Ziegel (Heraldik)
Der Ausdruck Ziegel (auch Ziegelspäne, Span, Brieflein, Staindel, Stein, Billet oder ähnlich genannt; frz.: tuile; engl.: brick; tile) bezeichnet in der Heraldik hauptsächlich:
Synonym für |
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Abkürzung für | Ziegelstein/Mauerziegel/Backstein (Mauerstück, Mauerstein)
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Abkürzung für | Dachziegel
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Darstellung
Schindel
Die heraldische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts setzt die Bezeichnung Ziegel mit dem Ausdruck Schindel gleich und leitet die Gestaltung entprechender Wappenfiguren im Allgemeinen aus tradierten Heroldsbildern wie beispielsweise einem Balken oder einem Pfahl ab:
„Ziegel: werden mitunter die „Schindeln“ (siehe dort) genannt.“
„Ziegel und Dachziegel (Tafel XXV. Figur 40. 41.): Erstere führen unter Anderem die von Frankenberg in Schlesien; die Figuren können aber ebenso als Längsschindeln angesprochen werden.“
„Ziegel, Dachziegel: in einigen Wappenbeschreibungen auch als Schindel angesprochenes Wappenbild zum Beispiel im Wappen der schlesischen Familie von Frankenberg“
Zur exakten Beschreibung einer Wappenfigur sind die beiden umgangssprachlichen Oberbegriffe nur bedingt geeignet. Einerseits sind sie mehrdeutig, andererseits haben sie in Wappenbeschreibungen und in der Literatur nicht in jedem Fall eine wohldefinierte Bedeutung. Teilweise stehen sie beispielsweise abkürzend für „Längsschindel/Längsziegel“, teilweise für „Querschindel/Querziegel“, teils für „Dachziegel“, teils für „Mauerziegel“, mal sind sie einem Heroldsbild, mal einer gemeinen Figur zuzurechnen. Genaue Vorgaben (Form, Lage, Position, Anzahl, Ausprägung, Ziegel-/Schindelart) sind in der Wappenbeschreibung zu ergänzen, anderenfalls besteht die Gefahr, dass die jeweilige Wappenfigur nicht einheitlich, sondern mit Abweichungen aufgerissen wird.
Ziegelstein/Mauerziegel/Backstein
Gemeine Figuren, die in der heraldischen Literatur unter anderem als Ziegelstein, Mauerziegel, Mauerstein, Backstein (oder kurz als Ziegel/Schindel) bezeichnet werden, sind – heraldisch stilisiert – den gleichnamigen, aus keramischem Material künstlich hergestellten „Steinquadern“ nachempfunden, welche im Bauwesen zum Mauerwerksbau genutzt werden (→ „Mauerziegel“).
Die Figur Ziegelstein erscheint gewöhnlich „waagerecht“ beziehungsweise liegt in der Schild-/Feldfläche breiter als hoch. Andere Ausrichtungen (senkrecht/aufrecht, schrägrechts, schräglinks) sollten gemeldet werden. Ziegelsteinfiguren kommen in Wappen einzeln und mehrfach, in kleinen Stapeln, aufgeschichtet, als Ziegelsteinstufengiebel, als Mauerwerk oder als Bestandteil von Bauwerksfiguren vor. Werden mehrere Ziegelsteinfiguren in einem Wappen dargestellt, ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob sie innnerhalb eines Mauerwerks vermörtelt (aufeinander geschichtet) sind (wobei die Fugen durch dünne Konturlinien angedeutet werden) oder ob sie als einzelne Ziegelsteine mit Zwischenraum zueinander in einer typischen heraldischen Konstellation wie 2-über-1 gestellt sind („nicht vermörtelte Ziegelsteine“). Ziegelsteinefiguren erscheinen bevorzugt in Rot, seltener in Gold oder Schwarz; andere heraldischen Farben sind möglich.
Drei 1:2 gestellte Ziegelsteine
(Heyrothsberge)[4]Fünf 3:2 gestellte Ziegelsteine
(Wiendorf)Stufen(giebel)förmig, 1:2:3 gestellte Ziegelsteine
(Ziegelbach)[5]Sechs Ziegelsteine 3:2:1 gestellt
(Bergzow)Sechs Ziegelsteine 2:2:2, die mittleren zum Schildrand hin versetzt
(Wethau)Neun 1:2:3:2:1 gestellte Mauersteine
(Amt Kisdorf)[6]Schräglinksbalken, belegt mit neun Ziegelsteinen, die äußeren aus dem Schildrand wachsend
(Boostedt)
Zehn 1:2:3:4 aufeinander geschichtete Ziegelsteine (Ipsheim)
Ziegelstein als Nebenfigur
In vielen Wappen erscheinen Ziegelsteine als Nebenfigur. Sie begleiten ein Heroldsbild oder eine gemeine Figur, die in diesen Fällen als Hauptfiguren wirken, füllen ein Feld, dienen als verzierendes Muster oder ähnliches. In vereinzelten Fällen hält eine Wappenfigur einen Ziegelstein (Wappen Esens). Auch der Transport von Ziegelsteinen (Wappen Kakskerran) oder ihre Lagerung (Neuwarmbüchen) wird in Wappen thematisiert.
Bär, der einen Backstein hält (Esens)
Löwe, die rechte Hinterpranke auf zwei übereinandergelegte, gegeneinander versetzte Ziegelsteine stützend (Berenbostel)
Schiffe mit Ziegelsteinen (Wappen Kakskerran)
Ziegelsteinschuppen (Neuwarmbüchen)
Axonometrische Ziegelsteine
In der Normalform erscheint der Ziegelstein im Wappenschild zweidimensional; der Verzicht auf Perspektive gilt als heraldisch. In der neueren Heraldik werden manchmal axonometrische Ziegelsteine dargestellt, wobei Teile der heraldischen Literatur diese Darstellungsweise im Wappenschild als unheraldisch auslegen.
Dachziegel/Dachstein beziehungsweise Dachschindel
Gemeine Figuren, die in der heraldischen Literatur unter anderem als Dachziegel/Dachstein oder als Dachschindel (oder kurz als Ziegel/Schindel) bezeichnet werden, sind -- heraldisch stilisiert -- entweder dem dünnen, schmalen Holzbrettchen („Dachschindel“) oder dem meist aus gebranntem Ton bestehenden Bauteil („Dachziegel/Dachstein“) nachempfunden, die bei der Dachbedeckung beziehungsweise beim Eindecken von Dächern Verwendung finden.
Die Figur Dachziegel/-stein/-schindel erscheint gewöhnlich „senkrecht“ beziehungsweise liegt in der Schild-/Feldfläche höher als breit. Andere Ausrichtungen (waagerecht/liegend, schrägrechts, schräglinks) sollten gemeldet werden. Die Figur kommt in Wappen einzeln, mehrfach und in verschiedenen Formen vor. Ob der Fuß der Dachziegel/-stein/-schindel beispielsweise rund, links, rechts, oder als Rechteck, Stutzeck, Schwalbenschwanz, Hirschzunge, Rautenform et cetera gefaßt ist, sollte gemeldet werden.
Dachziegel
(Hainstadt )In den Oberecken und unten je eine Dachziegel
(Ebenhausen)[8]In den Oberecken je ein silberner Dachziegel
(Gundelsdorf)[10]In der rechten Oberecke: Dachziegel
(als „Ziegel“ blasoniert; Reckendorf)[11]
Werden eine unbestimmte Anzahl Dachziegel/Dachschindeln in einem Wappen dargestellt (wie zum Beispiel im Wappen Edelsgrub: zwei Reihen unten abgerundeter Dachziegel), sind diese in der grafischen Darstellung nach Möglichkeit deutlich von Figuren abzugrenzen, die mit Schuppenfeh tingiert oder mit Pelzwerk/Kürsch besetzt sind.
Keine Dachziegel/-schindel, sondern mit Pelz besetztes Wappen
(Sankt Oswald)
Wappenmosaik aus Dachziegeln/-schindeln
Einige Dächer von Gebäuden sind mit Wappen geziert, wobei als bildgebende Teilchen unterschiedlich gefärbte, mosaikartig zusammengelegte Dachziegeln/Dachschindel benutzt werden.
Albertinisches Chordach des Stephansdoms
Geziegelt
Der Ausdruck „geziegelt“ wird in der heraldischen Literatur gewöhnlich mit dem Ausdruck „geschindelt“ gleichgesetzt:
„Geziegelt ist soviel als „geschindelt“ (siehe dort).“
„geziegelt
= alter Ausdruck für „geschindelt“ (siehe dort)
= Wenn ein Feld wie zum Beispiel im Wappen des Grafen Wurmbrand mit sechseckigen Ziegelsteinformen ausgefüllt ist.“
„geziegelt: seltener Ausdruck für „geschindelt“.“
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Querfurt, Curt Oswalt Edler von: Kritisches Wörterbuch der heraldischen Terminologie. Nördlingen: Beck. 1872. Neudruck: Wiesbaden: M. Sändig. 1969. Seite 12, 54.
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 114
- ↑ Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 452 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).
- ↑ Jörg Mantzsch: Das Wappen und die Flagge des Ortsteils Heyrothsberge, Dokumentation zum Beurkundungsverfahren. Hinterlegt bei der Gemeinde Biederitz, 2015 (Gutachten: HEROLD zu Berlin e.V.).
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Silber unter sechs stufenförmig aufeinandergeschichteten roten Ziegelsteinen (1:2:3) ein blauer Wellenbalken.“
- ↑ Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein
- ↑ Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein
- ↑ Wappenbeschreibung nach Ministerialentschließung vom 5. Mai 1969 (Nr. I B 3-3000-29 E/10): „In Blau eine schwebende goldene Gugel, in den Oberecken und unten begleitet von je einem silbernen Dachziegel.“
- ↑ Wappenbeschreibung: „Gespalten von Silber und Rot, am Spalt überdeckt von einem von Schwarz und Silber gespaltenen Dachziegel, vorne ein schwarzes Deichselkreuz, hinten eine silberne Hirschstange mit aufgesteckter silberner Lilie.“
- ↑ Wappenbeschreibung; Schreiben der Regierung von Oberfranken vom 17. Mai 1971 (Nr. II/4-4121 r 1/71): „Durch eine eingeschweifte silberne Spitze, darin eine rote Rose, gespalten von Blau und Rot, in den Oberecken je ein silberner Dachziegel“
- ↑ Eintrag zum Wappen von Gemeinde Reckendorf in der Datenbank des Hauses der Bayerischen Geschichte
- ↑ Wappenbeschreibung, Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 41, 1991, S. 31: „In Schwarz ein goldener Apfelbaum in Form eines Lebensbaumes, überdeckt von einem goldenen Balken, darin ein Balken von zwei Reihen roter, unten abgerundeter Dachziegel.“
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 245
- ↑ Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Bibliographisches Institut, Mannheim, Wien, Zürich 1984, ISBN 3-411-02149-7, S. 161 (Digitalisat [abgerufen am 29. Februar 2020]).