Zelt (Heraldik)
Das Zelt (ahd. [gi/ge]zelt, in der Form gizelt belegt seit dem 8. Jahrhundert, in der Form zelt seit dem 9. Jahrhundert[2]; französisch tente; englisch tent) ist in der Heraldik eine gemeine Figur, die in unterschiedlichen Ausführungen („Kriegs-/Heereszelt“, „samisches Zelt“ et cetera) in wenigen Wappen zu finden ist. Die genaue Form ist in der Wappenbeschreibung zu melden.
Geschichte
Wann ein „Zelt“ zum ersten Mal in einem Wappen als gemeine Figur dargestellt wird, ist Stand 2022 unklar beziehungsweise nicht ausreichend erforscht. Spätestens im 16. Jahrhundert ist das Zelt in etlichen Familienwappen als gemeine Figur nachweisbar (zum Beispiel in den Wappen der Familien Zeltner, Zeller, Fraid/Fraidt, Gittelde und so weiter).
Zelte und ihre Bedeutung
Wirkliche Zelte waren nicht nur einfache Behausungen, sondern auch herrschaftliche Kennzeichen und ständegesellschaftliche Bedeutungsträger. Als repräsentative, weithin sichtbares Zeichen zweier Könige, von militärischer Macht (Militär-/Kriegs-/Heereszelte) und hoher gesellschaftlicher Stellung (Thron-/Wappenzelte, Baldachine) zeugen beispielsweise die Zelte, die 1520 beim berühmten Herrschertreffen zwischen dem König von Frankreich, Franz I. und dem König von England, Heinrich VIII. auf dem Camp du Drap d’Or zum Einsatz kamen. Insbesondere durch die prunkvolle Gestaltung und Zurschaustellung der Zeltunterkünfte des provisorischen Heereslagers wollten die beiden Delegationen einander beeindrucken und sich übertreffen.
Die symbolische Bedeutsamkeit von Zelten ist nicht erst im 16. Jahrhundert hoch; spätestens seit dem 13. Jahrhunderten wird ihr in der Bildenden Kunst oft Rechnung getragen, wobei Zelte wiederholt mit der Bildersprache des Waffen-/Wappenwesens in der einen oder anderen Form kombiniert werden. Beispielsweise erscheinen in einer Miniatur aus den Jahren um 1287 oben kämpfende Ritter mit vorheraldischen Kampfschilden (Johannes II. Komnenos bei der Belagerung von Schaizar, 1137/38), während unten Raimund von Poitiers und Joscelin II. von Edessa in einem Zelt Schach spielen. In bildlichen Darstellungen der Minne nutzte man das Zelt als „Ort/Rahmen“, in der ritterliche, emotional-erotische Begegnungen zwischen Männern und Frauen gezeigt werden konnten, wobei die dargestellten Personen oft mittels Wappen oder wappenähnlicher Objekte identifizierbar sind. Beispielsweise findet sich im Codex Manesse aus dem 14. Jahrhundert eine Zelt-/Wappenszenerie mit dem Minnesänger Winli: Unter einem pyramidenförmigen silbernen Zeltdach mit goldenem Kugelknauf, türkisfarbigem Zeltbaum und seitlich hochgerafften Zeltstoffbahnen wird mehrfach auf das Winli-Wappen referenziert (sei es auf der Pferdedecke, auf seinem Kampfschild, seinem Wappenkleid oder auf dem hutförmigen Helmkleinod). Auch in Darstellungen mittelalterlicher Stammbäume erscheinen zuweilen mit Wappen geschmückte Zelte. Beispielsweise zeigt der Babenberger-Stammbaum, das ist ein Tafelbild aus der Werkstatt des Malers Hans Part, das zwischen 1489 und 1492 entstand, Leopold IV. bei der Belagerung Regensburgs vor seinem Markgrafenzelt, welches im oberen Bereich mit dem Bindenschild und etlichen weiteren Wappen verziert ist. Auch in der Verfallszeit der Heraldik (ca. 16. bis 19. Jhr.) stellt man in der Bildenden Kunst Zelte mit teilweise fiktiven heraldischen Verweisen dar. Beispielsweise erscheint in einem Fantasiegemälde von Jan Matejko aus dem Jahre 1889 ein frei erfundenes Wappenzelt mit dem Wappen Polens, welches vorgeblich 1573 auf dem Wahlfeld in Kamion gestanden haben soll.
1305-1340: Codex Manesse
1489-1492: mit Wappen geschmücktes Zelt (nach Babenberger-Stammbaum)
Fantasiegemälde von Jan Matejko, 1889 (Heinrich von Valois wird 1573 vor einem Wappenzelt auf dem Wahlfeld in Kamion zum König von Polen gewählt)
Zelt in Zunft-/Gildewappen
Die Darstellung einer heraldischen Zeltfigur ist im Zusammenhang mit Zunftwappen schon im 15. Jahrhundert belegbar (das ist vor dem Treffen auf dem Camp du Drap d’Or). Beispielsweise bewilligt der Clarenceux King of Arms Sir Thomas Holme der englischen Gilde Worshipful Company of Merchant Taylors (deutsch ‚Geehrte Gesellschaft der [Herren]Schneider‘; ursprünglich bekannt als Guild and Fraternity of St John the Baptist in the City of London, deutsch: ‚Gilde und Bruderschaft des Hl. Johannes des Täufers in der City of London‘) ein Zunftwappen, welches eine Wappenzeltfigur (englisch pavilion) zeigt, begleitet von zwei Wappenmantelfiguren (englisch imperial mantles ‚Königsmäntel‘). Nach John Hope lautet die ursprüngliche Wappenbeschreibung des Zunftwappens von 1480/81:
„Argent, a pavilion beetween two imperial mantles purpure, garnished or on a chief azure, an Holy Lamb within a sun proper.“
„Unter einem blauen Schildhaupt, darin eine aus dem oberen Schildrand wachsende Sonne, belegt mit einem Heiligen Schaf (»Agnus Dei«), in Silber ein Wappenzelt zwischen zwei purpurnen, golden bordierten Königsmänteln (»Wappenmänteln«).“
: Aus dem Englischen frei übersetzt von Andreas Janka, 2022
: Zitiert nach John Hope, 1889[3]
Im Jahre 1408 (etwa 72 Jahre vor der Wappenverleihung) scheint Heinrich IV. den Mitgliedern der Gesellschaft bereits das Recht verliehen zu haben, ein gemeinsames Siegel zu führen; überliefert ist nur ein Siegel aus der Zeit um 1502, welches nach John Hope den Patron der Gesellschaft zeigt, Johannes den Täufer, der auf dem Wappenschild der Gesellschaft steht, gekleidet in einem „Kamelhaarmantel“, begleitet von einem Löwen und einem Einhorn. Das Wappen von 1480 wurde nach Fox-Davies von Sir Thomas Wriothesley im Jahre 1530 bestätigt. Eine neue, säkularisierte Version, die von Robert Cooke am 23. Dezember 1586 offiziell verliehen wurde und bis dato (2022) geführt wird, substituierte das ursprüngliche Zunftwappen: Das Heilige Lamm im Schildhaupt wurde zu diesem Zeitpunkt durch einen hersehenden, schreitenden Löwen (= „heraldischer Leopard“) ersetzt und auf dem Helm erscheint ein gemeines Lamm vor einer Sonne (kein Agnus Dei); als Schildhalter wurden zwei Kamele hinzugefügt. Die Beschreibung des geänderten Zunftwappens lautet nach Fox-Davies:
„Argent, a pavillion with two mantles imperial purple garnished with gold, on a chief azure, a lion passant or.“
„Unter einem blauen Schildhaupt, darin ein schreitender goldener Löwe, in Silber ein Wappenzelt begleitet von zwei purpurnen, golden bordierten Königsmänteln (»Wappenmänteln«).“
: Aus dem Englischen frei übersetzt von Andreas Janka, 2022
: Zitiert nach Arthur Charles Fox-Davies, 1915[4]
Darstellung
Der Ausdruck „Zelt“ ist in der Umgangssprache ein Allgemein- und Oberbegriff für zumeist temporäre, geschwind aufstell- und abbaubare Behausungen, die aus einer leichten Hülle aus Membranen (vorwiegend aus Textilien, Planen, aber auch aus Leder, Folie und anderes mehr) und stabilen Tragkonstruktionen bestehen (letztere sind meist als Gerüst/Skelett aus hölzernen, metallenen oder anderen Zeltstangen/-bäumen, Stäben et cetera ausgeführt).
Im Wappenwesen sollte eine gemeine, nicht besonders bestimmte Zeltfigur stets – heraldisch stilisiert – dem Idealbild eines mittelalterlichen, gewöhnlich pyramiden- bis kuppelförmigen Kriegs-/Thron-/Wappenzeltes nachempfunden sein. Besondere Zelte sollten unter Verwendung eines Eigennamens oder der Nennung der Besonderheiten angezeigt werden, was in der Praxis nicht immer glückt. Zum Beispiel wird eine Zeltfigur im Wappen von Arese als tenda da campo barbarica, als ein ‚barbarisches Lagerzelt‘ beschrieben, wobei unklar ist, was das eigentlich sein soll. Die Art und Weise, wie ein Zelt in einem Wappen dargestellt wird, ist in der Wappenbeschreibung zu melden (geöffnet/mit Öffnung, geschlossen, halbgeöffnet und so weiter). Die Zeltform (Geodät, Kuppelzelt, Tunnelzelt, Firstzelt, Pyramidenzelt et cetera) kann erwähnt sein, muss es aber nicht (wird sie erwähnt, ist die entsprechende Zeltform allerdings stets entsprechend aufzureissen). Zusätzliche Attribute wie ein Fähnlein, welches oft auf der Zeltspitze angebracht wird, eine besonders hervorgehobene Bordüre oder ein Zeltpfosten, der in der Zeltöffnung zu sehen ist, sollten ebenfalls angezeigt werden. Eine Zeltfigur erscheint oft aus dem unteren Schildrand oder einem besonderen Schildfuß (Dreiberg, Boden, Hügel) wachsend, kommt aber auch schwebend im Wappen vor.
Alle heraldischen Farben sind im Zusammenhang mit einer Zeltfigur gebräuchlich, bevorzugt wird das Motiv in Gold oder Silber dargestellt. Sind das Zeltdach oder andere Teile abweichend vom Rest der Figur tingiert, sollte man dies in der Wappenbeschreibung melden. Auch die Zeltöffnung kann mit einer abweichenden Farbe (zum Beispiel mit Schwarz) eingefärbt sein, wobei Verletzungen der heraldischen Farbregeln als Ausnahme gedultet werden.
„Zelt (Tafel XXV. Figur 61 (..) kommt in dieser, aber auch in anderer Form zum Beispiel im polnischen Stammwappen Kisiel et cetera vor, ist aber doch eine seltene Wappenfigur (..)“
Unten: Zelt (Wappen von Georg Sturtz; 1490-1548)
Zelt mit Knopf auf der Kuppe und M-förmiger Öffnung (Dietramszell)
Kriegszelt mit Baronskrone (historisches Wappen Veldhausen)
Zelt mit lanzenförmigen Stangen (Kissing)
Rechteckiges Zelt (Aldeatejada)
Oben: Silbernes Zelt mit schwarzer Dreiecksöffnung (Neuenhaus)
Zelt und in Mehrzahl
Die Zeltfigur erscheint im Wappenwesen nicht nur in Einzahl, sondern auch in Mehrzahl (bevorzugt in Dreizahl). Die genaue Anzahl und die Stellung der Zelte zueinander sollten gemeldet werden (zum Beispiel: „drei Zelte 2-über-1“).
(Fécamp)
Zeltlager
Die Figur Zeltlager (auch Zeltstadt genannt; englisch tent city) ist einer Ansammlung von mehreren Zelten nachempfunden, die beieinander stehen und gestalterisch eine Einheit bilden. Die Anzahl der Zelte wird in der Wappenbeschreibung nicht festgelegt. Die genaue Ausprägung/Gestaltung der Zeltlagerfigur ist im Wappenwesen nicht wohldefiniert oder streng vorgegeben. Sie obliegt weitgehend dem aufreißenden Wappenkünstler, sollte jedoch grundsätzlich der Gesamtharmonie eines Wappens zuträglich sein und im Wappenschild nach Möglichkeit zweidimensional erfolgen (respektive nicht oder nur wenig perspektivisch). Eine Zeltlagerfigur erscheint zum Beispiel im Wappen der Grafen von Toll:
„(..) Im Wappen der Grafen Toll erscheint im unteren Felde ein ganzes Zeltlager.“
Hebräisches Zelt
Ein sogenanntes „althebräisches Zelt“ (englisch ancient Hebrew tent, gemeint ist wohl eine Art „Beduinen-/Nomadenzelt“, wie es im Alten Testament Abraham zugeschrieben wird) kommt mindestens in einem Fall vor (Wappen von Myra Freeman). Diese Figur ist aber, wenn sie nicht im Stil des westlichen Wappenwesens aufgerissen wird, eher unheraldisch zu nennen.
„Althebräisches Zelt“? (Wappen Myra Freeman)
Samisches Zelt
Samische Zelte/Koten kommen vereinzelt in der neueren Heraldik (bevorzugt im skandinavischen Kulturraum) in mehreren Formen vor (zum Beispiel als Lávvu-Figur, das ist eine konische Zelt-Kote, die in Form, Konstruktion und Deckungsarten im Wesentlichen den Tipis der indigenen nordamerikanischen Prärie-Völker oder den Zelten der nordrussischen und sibirischen Völker entspricht)[6].
In Blau ein goldenes Lavvu (Wappen von Kautokeino)
Um 1900: Norwegisch-samische Familie vor Kote
Drei silberne (samische) Koten mit rotem Eingang, 2-über-1 (Posio)
Tipi
Tipi- oder Wigwamfiguren kommen in der Paraheraldik vor. Beispielsweise erscheint im Parawappen des 12. Infanterie-Regiments der Vereinigten Staaten eine Tipifigur (die fälschlich manchmal auch als „Wigwam“ beschrieben wird). Im traditionellen Wappenwesen kommen diese Zeltfiguren nicht oder nur ausnahmsweise vor.
1891: Tipi der Oglalas (Foto von John C. H. Grabill)
Tipi (Parawappen des 12. Infanterie-Regiments, USA; auch „Wigwam“? genannt)
Jurtenkrone
Die stilisierte Krone einer kasachischen Jurte (französisch yourte; englisch yurt), ein sogenanntes Schangyrak, erscheint im Emblem Kasachstans.
Wappen Kasachstans mit Jurtenkrone (Schangyrak)
Zelt als Prachtstück
Ein sogenanntes „Wappenzelt“ wird als dekorativ-fakultatives Pracht- oder Prunkstück manchmal hinter ein Wappen gestellt.
Wappenbilderordnung
- Das Zelt wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Kriegsgerät: A. Schutzwaffen, Rüstung unter der Nr. 9629 aufgenommen.
Weblinks
Literatur
- Walter Leonhard: Das grosse Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung. Callway, München 1978, ISBN 3-8289-0768-7, S. 270, Figur 25; S. 314, Figur 19 (Genehmigte Lizenzausgabe für Weltbild Verlag GmbH: Bechtermünz, Augsburg 2000).
Einzelnachweise
- ↑ Wappenbeschreibung:
- In Blau auf grünem Dreiberge ein silbernes Zelt mit goldenem Zeltpfosten, oberhalb der Öffnung mit goldener Einfassung, oben ein goldener Knopf, darauf ein rechtswehendes goldenes Wetterfähnlein.
- Auf dem mit einem Rosenkranz bedeckten Helm mit blau-goldenen Decken ein wachsender Mann mit braunem Bart, „bekleidet in ein zerschnittenes silbernes Wamms mit blauen ausgezogenen und darüber habenden oben und unten herum vergoldeten Panzerkragen, umgürtet mit einem Landsknecht-Degen mit goldenem Heft und Beschlag, seine Linke an den Degen spreizend und in der Rechten über sich zum Streiche einen ungarischen goldenen Pusikan haltend“, bedeckt mit blauem Hut, der mit drei blau-gold-silbernen Straußenfedern besteckt ist.
- ↑ Friedrich Kluge, bearbeitet von Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24., durchgesehene und erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2001, ISBN 978-3-11-017473-1. , Stichwort: „Zelt“, Seite 1007.
- ↑ John Hope: Seal of the Worshipful Company of Merchant Taylors. In: The Early History of the Guild of Merchant Taylors of the Fraternity of St. John the Baptist: With Notices of the Lives of Some of Its Eminent Members, Charles Mathew Clode. London, 1889. S. XV-XVI. (englisch; Google)
- ↑ Arthur Charles Fox-Davies: The book of public arms : a complete encyclopædia of all royal, territorial, municipal, corporate, official, and impersonal arms. 1915. S. 506-507. (Internet Archive; englisch)
- ↑ 5,0 5,1 J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889/1890. S. 116. Tafel 25. Figur 61. Reprint on Demand. Universtitäts- und Landesbibliothek Tirol. 2009. ISBN 3-226-00671-1.
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