Bohrturm (Heraldik)
Das Bauwerk Bohrturm (auch Olförderturm, Ölbohrturm oder ähnlich genannt; französisch tour de forage oder derrick; englisch drilling rig, derrick, mißverständlich auch oil rig für ‚Bohrinsel/Ölbohrinsel/Ölplattform/Bohrturm‘) und sämtliche Bohrturmtypen sind im neueren Wappenwesen (Heraldik) seltene gemeine Figuren, die je nach Wappen durch markante oder besondere architektonische Details unterschiedlich gestaltet sein können.
Darstellung
Da die gemeine Wappenfigur Bohrturm selten ist, gibt es keine expliziten heraldischen Vorgaben für sie, außer jene, die für Wappenfiguren, insbesondere für Turmfiguren, allgemein gelten. Sie ist -- heraldisch stilisiert -- gewöhnlich dem auf einer verhältnismäßig kleinen Grundfläche hoch aufragenden, schlanken Idealbild des gleichnamigen freistehenden Turms mit Bohrgestänge nachempfunden, „der dazu dient, um Bohrungen auf Erdöl, Erdgas, Sole oder Wasser (thermal) niederzubringen“ (vgl. „Bohrturm“).[1] In der Regel ist die Figur als Fachwerkgerüst ausgeführt, welches von unten nach oben gleichschenklig, spitzwinklig und dreiecksförmig zuläuft. Wesentliche Komponenten eines Bohrturmes (Unterbau, Arbeitsbühne, Fingerbühne, der Kloben/Kranhaken, Hebewerk) können gemeldet werden, wenn sie heraldisch relevant oder besonders ausgeprägt sind, anderenfalls obliegt es der künstlerischen Freiheit des Wappenkünstlers, diese in einem Wappenaufriss zu berücksichtigen oder zu vernachlässigen.
Bevorzugt wird das Bohrturmmotiv in Wappen freistehend („schwebend“) dargestellt Die Figur kann auch mit einem Schildfuß, einem Dreiberg oder einer anderen Standfläche (Boden, Berg, Fels oder ähnlichem) kombiniert sein oder aus dem unteren Schildrand wachsen. Gewöhnlich erscheint das Motiv in einem Wappen in Ein-, Zwei- oder Dreizahl, selten oder gar nicht in höherer Mehrzahl.
Tingierung von Wasserturmfiguren
Die Tingierung der Bohrturmfigur folgt den Regeln für heraldische Farben. Die bevorzugte Tingierung aller Bohrturmformen ist Schwarz, gefolgt von Gold und Silber, wobei Bohrturmfiguren auch in anderen heraldischen Farben erscheinen (beispielsweise in Blau). Sind Teile der Figur andersfarbig tingiert, so ist dies anzuzeigen (zum Beispiel: „schwarzer Bohrturm mit goldener Arbeitsbühne“).
Falsche Einfärbung
Durch das Fachwerkgestänge einer Bohrturmfigur sollte die Farbe des Schildes/Feldes sichtbar sein. Falsch ist es, die Fläche hinter der Bohrturmfigur nach der Figur abweichend von der Schild-/Feldfläche einzufärben. Beispielsweise erscheint in einem Wappenaufriss von Geeste das Bohrturmgestänge fälschlich in Schwarz (?) und der Hintergrund der Bohrturmfigur ist komplett (?) in Silber eingefärbt; nach dem Blason müsste jedoch nur der Bohrturm in Silber (!) erscheinen und im Hintergrund des silbernen Bohrturmgestänges (beziehungsweise des silbernen Fachwerks) sollte die grüne Schildfarbe sichtbar sein.
Verbreitung
Bohrtürme sind nicht nur in der neueren deutschsprachig geprägten Heraldik als Wappenfiguren gebräuchlich, sondern auch in vielen anderen neueren Wappenkulturen, insbesondere wenn sie in einem weiten Sinne Symbole oder Allegorien der Petrol-Arbeit oder von Bodenschätzen sind.
Bohrturm im europäischen Wappenwesen
Im Kontext von europäischen Wappen kann man die Figur beispielsweise auch in französischen, spanischen oder rumänischen Wappen finden.
Feld 4: Förderturm, am Fuß mit Feuer (Pardies, FR)
(Sargentes de la Lora, ES)
Vor allem in der rumänischsprachig geprägten Heraldik finden sich Bohrtürme in etlichen Kommunalwappen (Buza, Cornetu, Țicleni und so weiter); darüber hinaus war eine Bohrturmfigur vorübergehend auch Teil des offiziellen Hoheitszeichens von Rumänien.
(Comuna Tufeni, Olt, RO)
(Buza, RO)
Cornetu, RO
(Țicleni, RO)
Im historischen Hoheitszeichen der Volksrepublik Rumänien und der Sozialistische Republik Rumänien, die von 1948 bis Rumänischen Revolution 1989 existierten, erschien ein Bohrturm, der den Ölreichtum Rumäniens betonte.
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Bohrturm im vorderasiatischen Wappenwesen
Bohrturmfiguren kamen oder kommen vereinzelt in paraheraldischen Wappen, Siegeln und Emblemen des vorderasiatischen Kulturraums vor (beispielweise im Irak oder in Aserbaidschan).
(Basra, IQ)
Im Hoheitszeichen der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik, die von 1920 bis 1991 existierte und ab 1922 eine der Unionsrepubliken der Sowjetunion war, erschien ein Ölförderturm, der auf die reichen Bodenschätze (unter anderem Erdöl) hinweisen sollte.
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Bohrturm im südamerikanischen Wappenwesen
Bohrturmfiguren kommen in vielen paraheraldische Wappen, Siegeln und Emblemen des südamerikanischen Kulturraums vor (bevorzugt in Kolumbien, aber beispielweise auch in Brasilien, Chile und Venezuela).
(Alagoinhas, BR)
(Porvenir, CL)
(Maturín, VE)
Vor allem im Wappenwesen von Kolumbien finden sich zahlreiche, paraheraldische Wappen mit Bohrtürmen, vermutlich weil das Land nach 1986 Ölexportland wurde (Erdöl macht wertmäßig 33,2% der Exporteinnahmen des Landes aus).[5] Insbesondere im Bereich der Kommunal-, aber auch der kirchlichen Heraldik (zum Beispiel im Zusammenhang mit Bistumswappen) sind dort Bohrturmfiguren gebräuchliche Motive.
(Aguazul,CO)
(Tibú, CO)
Bohrturm auf Bohrinsel (Manaure, CO)
(San Miguel, CO)
(Saravena, CO)
(Barrancabermeja, CO)
(Trinidad, CO)
(San Pablo, CO)
(Orito, CO)
(Pulí)
(Bistum Tibú, CO)
(Bistum Barrancabermeja, CO)
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Bohrturm wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) von 1990-1960 nicht aufgenommen.[6]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Seite „Bohrturm“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 7. Februar 2020, 18:37 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Bohrturm&oldid=196601934 (Abgerufen: 27. November 2020, 22:39 UTC)
- ↑ Wappenbeschreibung: „In einem gevierteten Schild zeigen Feld eins in Blau eine goldene Traube, Feld zwei in Silber einen Bohrturm mit blauem Gestänge und goldenem Maschinenhaus, Feld drei in Silber zwei blaue Kühltünne auf goldenem Grund, Feld vier in Blau eine goldene Ähre.“
- ↑ Wappenbeschreibung: „Von Rot und Silber gespalten, vorne ein goldene Getreidegarbe, hinten drei blaue Bohrtürme mit schwarzem Gestänge 2-über-1“
- ↑ Wappenbeschreibung (Landkreis Hannover (Hrsg.): Wappenbuch Landkreis Hannover. Selbstverlag, Hannover 1985, S. 458–460. ): „Geteilt, oben gespalten. Vorn in Schwarz zwei gekreuzte, goldene Berghämmer; hinten in Silber ein schwarzer Ölbohrturm. Unten in Grün ein schreitendes, silbernes Ross.“
- ↑ Martha Morales Manchego: La ola de bondades que traería el petróleo a US$ 70. eltiempo.com, 13. Januar 2018, abgerufen am 30. November 2020 (spanisch).
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- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).