Wasserturm (Heraldik)
Das Bauwerk Wasserturm (französisch château d'eau; englisch water tower) und sämtliche Wasserturmtypen sind im Wappenwesen (Heraldik) gemeine Figuren, die je nach Wappen durch markante oder besondere architektonische Details unterschiedlich gestaltet sein können.
Geschichte
Wann das erste mal eine solitäre Wasserturmfigur in einem Wappen erscheint, ist unklar beziehungsweise nicht vollständig erforscht. Der älteste erhaltene Wasserturm Deutschlands ist der zwischen 1412 und 1416 erbaute Große Wasserturm[6] beim Wasserwerk am Roten Tor in Augsburg, dem ältesten Wasserwerk Deutschlands und wohl auch Mitteleuropas.[7] Im Wappenwesen erscheinen aber vorwiegend Wasserturmfiguren, die Wassertürmen nachempfunden sind, die aus dem späten 19. oder dem frühen 20. Jahrhundert stammen. Zu dieser Zeit errichtete man in Deutschland solche Türme in großer Zahl, „um die öffentliche Versorgung mit sauberem Trinkwasser in der Gründerzeit, in welcher es zu einer zunehmenden Verstädterung kam, zu gewährleisten.“[8]
Darstellung
Die gemeine Wappenfigur Wasserturm ist -- heraldisch stilisiert -- entweder dem auf einer verhältnismäßig kleinen Grundfläche hoch aufragenden, schlanken und hohen Idealbild des gleichnamigen Betriebsbauwerks der Wasserversorgung mit einem Hochbehälter zur Speicherung von Trinkwasser oder Brauchwasser nachempfunden oder eine wappenmäßig vereinfachte Wiedergabe eines realen (ehemaligen oder noch bestehenden) Wasserturms. In einer Wappenbeschreibung wird gewöhnlich der Umstand der Nachbildung eines realen Wasserturms nicht (oder nur ausnahmsweise) angesprochen. Die genaue Beschreibung des Wappenmotivs erfolgt statt dessen in der Kunstsprache der Heraldik. Bei der Blasonierung ist die Figur Wasserturm so präzise zu beschreiben, dass alle Wappenkünstler heraldisch vergleichbare Wappenaufrisse für ein und dasselbe Wappen erzielen können. Hinweise auf die Nachbildung finden sich unabhängig von der Wappenbeschreibung oft in einer Wappenbegründung beziehungweise in einer Symbolbeschreibung.
Bevorzugt wird das Wasserturmmotiv in Wappen freistehend („schwebend“) dargestellt, manchmal mit einem Schildfuß, einem Dreiberg oder einer anderen Standfläche (Boden, Berg, Fels oder ähnlichem) kombiniert, zuweilen erscheint es auch aus dem unteren Schildrand wachsend.
Tingierung von Wasserturmfiguren
Die Tingierung der Wasserturmfigur folgt den Regeln für heraldische Farben. Die bevorzugte Tingierung aller Wasserturmformen ist Silber, wobei Wasserturmfiguren zuweilen auch in anderen heraldischen Farben erscheinen. Sind Teile der Figur (Dach, Wasserbehälter und so weiter) andersfarbig tingiert, so ist dies anzuzeigen (zum Beispiel: „silberner Wasserturm mit rotem Dach“).
Bauformen/Behälterart
Wassertürme unterscheiden sich im Hinblick auf die äußeren Erscheinung. Es gibt massive Türme (aus Backstein oder Beton), Stahl-Skelett-Konstruktionen, aber auch Türme in Holzbauweise; heraldisch relevant ist vor allem die Art/Form des Wasserbehälters, weil durch sie eine Wasserturmfigur von einer anderen Turmfigur abgegrenzt werden kann. Die Bauform und die Behälterart-/form der Wasserturmfigur ist gegebenenfalls in einer Wappenbeschreibung zu melden, was in der Praxis oft vernachlässigt wird. Beispielsweise erscheint im Wappen von Böddensell ein Wasserturm mit einem Wasserbehälter in Klönne-Form; in der offiziellen Wappenbeschreibung wird aber die Wasserbehälterart nicht explizit erwähnt, so dass es grundsätzlich möglich ist, die Wappenfigur auch mit einer anderen (nicht runden) Wasserbehälterform aufzureissen.
Silberner Wasserturm mit schwarzen Fensterluken (Etziken)
Aus dem Schildesfuß wachsender Wasserturm (Blumau-Neurißhof)[10]
Wasserturm bei einer Fabrik-/Gebäudeanlagenfigur
Besonders in Stadt- und Ortswappen, in denen auf kommunale Industrie verwiesen wird, erscheinen Wassertürme als Nebenfiguren beziehungsweise als Teile einer mehr oder minder komplexen Fabrik-/Gebäudeanlagenfigur oder einer entsprechenden, heraldisch stilisierten „Industriesilhouette“. Bei der Blasonierung sind diese Figuren präzise zu beschreiben. Die genauen Formen, Erscheinungen und Varianten der Wasserturm-/Schlot-/Fabrik-/Industrierfiguren sind trotz einiger Ansätze in der heraldischen Literatur nicht allgemeingültig, systematisch, konsistent und erschöpfend bestimmt. Im Wappenschild sind sie stets im Aufriss (zweidimensional) und nicht (oder nur sehr gering) perspektivisch darzustellen; konkrete und perspektivsche Darstellungen gelten als unheraldisch.[11]
Multifunktionsturm
Der Turm im Wappen von Kbely ist einem historischen Multifunktionsturm beim Militärflugplatz Prag-Kbely nachempfunden (Majáková a vodárenská věž Kbely). Das Vorbild, ein Kulturdenkmal aus dem Jahr 1927, dient gleichermaßen als Flugverkehrsleuchtturm und als Wasserturm.
(Wappen von Prag 19)
Wassertürme mit Wappen
Wassertürme werden manchmal genutzt, um ein Wappen weithin sichtbar zu machen. Beispielsweise umschließt ein gürtelförmiger Fries mit Kreuzmuster den Schaft des Wasserturms von Rostock, wobei der Fries an der Vorderseite durch ein Wappenmosaik unterbrochen ist, welches eine frühere Version des Rostocker Wappens zeigt, bei dem der Rostocker Greif aufrecht steht.
Wappenbilderordnung
- Die gemeine Figur Wasserturm wurde in die Wappenbilderordnung (WBO) des Herold (Verein) von 1990-1960 nicht aufgenommen.[12]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wappenbeschreibung (Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein): „Unter eingebogenem goldenen Schildhaupt in Grün ein silberner Wasserturm mit einem roten in das Schildhaupt ragenden Dach, begleitet rechts und links von je einem silbernen Ahornblatt, darunter ein goldenes Posthorn.“
- ↑ Wappenbeschreibung (Kommunale Wappenrolle Schleswig-Holstein): „In Rot, begleitet rechts von einem blühenden silbernen Erikazweig, links von einer silbernen Roggenähre, ein runder, nach oben sich verjüngender, leicht eingebogener silberner Wasserturm mit geschlossener, rundbogiger Tür, glattem Sockelsims und drei rundbogigen, schmalen schwarzen Fenstern (1 : 2), bekrönt von einer ausladenden sechseckigen Laterne auf Gesims und Konsolen; auf dem abgeflachten Spitzdach ein silberner Mast, von dessen nach links abgeknicktem Ende ein schwarzes Tau mit einem silbernen Ball daran zum Dach gespannt ist.“
- ↑ Wappenbeschreibung: „Silbern, geteilt und oben gespalten: Im ersten Feld ein turmartiges braunes Rundgebäude. Im zweiten Feld der aufrecht stehende und nach rechts blickende rotgezungte Berliner Wappenbär. Im unteren Feld erhebt sich über goldenen Schildfuß ein grüner Berg. Hinter dem Berg wächst, halb verdeckt von der Bergspitze, ein brauner Sockel, auf dem sich eine nach links hin wehende rote Fahne befindet. Begleitet wird der Sockel von je drei stark stilisierten grünen Laubbäumen mit weißen Stämmen. Den Hintergrund bildet ein gold und braun tingierter Hochhauskomplex.“
- ↑ Wappenbeschreibung (Herold: Deutsche Ortswappenrolle. 9. Februar 2018. Nr. 59BR): „In Blau eine vorne von einem gestürzten goldenen Schlüssel, Bart nach außen, und hinten von einer links gewendeten goldenen Mondsichel begleitete, silbern-bordierte eingebogene grüne Spitze. Darin ein aus dem unteren Schildrand hervorkommender achteckiger silberner Wasserturm mit allseits schwarz-gefenstertem Turmaufsatz mit drei Erkern und goldenem Spitzdach mit zwiebelförmig gefensterter schwarzer Turmspitze.“
- ↑ Wappenbeschreibung (Landeshauptarchiv Magdeburg, Wappenrolle 45/1996): „In Blau ein silberner Wasserturm, begleitet von zwei goldenen Ähren mit Blatt.“
- ↑ Stadt Augsburg. In: augsburg.de. Abgerufen am 29. Mai 2018.
- ↑ Martin Kluger: Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg. 1. Auflage. Context Verlag, Augsburg 2013, ISBN 978-3-939645-72-6, S. 2.
- ↑ Seite „Wasserturm“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 30. Oktober 2020, 13:09 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wasserturm&oldid=205023023 (Abgerufen: 25. November 2020, 23:25 UTC)
- ↑ Wappenbeschreibung (Amtsblatt des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt Nr. 9/2009 Seite 255 (Memento des vom 14. Februar 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. [PDF; 5,9 MB]): „In Rot über einem erhöhten silbernen Wellenschildfuß ein silberner Wasserturm mit gemauertem, schwarz gefugtem Turmschaft zwischen vorn einem silbernen Eichenzweig mit drei (1:2) Eicheln und zwei Blättern und hinten einer fliegenden silbernen Taube, der Schildfuß belegt mit oben einem blauen Wellenbalken und unten einem linksgewendeten roten Pflug.“
- ↑ Wappenbeschreibung: „In Grün unter einem silbernen – mit drei schräglinks gestellten roten Bomben, aus denen Flammen schlagen, belegten – Schildeshaupt ein aus dem Schildesfuß wachsender silberner Wasserturm.“
- ↑ Herold, Verein für Heraldik (Hrsg.): Wappen. Handbuch der Heraldik. Als „Wappenfibel“ begründet von Adolf Matthias Hildebrandt, zuletzt weitergeführt von Jürgen Arndt, bearbeitet von Ludwig Biewer und Eckart Henning. Aktualisierte und neugestaltete Auflage. 20. Auflage. Böhlau Verlag GmbH & Cie., Köln, Weimar, Wien 2017, ISBN 978-3-412-50372-7, S. 159 (deutsch: Wappenfibel.).
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- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter): Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - General-Index. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). Band II. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1990, ISBN 3-87947-100-2 (393 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).
- Jürgen Arndt und Werner Seeger (Bearbeiter) mit Wappenskizzen von Lothar Müller-Westphal: Wappenbilderordnung. Symbolorum armorialium ordo. Zit.: WBO - Wappenbilder. Hrsg.: Herold, Verein für Heraldik Genealogie und verwandte Wissenschaften (= J. Siebmachers Großes Wappenbuch. B). 2., ergänzte und berichtigte Auflage. Band I. Bauer & Raspe, Inh. Manfred Dreiss, Neustadt an der Aisch 1996, ISBN 3-87947-110-X (447 S., zugleich Neubearbeitung des Handbuchs der heraldischen Terminologie von Maximilian Gritzner; Einleitungsband, Abt. B des Neuen Siebmacherschen Wappenbuches, Nürnberg, 1890).