hauptfigur, beispielsweise

  • zu einer Tannenfigur, an der Tannenzapfen hängen oder aufrecht stehen
  • zu einem Tannenzweig mit einem odere mehreren Tannenzapfen
  • zu einer Eichhörnchenfigur, die einen Tannenzapfen mit den Vorderpfoten hält

Tannenzapfen versus Zirbelnuss

HW Gtk-go-forward-ltr.png Hauptartikel: Zirbelnuss

Maximilian Gritzner verfolgt im 19. Jahrhundert die Frage nicht weiter, ob der „Zapfen“ beziehungsweise die „Zirbelnussfigur“ im Wappen von Augsburg die spezielle heraldische Umsetzung einer Tannen- oder Zirbelkieferfrucht ist:

„(..) Ob das Wappen von Augsburg die Zirbelnuss (Tafel XXIII. Figur 42.) ursprünglich nicht auch ein Tannenzapfen war, lassen wir dahingestellt.“

Siebmacher/Gritzner (1889)[5]

Symbolik

Außerhalb der Heraldik stehen Tannenzapfen manchmal für Fruchtbarkeit, Lebenskraft und Wachstum.

Wappenbilderordnung

  • Die Tannenzapfenfigur wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Teile lebender Organismen, Abnormitäten, Verstümmelungen: F. Früchte: 1. Pflanzen unter der Nr. (2031)-767 aufgenommen.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Tannenzapfen in der Heraldik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 530. (Digitalisat)
  2. Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 6.
  3. Vgl. zum Beispiel:
    • J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, IV. Band, 10. Abteilung; Der Mährische Adel; Verfasser: H. von Kadich, C. Blazek; Publikation: Nürnberg: Bauer & Raspe, 1899. S. 280. Tafel 199.
    • J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch: in einer neuen vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historisch-geneaolgischen Erläuterungen, Band 1, Ausgabe 3, Teil 1. Seite 65. ff. Tafel 143. Nr. 1. (Google)
  4. Hefner, Otto Titan von: Handbuch der theoretischen und praktischen Heraldik. Unter steter Bezugnahme auf die übrigen historischen Hilfswissenschaften. München, Heraldisches Institut. 1861. S. 85 (Google)
  5. 5,0 5,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (M. Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 104. Tafel 23. Figur 41. und 42.
  6. Seite „Zapfen (Botanik)“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 12. April 2019, 08:02 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zapfen_(Botanik)&oldid=187492418 (Abgerufen: 10. März 2020, 13:48 UTC)
  7. Siehe auch: Artikel zur Geschichte der sogenannten Zirbelnuss im Stadtwappen Augsburgs mit Quellenangaben im Portal Haus der Bayerischen Geschichte, abgerufen am 26. August 2011