Ofen (Heraldik)
Ofen |
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1335/1345: Kachelofen nach Zürcher Wappenrolle |
Der Ober-/Sammelbegriff Ofen (lat.: fornax, althochdeutsch ovan/ofan/ovin; französisch poële; englisch stove) bezeichnet im Wappenwesen
- einerseits eine Gruppe von Wappenfiguren („die Öfen“), wobei die Mitglieder der Gruppe Vorrichtungen zur kontrollierten Erzeugung von Wärme, meist durch Verbrennung von Brennholz oder fossilen Brennstoffen wie Gas, Öl oder Kohle nachempfunden sind;
- andererseits steht er für eine seltene gemeine Figur, deren genaue Form und Erscheinung in der heraldischen Literatur nicht systematisch, konsistent und erschöpfend bestimmt ist (der „gemeine Ofen“).
In einem engen, eher heraldisch-traditionellen Sinn zählen nur jene Öfen zu den gemeinen Figuren, die in der Früh-/Blütezeit des europäischen Wappenwesens (etwa 11. bis 15. Jahrhundert) auf einem Schild als Wappenmotiv denkbar gewesen wären. Nach dieser Auffassung gelten beispielsweise der mittelalterliche Kachelofen oder ein Lehmofen als heraldisch, eine moderne großindustrielle Hochofenanlage o. Ä., was erst aus den mittelalterlichen Ofen entstanden ist und im Hochmittelalter unbekannt war, eher als unheraldisch.
Darstellung
Öfen (oder Teile von Öfen wie ein Ofenrohr)[1] erscheinen im Wappenwesen in unterschiedlicher Form und Ausprägung. Die Darstellung von Öfen im Wappen erfolgt heraldisch stilisiert, wobei zum Beispiel eine regionale Ofenform, eine bestimmte historische Bauform oder der charakteristische Verwendungszweck des darzustellenden Ofens durch Reduktion oder durch Übertreibung bildhaft gemacht wird. Die Formenvielfalt der Wappenfiguren reicht von einer einfachen überkuppelten Feuerstelle bis zum Hochofen im industriellen Zeitalter zum Erzeugen von Stahl. Ein besonderer Ofen sollte stets unter Verwendung eines Eigennamens und/oder seiner besonderen Charakteristika gemeldet werden (Kachelofen, Backofen, Kochherd, Kalkofen, Brennofen, Ziegelofen, Kaminofen, Holzofen, Kanonenofen, Lehmofen, Kuppelofen, Glasbrennofen, Renn(feuer)ofen, Hoch-/Schmelzofen und so weiter). Die Unterschiede zwischen den einzelnen Grundformen sind fließend, Hybridformen sind möglich. In jedem Fall sind die besonderen Merkmale des jeweiligen Ofens im Wappenaufriss zu berücksichtigen. Ofenfiguren erscheinen im Wappenschild gewöhnlich in Aufsicht (Vorderansicht); manchmal werden sie in geringem Maße räumlich dargestellt, was durch wenige Akzentierungslinien geschieht. Oft wird eine Ofenfigur zusammen mit Feuer oder Flammen dargestellt, wobei diese bevorzugt in Rot oder Gold, der Ofen vorzugsweise in Silber, Gold, Schwarz oder Grün tingiert wird.
(Gemeiner) Ofen/ Kachelofen
Die gemeine, nicht weiter bestimmte Figur Ofen ist in einem weiten Sinn einem „Kachelofen“ zum Beheizen eines oder weniger Wohnräume nachempfunden. Der Gebrauch von Kachelöfen etablierte und verbreitete sich zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert; um das Jahr 1200 ist der Kachelofen bereits fester Bestandteil vieler Burgen, Klöster und städtischer Wohnhäuser.[2] Die Kacheln der Figur erscheinen gewöhnlich regelmäßig und unterteilen die Gesamtfläche des (gemeinen) Ofens in ein harmonisches Raster oder Muster (zum Beispiel in mehrere Reihen und Spalten aus kleineren quadratischen oder runden Flächen). Erscheint die (gemeine) Ofenfigur nur in einer heraldischen Farbe, sind die Linien des Rasters beziehungsweise die Konturen der Kacheln meist deutlich sichtbar mittels der Farbe Schwarz gestaltet. Andere heraldische Farben für die Umrisse der Kacheln sind zu melden; bei einem schwarzen Ofen werden die Kacheln meist in Silber deutlich hervorgehoben.
„Ofen (Tafel XXIX. Figur 24.): kommt unseres Wissens nur einmal im Wappen der von Oven in Frankfurt a. M., dagegen auf dem Helme der dortigen von Rauch sogar 2 rauchende Schlote (!) vor.“
Kachelofen zwischen zwei Räumen in der Burg Meersburg
Backofen
Der Backofen (auch Backrohr, Backröhre, Rohr oder ähnlich genannt; französisch four; englisch baking oven) ist in der Heraldik eine seltene gemeine Figur, die dem Idealbild des gleichnamigen, mittelalterlichens Ofens nachempfunden ist. Gewöhnlich erscheint die Figur unten rechteckig und oben halbkreisförmig ausgebogen, stets ohne Schornstein. Besonderheiten (mit Gestell, mit Feuer et cetera) sollten gemeldet werden. Es empfiehlt sich, das Vorhandensein und die Tingierung eines Backraums in der Wappenbeschreigung anzuzeigen; auch ein geschlossener Backofen kann gemeldet werden, um Verwechslungen zu vermeiden.
Mittelalterlicher Backofen (Nachbau; Burg Wenden, Cēsis, Lettland)
Musterwappen: Roter Backofen mit schwarzem Backraum
(nach WBO, Nr. 9005)(Sever)
Renn(feuer)ofen
Die Figur Rennofen (auch Rennfeuerofen, Rennfeuer oder ähnlich genannt) ist einem kleinen, aus Lehm oder Steinen errichteten Schachtofen (mit einer Höhe von etwa 50 bis 220 cm) zur Gewinnung von Eisen aus Eisenerz nachempfunden.
Goldener Rennofen/Eisenofen (Eisern)
Brennofen
Glasbrennofen
Der Glasbrennofen (auch Glasschmelzofen oder ähnlich genannt; englisch glass furnace) ist in der Heraldik eine seltene gemeine Figur, die gewöhnlich dem Idealbild eines mittelalterlichens Glasschmelzofens der Waldglashütten nachempfunden ist. Die Glasbrennofen waren meist eiförmige Konstruktionen beziehungsweise dreistöckige Rundöfen:
- Im unteren Stock lag der Befeuerungsraum mit ein oder zwei halbrunden Öffnungen für den Holzeinwurf.[4]
- In der Mitte schlugen die Flammen durch eine große runde Öffnung in den zweiten Stock, in dem die Hafenöfen standen. Dieser hohe Raum war rundum mit Ofentoren versehen, durch die das Gemenge eingelegt und das Glas entnommen werden konnte.[4]
- Im Obergeschoss, das durch eine kleine Öffnung mit dem Schmelzraum verbunden war, lag der Kühlofen, der mit einer kleinen Öffnung versehen, durch die fertige Werkstücke eingetragen wurden.[4]
Die genaue Ausprägung einer Glasbrennofenfigur („überdacht“, „gemauert“, „mit [x] Feuerlöchern“ und so weiter) ist in der Wappenbeschreibung (Blason) stets zu melden.
1023: Glabrennofen mit Glasbläser (aus: Hrabanus Maurus, De universo, illustrierte Handschrift, Kloster Montecassino, cod. 132)[5]
Oben Glasbrennofen (Saint-Bérain-sur-Dheune)
Kalkofen
Hoch-/Schmelzofen
(Heraldisch) links: Schwarzer Hochofen mit rotem Abstich und ebensolchen oben herausschlagenden Flammen (Longlaville)
Esse
Die gemeine Figur Esse (auch Schmiedefeuer und mißverständlich Feuerherd[6], Schornstein[6] oder ähnlich genannt; von althochdeutsch essa; „Herd des Metallarbeiters“) ist keinem Ofen im eigentlichen Sinn nachempfunden, sondern einer Feuerstelle mit Abzug und Luftzuführung, die gewöhnlich dem Erwärmen (Erhitzen) von Metallteilen beim Schmieden dient (→ „Esse“).
Esse (redendes Wappen von Essingen)[7]
Kohlenmeiler
Ofenplatten und Kamine
Ofenplatten sind genau wie Kamine und Ofenkacheln ein beliebter Platz für Wappendarstellungen.
Württembergisches Wappen auf einer Ofenplatte
Hans Holbein der Jüngere: Wappendarstellung auf einem Kamin
Wappenbilderordnung
- Die Figur Ofen wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Haus und Küchengerät (Heraldik) unter der Nr. 9001 aufgenommen.
- Die Figur Backofen wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) im Abschnitt Andere Erzeugnisse von Menschenhand: Haus und Küchengerät (Heraldik) unter der Nr. 9005 aufgenommen.
Paraheraldik
In den Zunft-/Gewerbewappen der „Hafner“ (Ofenbauer) erscheint manchmal ein Ofen.
Siehe auch
Literatur
- Rosmanitz, Harald: Hinterm Ofen ist mir wohl – Zum Einsatz von Keramik im mittelalterlichen Kachelofenbau. PDF. In: Ulrich Löber (Hg.): Die zündende Idee – Keramik in der Technik. Koblenz 1997. (überarbeitet und erweitert 2005 und 2015). S. 25-27.
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ Famuilie Hoeller: DWR 5771/59 - XVI, 46.
- ↑ Vgl. Seite „Kachelofen“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6. November 2015, 10:28 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kachelofen&oldid=147760014 (Abgerufen: 6. März 2016, 22:28 UTC)
- ↑ J. Siebmacher's grosses und allgemeines Wappenbuch, Einleitungsband, Abteilung B: Grundsätze der Wappenkunst verbunden mit einem Handbuch der heraldischen Terminologie (Maximilian Gritzner). Nürnberg: Bauer & Raspe, 1889. S. 138
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Seite „Waldglas“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. April 2019, 09:24 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Waldglas&oldid=187730049 (Abgerufen: 30. November 2019, 22:19 UTC)
- ↑ Axel von Saldern, Ulrich Hausmann, Reinhard Herbig, Walter Otto: Antikes Glas. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51994-6.
- ↑ 6,0 6,1 Lemma Esse. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854-1960 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Gold der oberhalb runde schwarze Rahmen einer Esse, auf deren Rost eine rote Flamme lodert. “