Lilie (Heraldik)
Der allgemeine Ausdruck Lilie ist im Wappenwesen (Heraldik) im Zusammenhang mit mehreren, unterschiedlichen gemeinen Figuren gebräuchlich, die ihrerseits in unterschiedliche Ausprägungen erscheinen können.
Hauptsächlich unterscheidet man:
– Siebmacher/Gritzner (1889)[1]
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um 1460: Heraldische Lilie (Wappen derer zur Mägdt nach Berliner Wappenbuch) | |
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Darstellung
Heraldische Lilie
Die heraldische Lilie erscheint in der Heraldik in verschiedenen Formen. Mit „Querband“ um die Blumenblätter (Normaldarstellung) ist die Figur umgürtet, fehlt es, ist die heraldische Lilie eine nicht umgürtete. Die Formen der heraldischen Lilie haben eigenständigen Namen erhalten oder sind besonders abgewandelt. Fehlt der Lilie das Mittelblatt wird sie als verstümmelt blasoniert. Das trifft auch zu, wenn der untere mittlere Teil fehlt. Häufig wird das Mittelblatt durch andere Figuren oder Teile von anderen Figuren ersetzt (zum Beispiel durch ein Kreuz oder eine gestielte Blume). Derartige Abwandlungen sind zu beschreiben. Fehlen unterhalb des Gürtels die Außenblätter, so erscheint eine arabische Lilie[3].
Die Lilie ist zumeist golden oder silbern tingiert, kann aber auch in anderen heraldischen Farben erscheinen.
1909: Fleur-de-lis (nach Fox-Davies)
Geschichte
In der französischen Heraldik ist die Lilie unter dem Namen Fleur-de-Lys oder Fleur-de-Lis („Lilienblume“, „Lilienblüte“) bekannt und steht im speziellem Bezug zu Frankreich als das wohl bekannteste Symbol der französischen Monarchie. In der Zeit des Premier und Second Empire (1804–1815 und 1852–1870) sind die Lilien durch die bonapartischen Bienen ersetzt worden.
Der ab dem hohen Mittelalter aufgekommenen Legende nach, wurde die Lilie dem Merowingerkönig Chlodwig I. von einem dem Himmel herabgestiegenen Engel überreicht, wie auch schon das heilige Salböl ein göttliches Geschenk war. Die Geschichte ist in verschiedenen Variationen überliefert, in der Regel wurde sie mit der Taufe des Frankenherrschers nach der Schlacht von Zülpich (496) in Zusammenhang gebracht. Auch ließ man Königin Chrodechild die Lilien in Empfang nehmen, um sie diese ihrem Ehemann überreichen zu lassen (siehe die Darstellung im Bedford-Stundenbuch), womit ihr herausragender Einfluss auf die Konvertierung Chlodwigs zum römisch-katholischen Glauben hervorgehoben wird. Die religiöse Symbolik dieser Blume wurde seitens der römisch-katholischen Kirche bekräftigt, welche sie mit der Jungfrau Maria assoziiert. Im Selbstverständnis des kapetingischen Königtums des hohen Mittelalters unterstützte die Lilie als unverkennbares äußerliches Symbol seinen Anspruch, die königliche Autorität unmittelbar von Gott erhalten zu haben, ohne dazu eine Vermittlung seitens des Papstes oder des Kaisers notwendig gehabt zu haben.
In einem Siegel Roberts II. des Frommen (996–1031) wurde erstmals bei einem Kapetingerkönig die Lilie für die Darstelltung des Kronornaments genutzt, womit dies überhaupt die frühste bekannte Darstellung eines fränkischen Monarchen mit diesem Symbol ist. Ab König Philipp I. (1052–1108) zierte die Lilie im Siegel das Ende des königlichen Zepters und ab Philipp II. August (1179–1223) trugen die Könige in ihren Siegeln neben dem Zepter auch eine Lilie in ihrer freien Hand. Für die Krönungsfeier Philipps II. im Jahr 1187 ließ dessen Vater, Ludwig VII., einen blauen Mantel mit eingenähten goldenen Lilien anfertigen. Ihre endgültige Etablierung als königliches Erkennungszeichen erlangte diese Blume durch Ludwig VIII. (1223–1226), der noch als Kronprinz die Azure semé-de-lis Or (blauer Schild mit dicht angeordneten Lilien aus Gold) als sein Siegelzeichen und Schildwappen verwendete. Auch dessen Bruder, Philipp Hurepel, verwendete sie in seinem Wappen, worin ihn sich alle nachfolgenden königlichen Prinzen zum Vorbild nahmen. Um fortan als Angehöriger des „Hauses Frankreich“ ausgewiesen zu werden, wurden die Fleur-de-Lys zum unentbehrlichen Bestandteil im Wappen eines Geblütsprinzen.
Nach dem Biographen Guillaume de Nangis (Vita Sancti Ludovici IX) erhellte die Lilie kraft ihrer drei Werte, die sich in ihren Blätter manifestieren, das französische Königtum.[4] Während das mittlere Blatt den Glauben (foy) symbolisiert, stehen die zwei flankierenden Blätter für Ritterschaft (chevalerie) und Weisheit (sapience).
1376 wurde die Anzahl der Lilien im Wappen von Karl V. auf drei reduziert, in Würdigung der heiligen Dreifaltigkeit. Ab dem 14. Jahrhundert wurde die Lilie so eng mit der Herrschaft über Frankreich in Verbindung gebracht, dass der englische König Eduard III. sein Abzeichen 1340 mit der Lilie schmückte, um seinen Anspruch auf die französische Krone zu bekräftigen. Sie wurde erst 1801 entfernt, als Georg III. den Anspruch auf den französischen Thron aufgab.
Seit dem Mittelalter an war es auch üblich Personen oder Familien sowie Kommunen die sich in besonderer Weise für den König verdient gemacht haben dadurch zu würdigen, indem ihnen das Tragen der Lilien in ihren Wappen gestattet wurde. Den sogenannten guten Gemeinden (bonnes villes), die dem Königtum besonders eng verbunden waren, wurde das Hinzufügen eines Lilienbandes (Chef de France) im Wappen gewährt. Eine prominente Person, deren Familie aufgrund ihrer Taten geadelt wurde, war die Nationalheilige Jeanne d'Arc, der von König Karl VII. ein blaues Wappen mit zwei Lilien verliehen wurde. Zugleich nahm ihre Familie den Namen „du Lys“ (zur Lilie) an.
Ein Siegel König Philipps IV. des Schönen (1285–1314) |
Das Wappen Frankreichs seit dem 13. Jahrhundert bis 1376 (France ancien) |
Das Wappen Frankreichs von 1376 bis 1792 und 1814 bis 1830 (France moderne) |
Das Wappen der englisch-britischen Monarchen von 1340 bis 1801 |
Das Wappen von Paris |
Das Wappen der Jeanne d'Arc und der Familie du Lys |
Natürliche Lilie
Die natürliche Lilie ist im Wappenwesen entweder
- einer Pflanze aus den rund 115 Arten der Gattung der Lilien (Lilium) aus der Familie der Liliengewächs (Liliaceae) nachempfunden;
- oder erscheint als besondere Form (zum Beispiel „mit Stiel“) der heraldischen Lilie
Die Figur wird nicht einheitlich, sondern unterschiedlich aufgerissen, je nachdem, an welche Pfanze und Form sie sich anlehnt. Der Blason sollte stets die spezielle Ausprägung der Lilie zweifelsfrei bezeichnen („Gartenlilie“, „Kaiserlilie“, „heraldische Lilie mit Stiel“ oder ähnliches), anderenfalls obliegt es den Wappenkünstlern, welche idealtypische natürliche Lilie im Wappen aufgerissen wird.
„Lilie: (..) Dagegen sind die in modernen Wappen vorkommenden sogenannten Gartenlilien, entweder gestielte heraldische Lilien (Tafel XXIV. Figur 57.) oder sternförmige Lilien (Tafel XXIV. Fig. 58.) oder Kaiserlilien (Figur 59.) oder die eigentliche Gartenlilie (Figur 60.), welche Letztere der Tulpe am Aehnlichsten sieht (worüber das Nähere zu melden ist). Gewöhnlich hat der Stiel der Gartenlilie, wie auch der Rose und anderer Blumen zwei und mebr Blätter. Die Lilie kommt auch ausgerissen, das heißt mit bewurzeltem Stiel (Tafel XXIV. Figur 49.) im übrigen aber in allen Farben, einzeln und in der Mehrzahl vor.“
Varianten
Fuggerlilie
Die Fugger, die in der Linie der Fugger von der Lilie eines der wichtigsten Handelshäuser der frühen Neuzeit waren, führten die Lilie im gespaltenen Schild, vorne blau in Gold, hinten verwechselt. Derivate der „Fugger-Fleur-de-Lys“ sind im Raum Augsburg verbreitet.
Florentinische Lilie
Die Bezeichnung Florentiner Lilie ist gebräuchlich für eine aus Florenz bekannt gewordene Variante. Sie unterscheidet sich durch die zwei Staubfäden (Blütenstände) und zeigt gebartete oder gekrauste Blütenblattspitzen. Sie ist im Umraum Florenz ab dem 14. Jahrhundert nachweisbar.
Diese Lilie mit den Staubfäden wird auch ornamentierte Lilie[5] genannt. Viele Formen haben sich etabliert: ornamentiert mit Blumen, Weintrauben, Lilien oder gestielten heraldischen Rosen.
Entsprechend der Prägung mit Lilien auf Münzen gab es auch die Goldmünze in Florenz als Liliengulden[6] und in Straßburg den Lilienpfenning, hier aber ohne Staubfäden.
Wappen von Turku, Finnland
Gleve
Wird der Teil einer Lilie unterhalb des Gürtels durch andere Formen ersetzt, ist es eine Gleve.
Lilienhaspel
Die Lilienhaspel (auch Lilienzepterstern, Lilienzepterrad, Glevenhaspel, Glevenzepterstern, Glevenrad, Kleverad, Zepterrad, Karfunkel, Karfunkelstern, Karfunkelrad genannt) ist in der Heraldik eine gemeine Figur, die sich aus einer ursprünglichen Verstärkung des Kampfschildes ableitet.
Doppelte Lilie
Eine doppelte Lilie ist ein historischer Ausdruck für eine gewöhnliche heraldische Lilie, mit dem hervorgehoben wird, daß der untere Teil einer Lilienfigur gleich oder ähnlich dem oberen gestaltet ist.[7] Im 19. Jahrhundert wies Curt Oswalt Edler von Querfurt darauf hin, daß der Ausdruck womöglich keinen Informationsgewinn besitzt, sondern lediglich eine wortreiche rhetorische Wendung ist:
„Doppelte Lilie: wird in Diplomen und anderen Wappenbeschreibungen pleonastischerweise manchmal die gewöhnliche heraldische Lilie und zwar wegen ihrer sich oben und unten ähnlichen wiederholenden, also gewissermaßen doppelten Gestalt genannt.“
Weitere Abwandlungen
Die Lilie bestimmt auch viele Namen anderer Heroldsbilder oder gemeinen Figuren:
- Lilienkreuz (Lilienendenkreuz, Glevenkreuz), auch als Steckkreuz als Jakobskreuz
- Kreuzlilie (mit einem durch ein Kreuz ersetztes Mittelblatt), auch Kreuzblume, sowie mit Ersatz durch Pfeil oder andere Symbole
- Die Rautenlilie ist Abwandlungen der Lilie als Zeichen der Pfadfinder
- Lilienkrone
- Lilienzepter/-stab
- Lilienschnitt
- Lilienhermelin als Pelzwerk
- In der schottischen Heraldik ist ein Lilienbord verbreitet, oft rot tingiert wie im Wappen Schottlands.
- Auch gibt es die unterhalbe Lilie, eine halb dargestellte Lilie
- Bei der Rochlilie ist der untere Teil als Turm ausgebildet (Roch „Schachturm“)
- Eine naturalistische Lilie kam ins Wappen von Bad Düben nach dem 30-jährigen Krieg um 1705. Dann bezeichnet sie der Heraldiker mit Gartenlilie.
Beispiele für die Variationen (Galerie)
Lilienhermelin
Wappen der Kapetinger, Königreich Frankreich bis 1376Lilienhermelin im rechten oberen und linken unteren Geviert
Wappen König Eduards III. von EnglandLilienschnitt
Wappen von Göttingen (Langenau)
Das Lilienbanner
Der Name „Lilienbanner“ für mit drei heraldisch stilisierten goldenen Lilien auf weißer Flagge des Hauses Bourbon hat sich eingebürgert.
Die drei goldenen Lilien auf blauem Grund blieben die französische königliche Flagge, mit weißem Hintergrund war sie Nationalflagge bis zur französischen Revolution (1789), als sie durch die blau-weiß-rote Trikolore abgelöst wurde. Zu Beginn der Restauration 1814 wurde die Fleur-de-Lys wieder in die Flagge aufgenommen, aber nach der Julirevolution 1830 wieder entfernt. Bis heute ist sie aber Bestandteil der Flagge der kanadischen Provinz Québec.
In Frankreich wird sie auch manchmal als ein nationales Symbol, vor allem in monarchistischen und konservativen Kreisen, genutzt.
Biologie und Symbolik
Lilien gelten außerhalb der Heraldik als Symbol der Reinheit und Unschuld. Sie sind Sinnbild der Heiligen Maria und jener Menschen, die sich dem Patronat der Gottesmutter unterstellen (z. B. Könige von Frankreich). In der Dreiteilung der Blüte der heraldischen Lilie symbolisiert sie die Heilige Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Bis heute gilt
- die weiße Lilie (Madonnen-Lilie, Lilium candidum) als Symbol für Reinheit, Mildtätigkeit und Keuschheit, und als Heiligenattribut der Jungfrau Maria,
- die gelbe Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus) als ritterlich
- der blau-purpurne Kulturformenkreis der „Ritter-Schwertlilie“ (Deutsche Schwertlilie, Iris × germanica) ist in Wappen seltener dargestellt.
- Die weiße bis bläuliche „Dalmatinische Iris“ (Bleiche Schwertlilie Iris pallida), die, ebenso wie die Albinoform „Florentiner Schwertlilie“ (Iris germanica var. florentina), als Veilcheniris, Veilchenwurz oder Violwurtz zur Herstellung des Veilchenparfüms (Antiodorant der Antike) genutzt wird, dient als Emblem des Wohlstands und des Reichtums durch Handel. Diese Lilien werden nach Zuchtvarianten auch rot dargestellt, selten auch schwarz.
Schriftzeichen
Das Unicodesymbol der heraldischen Lilie ist im Unicodeblock Verschiedene Symbole U+269C
(9884) ⚜.
Literatur
- Jean-Bernard Cahours d'Aspry: Des fleurs de lis et des armes de France: Légendes, Histoire et Symbolisme. Atlantica, 2006, ISBN 2-84394-861-4
- Arthur Charles Fox-Davies: A Complete Guide to Heraldry (READ BOOKS, 2008)
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 109
- ↑ Dictionnaire raisonné de l'architecture française du XIe au XVIe siècle – Tome 5, Flore – Wikisource. Fr.wikisource.org, abgerufen am 3. Februar 2012 (französisch).
- ↑ Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Verlag Georg D.W. Callwey München, 2003, ISBN 3-8289-0768-7
- ↑ Guillaume de Nangis, Vita Sancti Ludovici IX, hrsg. von M. Daunou und M. Naudet (Paris, 1840)
- ↑ Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Verlag Georg D.W. Callwey, München, 1978.
- ↑ D. Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft, wie auch der Erdbeschreibung, Kunst- und Naturgeschichte: in alphabetischer Ordnung, Verlag Pauli, 1804.
- ↑ Oswald, Gert: Lexikon der Heraldik. Mannheim, Wien, Zürich. 1984. ISBN 978-3-411-02149-9. S. 103.
- ↑ Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 29.
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