Volkskrone

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Der Ausdruck Volkskrone (frz.: couronne du peuple; engl.: people's crown) ist in der neueren Heraldik ein vager Oberbegriff für spezielle Prachtstücke, die (in der Regel als republikanische, teilweise auch als diktatorische) kronenförmige Motive von traditionellen heraldischen Helm-/Rangkronen zu unterscheiden sind; in der Früh-/Blütezeit des Wappenwesens sind der Ausdruck und das Wappenschmuckelement nicht gebräuchlich.

Darstellung

Der Ausdruck „Volkskrone“ ist kein wohldefinierter Terminus der Heraldik, der sich für die Blasonierung eignen würde, sondern ein politisch-historischer Oberbegriff, der zur Abgrenzung von historisch-heraldischen Helm- und Rangkronen dient. Vorrangig wird der Ausdruck heute im Zusammenhang mit den flachen, über die ganze obere Schildrandbreite reichenden, dort ruhenden, kronenförmigen Figuren der Landeswappen von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz verwendet. Deren „Volkskronen“ sind weder gleich gestaltet noch in den Gesetzestexten gleich beschrieben. Hessen führt als Volkskrone beispielsweise „ein Gewinde aus Laubwerk mit Perlen“, Baden-Württemberg eine „Blattkrone“, Berlin eine „fünfblätterige Laubkrone, deren Stirnreif aus Mauerwerk mit einem Tor in der Mitte ausgestattet ist“ und Rheinland-Pfalz eine „Volkskrone aus Weinlaub“. In einem weiteren Sinn zählen zu den Volkskronen aber auch jene Wappen mit kronenförmigen Figuren auf dem Oberrand des Wappenschilds, die zwischen Novemberrevolution 1918/1919 und 1945 geführt oder zumindest als Entwurf skizziert wurden (Freistaat Mecklenburg-Schwerin, Republik Baden, Provinz Oberschlesien u. a.).

  • „Auf dem Schilde ruht ein Gewinde aus goldenem Laubwerk mit von blauen Perlen gebildeten Früchten.“[1]
    Anmerkung
    Volkskrone als Laubwerkgewinde mit Perlen
Coat of arms of Hesse.svg
  • „Im kleinen Landeswappen ruht auf dem Schild eine Blattkrone (Volkskrone)“.[2]
    Anmerkung
    Volkskrone als reine Blattkrone (ohne Edelsteine, Perlen oder ähnlichem)
Lesser coat of arms of Baden-Württemberg.svg
  • „Das kleine bayerische Staatswappen besteht aus einem in Weiß (Silber) und Blau schräg rechts gerauteten Schild, auf dem die Volkskrone ruht.“[3]
    Anmerkung
    Die Volkskrone erscheint in diesem Aufriss als ein mit Edelsteinen geschmückter goldener Reifen, der mit fünf ornamentalen Blättern besetzt ist.
Bayern Wappen.svg
  • „Auf dem Schild ruht eine goldene, fünfblätterige Laubkrone, deren Stirnreif aus Mauerwerk mit einem Tor in der Mitte ausgestattet ist.“[4]
    Anmerkung
    Volkskrone als Kombination aus Laubkrone und Mauerkrone
Coat of arms of Berlin.svg
  • „Das Wappen ist von einer goldenen Volkskrone (Weinlaub) überhöht.“[5]
    Anmerkung
    Volkskrone aus Weinlaub
Coat of arms of Rhineland-Palatinate.svg

Definitionen in der Literatur

In der Literatur wird die Volkskrone allgemein wie folgt bestimmt:

„Volkskrone: aus einem Stirnreif und fünf Laubblättern gebildete Krone auf den Wappenschilden deutscher Länder“

Duden (2017)[6]

„Volkskrone: stilisierte, den ganzen Schild bedeckende flache Blätterkrone, die nach 1918 die auf den Wappenschilden der deutschen Teilstaaten befindlichen monarchischen Kronen ersetzte (..)“

Gert Oswald: Lexikon der Heraldik (1984)[7]

„Die allgemeine Rangkrone republikanischer Staaten, auch Volkskrone genannt, die als Souveränitätssymbol die Wappenschilde krönt, gleicht der Adelskrone (bzw. der gräflichen Laubkrone); meist wird sie jedoch mit fünf blattartigen Zinken geführt. Von den deutschen Ländern bekrönen Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz ihr Landeswappen mit solch einer Rangkrone. Die Wappen der Schweizer Kantone werden vielfach auch mit solchen Rangkronen dargestellt.“

Handbuch der Heraldik (2017)[8]

Diese Bestimmungen sind unvollständing. Teilweise wird nicht berücksichtigt, dass nicht nur Staaten und Kantone eine „Volkskrone“ führen/führten, sondern manchmal auch untergeordnete Organe des Staates. Beispielsweise erschien im Wappen des ehemaligen Landkreises RügenW-Logo.png eine „Volkskrone“.[9] Außerdem ignorieren sie den Umstand, dass manchmal „nicht-republikanische“ Staaten (wie Thüringen in der Zeit der NS-Diktatur, also zwischen 1933 und 1945) eine „Volkskrone“ auf dem Wappenschild führten.

Das Verständnis für den heraldischen Begriff „Krone“ wird im Artikel Krone (Heraldik) illustriert.

Geschichte

Otto Hupp prägte nach dem Ersten Weltkrieg, dem Sturz der Monarchie und in den Tagen der NovemberrevolutionW-Logo.png 1918/19 den Ausdruck Volkskrone als Ersatz der monarchischen Kronen über dem Wappenschild. Er benutzte den Ausdruck, um ein seiner Meinung nach unentbehrliches, heraldisch-ästhetisches, spätmittelalterliches Stilelement davor zu bewahren, als Abzeichen der Fürstenmacht mit der Monarchie zu verschwinden. Im Wesentlichen ging es ihm „nicht so sehr um die inhaltliche Symbolik der Krone als vielmehr um ihre ästhetische Wirkung“[10].

„Die Krone ist aber drittens auch ein geradezu unentbehrlicher, in seiner künstlerischen Wirkung durch gar nichts anderes zu ersetzender Wappenschmuck! (..) Aber wäre es nicht unerhört, daß eine Republik eine Krone führen sollte? Nein, das wäre gar nicht unerhört! (..) und daß, wenn die Krone wirklich das Sinnbild der Herrschaft des Fürsten war, es doch nur naturgemäß wäre, beim Übergang dieser Herrschaft an das Volk statt der Fürstenkrone eine Volkskrone zu schaffen. (..) Laßt es in Zukunft nur eine Rangkrone, nur die Krone der Volkshoheit geben!“

Otto Hupp (1919)[11]

Obwohl Hupp dem Systemwechsel in den Jahren 1918/19 im allgemeinen neutral gegenüberstand[10], wählte er den Ausdruck Volkskrone womöglich in Anspielung auf die Ablehnung der Kaiserkrone durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV.W-Logo.png im Jahre 1849. Damals waren die Unterschiede zwischen einer durch das Volk verliehenen Krone und einer durch GottesgnadentumW-Logo.png bestimmten „Kaiserkrone“ ein Thema, dessen man sich möglicherweise 70 Jahre später wieder besinnte. Zumindest fand Friedrich Wilhelm IV. gegenüber Vertrauten und in seiner Korrespondenz deutliche Worte für seine persönliche Abneigung gegen ein Symbol der VolkssouveränitätW-Logo.png in Form einer „Krone aus der Gosse“ (= „Volkskrone“), die er in einem Brief an König Ernst August I. von HannoverW-Logo.png auch als „Hundehalsband“ titulierte[12][13]:

„Ich nehme die Krone nicht an. (..)“[14]

„Einen solchen imaginären Reif (gemeint: die Krone der Frankfurter Nationalversammlung) aus Dreck und Letten (d. h. Ton) gebacken soll ein legitimer König von Preußen sich gefallen lassen? (..) Ich sage es Ihnen rundheraus: Soll die tausendjährige Krone deutscher Nation, die 42 Jahre geruht hat, wieder einmal vergeben werden, so bin ich es und meinesgleichen, die sie vergeben werden.“[15]

Ohne die historische Ablehnung explizit zu erwähnen, bemühte sich Hupp intensiv, etwaige Bedenken für seine Ideen von heraldischen Volkskronen zu zerstreuen, für die er in der Öffentlichkeit nicht zuletzt durch seine Schriften breit warb.[10] Hupps erste Entwürfe für neue „Volkswappen“ wurden erstmals im Dezember 1918 an den Finanzminister der Bayerischen Räterepublik, Edgar JafféW-Logo.png gesandt. Bis zu Wappen mit Volkskronen, die durch Gesetz eingeführt wurden, war es ein langwieriger Prozess. Beispielsweise wurde eine flache, über den ganzen oberen Schildrand des bayerischen Wappenschilds reichende „Volkskrone“ erst in einer Sitzung vom 18. Juli 1923 als Ersatz der Königskrone vom Landtag beschlossen.[16]

Literatur

  • Annemarie Liebler: Geschichte der Regierung von Niederbayern. Herbert Utz Verlag, München 2008, ISBN 978-3-8316-0836-2, S. 206.
  • Wilhelm Volkert: Von der Königskrone zur Volkskrone. In: Unser Bayern. Heimatbeilage der Bayerischen Staatszeitung 35. Nr. 1-3. 1986.

Einzelnachweise

  1. Hessisches Staatsministerium: Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Hessen vom 4. August 1948. In: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1948, Amtsblatt Nr. 21, Seite 111; identisch mit der geltenden Fassung.
  2. Gesetz über das Wappen des Landes Baden-Württemberg. Veröffentlichunb: GBI. S. 69. 3. Mai 1954. § 1 Abs. 3
  3. Gesetz über das Wappen des Freistaates Bayern (WappenG), Art. 1 (1)
  4. Gesetz über die Hoheitszeichen des Landes Berlin.
    vom 13. Mai 1954 • bei www. berlin.de, als Quellentext bei Wikisource-logo.svg Wikisource
    vom 22 Oktober 2007: • als Pdf icon.png PDF- 16,61 KB, als Quellentext bei Wikisource-logo.svg Wikisource.
  5. Landesgesetz über die Hoheitszeichen des Landes Rheinland-Pfalz • als Pdf icon.png PDF
  6. Duden online „Volkskrone“. Abgerufen: 17. September 2017. Permanent-Link
  7. Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 410 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
  8. Herold, Verein für Heraldik (Hrsg.): Wappen. Handbuch der Heraldik. Als „Wappenfibel“ begründet von Adolf Matthias Hildebrandt, zuletzt weitergeführt von Jürgen Arndt, bearbeitet von Ludwig Biewer und Eckart Henning. Aktualisierte und neugestaltete Auflage. 20. Auflage. Böhlau Verlag GmbH & Cie., Köln, Weimar, Wien 2017, ISBN 978-3-412-50372-7, S. 138 (deutsch: Wappenfibel.).
  9. 9,0 9,1 Wappen Landkreis Rügen: „Geteilt von Gold über Blau; oben ein rot gekrönter und bewehrter schwarzer Löwe mit Doppelschweif, der aus dem im unteren Felde befindlichen, aus fünf roten Steinen gebildeten Stufengiebel hervorwächst. Auf dem Schild ruht eine Volkskrone; sie besteht aus einem mit roten Steinen geschmückten goldenen Reifen, der mit fünf ornamentalen Blättern besetzt ist.“ (Hauptsatzung § 2 Abs.1; mit Genehmigung vom 18. Januar 1993 erteilt; unter der Nr. 68 in der Wappenrolle von Mecklenburg-Vorpommern registriert; Entwurf: Gerhard Koggelmann)
  10. 10,0 10,1 10,2 Daniel Rittenauer: Staatswappen im revolutionären und nachrevolutionären Bayern (1918-1923). In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte. Band 73. Heft 3. 2010. S. 831 ff.
  11. Otto Hupp: Zu den neuen Staatswappen. In: Wider die Schwarmgeister! Dritter Teil. München 1919. S. 3 ff.
    Otto Hupp: Bayerische Staatszeitung. 2. März 1919. S. 3.
    Otto Hupp: Bayerische Staatszeitung. 9. Februar 1919
  12. Brigitte Beier (Hrsg.): Die Chronik der Deutschen. wissenmedia, ISBN 978-3-577-14387-5, S. 229.
  13. Seite „Friedrich Wilhelm IV.“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. September 2017, 15:29 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Friedrich_Wilhelm_IV.&oldid=169149938 (Abgerufen:17. September 2017, 09:27 UTC)
  14. Rolf Thomas Senn: In Arkadien: Friedrich Wilhelm IV. von Preussen : eine biographische Landvermessung. ISBN 978-3-86732-163-1, S. 368.
  15. Volk, Reich und Nation: Texte zur Einheit Deutschlands in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. 1806–1918. 1994, ISBN 978-2-910212-02-5, S. 120
  16. Verhandlungen des Bayerischen Landtags 1922/23. Stenographische Berichte, Bd. 8, S. 709, Fränkische Tagespost vom 19.7.1923 (Quellenangabe nach Daniel Rittenauer, vgl. dort)

Weblinks

 Commons: Volkskrone – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien