Merkurstab (Heraldik)
Der Merkurstab (auch Hermesstab', Heroldsstab, Flügelstab, Schlangenstab und anderes mehr genannt; lateinisch Caduceus aus altgriechisch κηρύκειον ‚Kerykeion‘ von κῆρυξ kēryx „Herold“, auch ῥάβδος rhabdos „Stab“; französisch caducée; englisch caduceus) ist in der Heraldik eine seltene gemeine Figur, die im Wappenschild oder im Oberwappen als Motiv geführt wird.
Geschichte
Wann genau die Hermes-/Merkurstabfigur (Caduceus) zum ersten Mal Eingang in das Wappenwesen findet, ist unklar beziehungsweise nicht ausreichend erforscht. Der Heraldiker Ralf von Retberg geht davon aus, dass sie sich seit dem 15. Jahrhundert in der Heraldik etabliert:
„(Im) 15. Jahrhundert begegnet uns auch als Sinnbild der Heilkunst der Schlangenstab (ndl.: mercuriusstaf; lat.: caduceus; frz.: caducée), welcher dann namentlich im 16. Jahrhunderte geflügelt ein Sinnbild der Kaufmannschaft wurde.“
Im Zusammenhang mit der Figur Caduceus verweisen die Wappenkundler Philipp Jakob Spener und Johann Anton Kroll von Freyen auf das Phantasiewappen von Antiochos:
„Antiochus leonem cum caduceo, aut etiam triangulos 3. implexos“
„Antiochus (führt) einen Löwen mit einem Caduceus, oder auch drei ineinander verschlungene Triangel („Dreiecke“)“
– Aus dem Lateinischen Andreas Janka (2015)[2]
„Antiochus (führt) einen Löwen mit deß Mercurii Staab oder Caduceo, oder drey in einander verschrenckte Dreyangel.“
„Ich weiß gar wohl, daß der König Antiochus in seinen Schild mahlen liesse einen Löwen mit dem Caduceo, oder Frieden-Stab, anzudeuten, daß der Fried durch tapfferen Krieg muß erkauffet werden.“
Maximilian Gritzner äußert sich nicht zum ersten Auftreten einer Merkurstabfigur, hält aber fest:
„(Merkur und) Stab caduceus (Merkurstab, Tafel 31. Figur 53.) u(nd) A(ndere) im Wappen der Bayerischen von Tengg“
Darstellung
Der Merkurstab stellt einen Stab mit zwei Flügeln dar, der von zwei Schlangen, mit einander zugewendeten Köpfen, umschlungen wird. Im Wappen wird der Stab in allen Farben der Heraldik tingiert. Manchmal wird der Stab mit anderen gemeinen Figuren (Füllhorn, Dreizack, Hellebarde ...) gekreuzt.
Wappen von Lassay-les-Châteaux
, Frankreich
Stadtwappen der kreisfreien Stadt Oberhausen
Merkurstab als Zeichen des Handels; das Zahnrad symbolisiert den Maschinenbau (Limbach-Oberfrohna
)[6]
Silberner Merkurstab (Unterdeufstetten
)
Schrägrechter gespitzter und geflügelter Merkurstab, ein Zahnrad halb überdeckend (Sülzetal
)
(Tampere
, Finnland)
Merkurstab in der Napoleonischen Heraldik
Nach Gert Oswald erschien ein querliegender Merkurstab „z. B. in der Napoleonischen Heraldik über den Wappen der Städte erster Ordnung“:[7]
- „Die Städte erster Ordnung (..) Auf dem Schild befand sich ein Merkurstab und darüber eine hohe goldene Mauer mit einer Mauerkrone mit sieben Zinnen, aus der ein goldener Adler wuchs.“[7]
- „Die Städte zweiter Ordnung (..) Über dem Schild befand sich ein Merkurstab und eine hohe den Schild bedeckende, silberne Mauerkrone mit fünf Zinnen.“ [7]
- Quergelegter Merkurstab über dem Schild
Beispiel: Napoleonisches Stadtwappen Caen
Beispiel: Napoleonisches Stadtwappen Le Havre
Sonderformen
Der Merkurstab wird zuweilen mit anderen gemeinen Figuren kombiniert.
Kombination aus Anker und Merkurstab steht für Seefahrt und Handel (Rhauderfehn
)
Merkur-/Hermesstab versus Äskulapstab
Grundsätzlich sind die Unterschiede zwischen einzelnen „Stäben“ exakt voneinander abzugrenzen, insbesondere jene zwischen dem Hermes-/Merkurstab (Caduceus) und dem Äskulapstab:
„Nicht mit dem Äskulapstab zu verwechseln ist der Caduceus, der von zwei Schlangen umringelte Heroldsstab des Gottes Hermes (Mercurius).“
Der Hermes-/Merkurstab erscheint im Wappenwesen gewöhnlich mit zwei Schlangen, der Äskulapstab dagegen mit einer; außerdem ist letzerer stets ungeflügelt, ersterer dagegen in der Regel geflügelt und nur ausnahmsweise „ungeflügelt“ (was gemeldet werden sollte). Ähnliche Motive sollten nicht unter den Eigennamen „Äskulapstab“ beziehungsweise „Hermes-/Merkurstab“ blasoniert werden, sondern unter Angabe ihrer Attribute. Beispielsweise kommen in der Heraldik auch „geflügelte Stäbe ohne Schlangen“, „geflügelte Stäbe mit einer Schlange“ (statt zwei) sowie Pfeile, Spiegel, Trinkschalen und etliches mehr vor, die von einer Schlange (zweien oder mehr) umringelt sein können.
Paraheraldik und Symbolik
Der Merkurstab ist wie der geflügelte Merkurhut ein Attribut des römischen Gottes Merkur und steht sinnbildlich „für die wirtschaftliche Tätigkeit des Austauschs von materiellen oder immateriellen Gütern zwischen Wirtschaftssubjekten (von der Produktion bis zum Konsum oder einer anderweitigen Güterverwendung)“[9], kurz: für den Handel
; dementsprechend kommt er in den Parawappen unterschiedlicher Handelsstände vor (Grosshandel, Geschirrhandel, Kohlehandel et cetera).
- Parawappen mit Merkurstab (Wiener Gewerbewappen, 1900)
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Merkurstab wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Herrschafts-, Rang- und Würdezeichen unter der Nr. 9843 aufgenommen.
Siehe auch
Zeichencodierung
- Für den Hermesstab/Caduceus (geflügelt, mit Schlangen) steht im Unicodeblock Verschiedene Symbole
eine Unicode
-Glyphe („Unicodesymbol“) zur Verfügung: ☤ beziehungsweise U+2624.
- Für den Hermesstab (geflügelt, ohne Schlangen) steht im Unicodeblock Verschiedene Symbole
eine Unicode
-Glyphe („Unicodesymbol“) zur Verfügung: ⚚ beziehungsweise U+269A.
Weblinks


- Wikipedia: Der Merkurstab in der Mythologie
Literatur
- Otto Adalbert Hoffmann: Hermes und Kerykeion. Studie zur Urbedeutung des Hermes. Marburg 1890. (Google)
- Hans Martin von Erffa: Caduceus. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Band 3, 1952, Sp. 303–308. URL: (Digitalisat, abgerufen 13. Februar 2025)
Einzelnachweis
- ↑ Ralf von Retberg: Die Geschichte der deutschen Wappenbilder. Aus Ralf von Retbergs Nachlasse. 1884. Posthum in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler zu Wien. XIII./XIV. Jahrgang. Wien 1886/1887. Seite 46.
- ↑ Philipp Jakob Spener: Insignium theoria seu operis heraldici pars generalis. Band 1. Frankfurt am Main, 1690. S. 45. Tafel 1. (Google)
- ↑ Johann Anton Kroll von Freyen (alias Rudolphi): Heraldica curiosa, Welche Der Wappen Ursprung, Wachsthum, Fortgang, und wie selbiger noch heutiges Tages bey denen Teutschen im Gebrauch, ausfůhrlichen zeiget, Samt deren umståndliche Beschreibung, Wie solche in denen Wappen-Briefen, Alten Documenten, Fahnen, Sigillen etc. und verschiedenen Autorn hin und wieder eintzeln zu finden; Insonderheit auch Von denen Schildhaltern, Helm-Decken, Kronen, Huͤten, Hauben etc. Beysammen nicht allein auf das zierlichste und Curioseste abgehandelt, sondern auch was sonsten zur Probation des Thurnier- und Stifft.maͤssigen Adels erfordern wirdn; Alles Historicè, Politicè und Juridicè mit XV. scho̊nen Kupffer-Figuren, worinnen ůber 1200. Wappen vorgestellet von J. A. Rudolphi. Nürnberg, 1698. S. 13. (Google)
- ↑ R. P. Joseph: Alphabetum Marianum. Marianisches Alphabeth: Oder Marianische Lob- und Ehren Predigen. (..) Denen angehänget ist Addiatamentum; Oder Zusatz Unterschiedlicher wohl- ausgearbeiteter Predigen. Frankfurt und Nürnberg, 1716. S. 683. (Google)
- ↑ Maximilian Gritzner; J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie. Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 149. Tafel 31. Figur 53. (Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1)
- ↑ Wappen auf limbach-oberfrohna.de Abgerufen am 21. Oktober 2022
- ↑ 7,0 7,1 7,2 Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 269 f. und S. 281 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Lexikon der Symbole: Äskulapstab. Knaurs Lexikon der Symbole, S. 91 (vgl. LdS, S. 38). 1989, 1994, 1998.
- ↑ Seite „Handel“
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